Publiziert am: 14.12.2018

Nicht mehr, sondern anders

FLEXIBILISIERUNG DES ARBEITSRECHTS – Das der industriellen Logik entspringende Arbeitsgesetz und seine Verordnungen erfüllen die Anforderungen an die heutige Arbeitswelt immer weniger.

In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Diskussion um eine Flexibilisierung des Arbeitsrechts intensiviert. Einerseits hängt das mit der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt und veränderten Lebensumständen zusammen, von denen sowohl Arbeitnehmende als auch Arbeitgebende profitieren. Anderseits sind die Sozialpartner und politische Akteure Treiber der Diskussion.

Das der industriellen Logik entspringende Arbeitsgesetz und seine Verordnungen erfüllen die Anforderungen an die heutige Arbeitswelt immer weniger. Derzeit besonders kontrovers diskutiert werden die Arbeitszeiterfassung und die Regelungen betreffend Nacht- und Sonntagsarbeit. Dabei geht es keineswegs darum, den Gesundheitsschutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Frage zu stellen. Aber es geht darum, punktuell Anpassungen an eine neue Arbeitsrealität vorzunehmen.

Bessere Verteilung ermöglichen

Aktuelles Beispiel sind zwei Vorstösse aus dem Ständerat betreffend Teilflexibilisierung des Arbeitsgesetzes und Erhalt bewährter Arbeitszeitmodelle sowie Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung für leitende Angestellte und Fachspezialisten. Für Führungs- und Fachkräfte mit hoher Arbeitsautonomie und grossen Befugnissen soll die Umstellung von der Wochen- zur Jahresarbeitszeit eine flexiblere Verteilung der Arbeit ermöglichen. Zudem sollen für leitende Angestellte und Fachspezialisten Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung gemacht werden können.

Beispiel: Treuhänder

Solche Flexibilisierungen sind für bestimmte Branchen von grosser Bedeutung. Wenn mit den Jahresabschlüssen und den Steuererklärungen für Treuhänderinnen und Treuhänder regelmässig viel Arbeit ansteht, muss über den Jahreswechsel und im Frühjahr länger gearbeitet werden können. Systembedingt fällt die Arbeitsbelastung in den Sommermonaten viel geringer aus.

Auch andere Branchen kennen Spitzenbelastungen und viel ruhi­gere Monate. Die heute geltende Beschränkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf grundsätzlich 45 Stunden, das Minimum der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden und die Einschränkungen der Sonntagsarbeit ist für solche Branchen wenig praxistauglich. Zugunsten der Kundschaft, aber auch mit Blick auf die Planbarkeit und die Bewältigung der Arbeit braucht es mehr Flexibilität.

Jahresarbeitszeitmodell statt wöchentliche Höchstarbeitszeit

Arbeitnehmende mit Vorgesetztenfunktion sowie Fachpersonen, die über wesentliche Entscheidungs­befugnisse in ihrem Fachgebiet verfügen, sollen künftig nach einem Jahresarbeitszeitmodell arbeiten können. Voraussetzung dafür ist, dass sie ihre Arbeitszeiten mehrheitlich selbst festlegen können und bei ihrer Arbeit eine grosse Autonomie haben.

Bei einer Anstellung nach dem Jahresarbeitszeitmodell fällt die vom Gesetz festgelegte Grenze der wöchentlichen Höchstarbeitszeit weg. Im Jahresdurchschnitt dürfen höchstens 45 Stunden pro Woche gearbeitet werden. Per Ende Jahr dürfen netto maximal 170 Mehrstunden resultieren, die mit einem Zuschlag auszuzahlen oder, sofern vertraglich vereinbart, im Folgejahr zu kompensieren sind. Zusätzlich werden die Bestimmungen zur Ruhezeit und zur Sonntagsarbeit gelockert.

Vertrauensarbeitszeit statt Arbeitszeiterfassung

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Vorgesetztenfunktion sowie Fachpersonen, die über wesentliche Entscheidungsbefugnisse in ihrem Fachgebiet verfügen, sollen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung befreit und der Vertrauensarbeitszeit unterstellt werden können, sofern sie bei ihrer Arbeit über eine grosse Autonomie verfügen und ihre Arbeitszeiten mehrheitlich selber festsetzen können.

«ES GEHT uM DIE AN­PASSUNG AN NEUE REALITÄTEN IN DER ARBEITSWELT.»

Die Anpassung der individuellen Tages- und Abendarbeitszeit, Ruhezeit und des Sonntagsarbeitsverbots kann auch im Interesse der Arbeitnehmenden selbst sein. Je nach Situation können sie während der üblichen Arbeitszeiten familiäre oder anderweitige Verpflichtungen wahrnehmen und geschäftliche Pendenzen dann erledigen, wenn diese wirklich anfallen. Das ermöglicht eine gute Work-Life-Balance und eine höhere Arbeitszufriedenheit.

Nicht mehr, sondern anders arbeiten können, heisst die Devise. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv unterstützt die Bestrebungen nach mehr Flexibilisierung im Arbeitsalltag.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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