Publiziert am: 06.10.2017

Nein zur EU – ja zur Welt

Tribüne

Das letzte Mal musste ich meinen Freunden vom Gewerbeverband wegen der Energiestrategie unserer derzeit um die Welt jettenden Bundespräsidentin leider die Leviten lesen. Leider deshalb, weil der Gewerbeverband – und das ist keine Anschleimerei, sondern eine Tatsache – zu jenen Institutionen gehört, die senkrecht zur Schweiz und ihrer freiheitlichen Staatsform stehen. Man kritisiert nicht gern, was man schätzt.

So komme ich gleich auf ein zweites heikles Thema, und zwar auf Europa. Genauer: Auf unser Verhältnis zur EU, die übrigens nicht gleich Europa ist, denn zu Europa gehören 48 Länder, während die EU bald nur noch 27 Mitglieder zählt. Ich muss das jetzt anschneiden, weil in der letzten Fernseh-«Arena» ein Zürcher Unternehmer auftrat, der sich unqualifiziert über die Personenfreizügigkeit und generell über unser Verhältnis zur EU ziemlich selbstgefällig verbreitete. Er war der Meinung, dass wir die Personenfreizügigkeit brauchen. Und wenn ich ihn richtig verstanden habe, sagte er auch, es sei notwendig, die Schweiz institutionell mit der EU zu verbandeln.

Beides ist falsch. Weil das hier das Organ des Gewerbeverbands ist, beschränke ich mich darauf, die Bedeutung der institutionellen Unabhängigkeit für die Wirtschaft zu erläutern. Ich möchte euch zeigen, warum es gerade für uns Unternehmer und Gewerbler so wichtig ist, dass wir an der Selbstbestimmung, also an der institutionellen Ungebundenheit festhalten – auch und gerade bei der Migration.

Warum ist die von Natur aus arme Schweiz wirtschaftlich so erfolgreich? Ja, weil wir tüchtige Unternehmen haben. Warum aber haben wir die? Weil in der Schweiz die Bürgerinnen und Bürger das Sagen haben. Weil die Leute, die unter der Politik leben und manchmal leiden müssen, selber die Politik bestimmen, und zwar aus ihrer Lebenspraxis heraus. Die Leute wissen, dass hohe Steuern, Überregulierung und zu viele Vorschriften die Wirtschaft erwürgen. Sie können auch rechnen, siehe Bersets AHV-Absturz. Die Schweiz ist wirtschaftsfreundlich, weil bei uns die Direktbetroffenen darüber entscheiden, was sie direkt betrifft. Zum Glück.

Deshalb ist die Idee eines institutionellen Rahmenvertrags, den der «Arena»-Unternehmer irgendwie sympathisch findet, weil er «Ruhe in unsere Beziehungen mit Europa» bringe, ein selbstmörderischer Wahnsinn. Es stimmt auch nicht, dass wir nicht wissen, was drinsteht. Der Bundesrat hat die drei wichtigsten Forderungen der EU bereits akzeptiert: automatische Rechtsübernahme in allen bilateralen Bereichen; automatische Streitschlichtung des obersten EU-Gerichts; automatische Sanktionen gegen die Schweiz, wenn sie sich weigert, das EU-Recht zu übernehmen. Offen ist lediglich, wie hoch die Sanktionen sein werden und wer sie festlegt.

Die Einrahmung der Schweiz durch die EU wäre das Ende unserer Selbstbestimmung und damit das Ende unseres Wohlstands. Firmen sind erfolgreich, wenn sie dem Grundsatz nachleben: Der Kunde ist König. Der Schweiz ist erfolgreich, weil die Bürgerinnen und Bürger der Chef sind. Rahmenvertrag: Das ist, wie wenn man einem Unternehmen verbieten würde, auf seine Kunden zu hören.

Selbstbestimmung heisst aber auch: Wir bestimmen, wer ins Land kommt und wer unsere Sozialleistungen, die über Generationen angespart wurden, in Anspruch nehmen darf. Entschuldigung, nur «Füdlibürger» verwechseln die EU-Personenfreizügigkeit mit Weltoffenheit. Die Schweiz kann es sich nicht leisten, an der europäischen Scholle zu kleben. Das wäre Abschottung, europäisches Bunkerdenken.

Liebe Gewerbler, lasst euch nicht den Blick vernebeln. Politische Ungebundenheit und wirtschaftliche Weltoffenheit, die über Europa hinausgeht, sind keine Gegensätze. Das eine ist die Voraussetzung des andern. Nur wer ungebunden ist, kann frei sein in der Welt. Darum: Nein zur Einrahmung.

*Der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel ist 
Chefredaktor und Verleger des Wochenmagazins 
«Die Weltwoche».

Die Tribüne-Autoren geben ihre eigene Meinung wieder; diese muss sich nicht mit jener des sgv decken.

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