Publiziert am: 07.10.2016

Nationalrat schafft endlich Klarheit

UMSETZUNG MEI – Nach dem Nationalrat ist nun der Ständerat mit der Beratung am Zug. Für den sgv und die ihm angeschlossenen KMU wird die Umsetzung im Detail entscheidend sein. Wichtig ist, dass keine zusätzliche Bürokratie aufgebaut wird.

Nachdem der Souverän am 9. Februar 2014 der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) mit 50,3 Prozent zugestimmt hat, benötigte der Bundesrat mehr als zwei Jahre für eine Umsetzungsvorlage. Sein Vorschlag, die Zuwanderung mittels einseitiger Schutzklausel und Kontingenten zu regulieren, ist vom Nationalrat zerpflückt worden. Die grosse Kammer hat sich für einen Inländervorrang mit Meldepflicht entschieden. Das Geschäft geht nun an den Ständerat.

Kein Ausbau der FlaM

Seit Annahme der Masseneinwanderungsinitiative hat der Schweizerische Gewerbeverband sgv konsequent seine klare Linie verfolgt, die sich auf umfangreiche Gespräche und Konsultationen mit seinen Mitgliederverbänden abstützt. Der sgv hält an den bilateralen Abkommen fest und will diese für die Zukunft sichern. Betreffend arbeitsmarktlicher Steuerung der Zuwanderung favorisiert der sgv den Inländervorrang. Umsetzungsmodelle wie reine Kontingentslösungen, Versteigerungen von Kontingenten oder Steuerungsmodelle über Lenkungsabgaben sind für das Gewerbe schädlich. Dafür fordert der sgv, dass Kurzaufenthalter während eines ganzen Jahres kontingentsfrei in der Schweiz arbeiten dürfen und favorisiert für Aufenthalter von länger als einem Jahr einen Inländervorrang mit einer niederschwelligen Meldepflicht der Unternehmen. Jeglichen Ausbau flankierender Massnahmen lehnt der sgv ab.

Pragmatische Lösung

Der Bundesrat hatte seit dem 9. Februar 2014 den Auftrag, im Rahmen der Umsetzung der MEI das Personenfreizügigkeits-Abkommen (FZA) innert drei Jahren mit der EU neu zu verhandeln. Innert dieser Frist war eine einvernehmliche Lösung nicht möglich, weil die EU nicht zu Verhandlungen bereit war. Deshalb hat das Parlament das Heft selbst in die Hand genommen und entgegen dem für die Wirtschaft nachteiligen Kontingentsmodell des Bundesrates eine einseitige, FZA-kompatible Umsetzung mit einem Inländervorrang vorgeschlagen, der für eine Berufsgruppe, eine Branche und/oder eine bestimmte Region, welche von einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit betroffen ist – zeitlich befristet –, inländische Arbeitskräfte bei der Stellenvergabe bevorzugt. Auf diesem Weg können die bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU gesichert werden.

Die in der Herbstsession vom Nationalrat gewählte Lösung ist pragmatisch und respektiert die Bilateralen Verträge, sichert dadurch Arbeitsplätze, bremst die Einwanderung, senkt die inländische Arbeitslosigkeit und verschafft Zeit, eine langfristige Lösung mit der EU zu finden.

Mit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative hat sich der Souverän nicht gegen die Bilateralen Verträge geäussert. Seit 2000 hat die Schweizer Stimmbevölkerung sechsmal den bilateralen Weg bestätigt. Weder der Initiativtext der MEI noch die Initianten haben im Abstimmungskampf gefordert, die Bilateralen zu kündigen. Dem hat das Parlament jetzt Rechnung getragen.

Unbedingt niederschwellig

Die Nagelprobe steht aber erst noch bevor. Die Kritik der MEI-Initianten am Nationalratsbeschluss ist gross. Das Geschäft geht nun in den Ständerat, der im Hinblick auf die Wintersession noch Veränderungen vornehmen dürfte. Derzeit werden die Rahmenbedingungen auf Gesetzesstufe diskutiert.

Für den sgv und die ihm angeschlossenen KMU wird aber die Umsetzung im Detail entscheidend sein, z.B. wie die Meldepflicht beim Inländervorrang technisch ausgestaltet sein wird. Für den sgv ist es entscheidend, dass die Meldepflicht von Vakanzen niederschwellig ist. Eine Ausschreibung von Vakanzen soll lediglich für Nichtmangelberufe und ab einer noch festzulegenden Schwelle durch Publikation auf der Website des Unternehmens oder auf einem Stellenportal bzw. in den Printmedien erfolgen. Die Meldung ans Regionale Arbeitsvermittlungszentrum RAV erfolgt durch automatisches «Absaugen» auf dem Internet ausgeschriebener Vakanzen. Damit ist explizit keine exklusive Meldung mit Karenzfrist ans RAV gegeben. Das RAV macht Vorschläge an die Firma oder es erfolgt eine Zuweisung. Zuweisung bedeutet in diesem Fall, dass der Bewerber oder die Bewerberin sich bei der Firma auf die vakante Stelle bewirbt. Die Firma ist nicht verpflichtet, die vorgeschlagenen Personen einzuladen geschweige denn einzustellen. Weitergehende ­Befugnisse für die Behörden, die Meldepflichten zu verschärfen oder gar Sanktionen gegenüber Firmen aussprechen zu können, lehnt der sgv ab.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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