Publiziert am: 22.10.2021

Die Meinung

«Nicht so schlimm» – tatsächlich?

130 Länder haben eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent vereinbart. Ausserdem sollen grosse Schwellenländer mehr Steuern von den grössten und profitabelsten Unternehmen der Welt abbekommen. Die Schweizer Offiziellen sagen dazu, das alles sei nicht so schlimm.

Sie irren sich. Es ist viel schlimmer als man denkt – oder eher: als man es sich zugestehen will. Die globale Mindeststeuer ist nichts weniger als ein Frontalangriff auf den globalen Steuerwettbewerb. Zunächst sollen grosse Unternehmen zur Kasse gebeten werden. Dann werden diese Verpflichtungen auf alle Unternehmen ausgedehnt. Und zuletzt sind die natürlichen Personen dran.

Genau diese Salamitaktik ist in den Arbeitspapieren der OECD, der einst liberalen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, angelegt. Seitdem sie – mit Schweizer Segen – zur Kartellorganisation der Hochsteuerländer umfunktioniert wurde, steht die Eindämmung des Steuerwettbewerbs ganz oben auf ihrem Arbeitsplan.

Dass die Schweiz mitmacht und nicht einmal versucht, ihre Positionen zu platzieren, geschweige denn zu verteidigen, ist ein eigentliches Staatsversagen. Als das Dossier vor etwa zehn Jahren aufs Tapet kam, hatten es die helvetischen Offiziellen gar nicht richtig wahrgenommen. Als es schon im Tun war, waren sie unfähig, Koalitionen zu bilden. Als die ersten Entwürfe herauskamen, verpassten sie es, die Interessen unseres Landes zu positionieren. Und jetzt ist das Übel angerichtet. Nun bleibt ihnen nichts anderes übrig, als – sich selbst täuschend – zu beteuern, es sei nicht so schlimm.

Anderen Ländern gelang es, ihre Interessen angemessen durchzusetzen. Zum Beispiel gibt es viele Ausnahmen für die Finanzbranche. Das Vereinigte Königreich kämpfte dafür – mit Erfolg. Die Schweiz hat indes sogar unterlassen, innere Absprachen zu treffen. Zwischen den zuständigen Bundesämtern gab es kaum Austausch. Die Öffentlichkeit wurde verspätet und teilweise falsch informiert. Die Wirtschaft wurde erst angehört, nachdem die internationalen Entscheide getroffen worden waren.

Ist es wirklich so schlimm? Es sind ja nur wenige Firmen in der Schweiz betroffen … Diese Behauptung wird immer wieder im Zusammenhang mit der globalen Mindeststeuer zirkulieren. Sie ist nicht nur falsch, sie ist unredlich. Direkt wären zunächst 18 Kantone betroffen – das ist die Mehrheit der Stände.

Erinnern wir uns: Als die OECD Druck auf Aktienregister und dergleichen machte, wurde auch behauptet, nur die grossen Firmen seien betroffen. Das Resultat war: über 40 000 KMU mussten ihre Rechtsform ändern. Auch diese Salamitaktik war vorauszusehen.

Wer behauptet, die globale Mindeststeuer sei nicht schlimm, hat wohl auch vergessen, was Steuern eigentlich sind. Die Steuer ist der Goodwill des Steuerzahlers gegenüber dem Staat. Wir geben ihm etwas, damit er seinen Job macht – und in diesem Falle machte er einen miserablen Job.

Es ist mitnichten so, dass Steuern dem Staat unbedingt zustehen würden. Jene Hochsteuerländer – denken wir an Frankreich, Spanien oder Italien –, die Steuern als natürliches Privileg des Staates sehen, teilen folgende Eigenschaften: Ihre Wirtschaften sind kaputt, ihre Staatshaushalte hochverschuldet und ihre Gesellschaften funktionieren nicht. Von einem Kartell solcher Bankrotterklärungen an die Rechtsstaatlichkeit hat sich die Schweiz über den Tisch ziehen lassen. Und das ist schlimm.

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