Publiziert am: 03.10.2014

Nische im internationalen Markt

CHALETBAU MATTI – Über drei Generationen ist aus einer Schreinerei ∕ Zimmerei ein international bekanntes Generalunternehmen für Luxus-Chalets geworden. Doch politische Entscheide verdüstern den Horizont.

«Wir verstehen uns heute als Totalunternehmen für private Luxusimmobilien», bringt es Daniel Matti, Mitinhaber und Geschäftsführer der Chaletbau Matti Gruppe, auf den Punkt. Hinter dieser Aussage steckt eine Erfolgsgeschichte, wie sie nicht alltäglich ist. Der Wandel von der kleinen Dorfzimmerei in Saanen bis hin zum Generalunternehmen mit internationalem Ruf gelang nur dank des unermüdlichen Arbeitseinsatzes dreier Familiengenerationen, viel Innovation und des Muts zum unternehmerischen Risiko. Denn Mut brauchte es, schon früh konsequent auf typisch schweizerische Werte zu setzen wie herausragendes Handwerk, Genauigkeit und Spitzentechnologie, gepaart mit Design auf höchstem Niveau und einer umfassenden Dienstleistungspalette.

«Diskretion ist Grundvoraussetzung, sie ist für uns der Erfolgsfaktor.»

Vom ersten Konzept über die Projektplanung, die (falls nötige) Grundstückbeschaffung bis hin zur Ausführung bietet die Chaletbau-Matti-Gruppe ihren Kunden heute ein Gesamtpaket an, wie Daniel Matti betont. Dabei kommen die 40 Mitarbeitenden aus der Abteilung Architektur, Planung und Design zum Einsatz sowie die 70 Fachkräfte des Bereichs Holzbau. Für sämtliche weiteren Aufgaben wie Baumeisterarbeiten, Sanitär- und Elektroinstallationen werden externe Unternehmen beigezogen; «vorwiegend örtliche», hält Matti fest. «So kommen für die Projekte, die wir abwickeln, pro Jahr 300 bis 400 weitere Arbeitsplätze hinzu, die nicht direkt auf unserer Lohnliste stehen.»

«Für uns sind ausländische Kunden sehr wichtig.»

150 bis 200 Projekte seien das jährlich etwa, davon drei bis vier grössere Neubauprojekte, lässt sich der 37-jährige Firmenchef entlocken. Doch der Rest ist Schweigen: Namen von Kunden werden prinzipiell nicht genannt, Auskünfte über Standorte und Einrichtungen der Luxus-Chalets gibt es keine. «Diskretion ist Grundvoraussetzung, sie ist für uns der Erfolgsfaktor», so Daniel Matti. So müssen sowohl die eigenen Mitarbeiter als auch die extern beigezogenen Unternehmen eine Vertraulichkeits­erklärung unterschreiben. Bei internen Schulungen und Workshops werden die Angestellten zudem für das Thema sensibilisiert. Denn, «jeder Mitarbeitende ist auch eine Visitenkarte für uns». Einen Namen, auf den seine Firma mehr als nur stolz sein kann, gibt der Chef schliesslich doch noch preis: das 5-Sterne-Hotel «Alpina», das unter anderem dank des Innenausbaus im authentischen Chaletstil mehrere Auszeichnungen einheimste.

Alte Werte und höchste Qualität

Gelagert und bearbeitet werden die wiederverwendeten, oft sehr wertvollen alten Hölzer wie Zier- und Stützbalken, Wandverkleidungen, Dachstühle usw. in den beiden Matti-Schreinereien/Zimmereien in Saanen und Château d‘Oex. Am Hauptsitz in Gstaad können sich potenzielle Kunden in Musterräumen umsehen und das eine oder andere (käufliche) Prunkstück aus der «Antiquitäten-Sammlung» bewundern. Mit unübersehbarem Stolz präsentiert Daniel Matti alte Türen und Paneele, die in minutiöser Handarbeit auf den neusten Stand der Technik gebracht wurden, ohne ihr altehrwürdiges Aussehen zu verlieren. «Das ist es, was unsere Kunden wünschen; alte Werte und höchste Qualität.» Dass diese Dinge ihren Preis haben, ist klar. Ab ungefähr fünf Millionen Franken ist man für ein neu erstelltes Chalet mit dabei. «Nach oben ist die Spannweite offen», erklärt der Unternehmer. Jemand habe einmal gesagt, diese Chalets seien die Schlösser des 21. Jahrhunderts. «Von aussen sieht man wenig oder nichts, aber das Innenleben ist einmalig. Die Chalets sind Ausdruck von Diskretion.» Hinter den Mauern jedoch gebe es Einstellhallen, Hallenbäder, ganze Kinos oder Discos. Die Spannweite der Kundenwünsche beim Innenausbau reiche von einem Loft im New-Yorker-Stil bis hin zum alten Bauernhaus. «Für jeden Handwerker, der an so etwas mitarbeitet, ist es eine grosse Herausforderung und Befriedigung. Wir haben die Chance, mit unserer Kundschaft Ausser­ge­wöhnliches zu realisieren, wie man es nicht mehr oft findet.»

Dass diese Kundschaft nicht nur aus der Schweiz stammen kann, liegt auf der Hand. «Für uns sind ausländische Kunden generell sehr wichtig, ihr Umsatzanteil liegt bei über 50 Prozent», erläutert Geschäftsführer Daniel Matti. Und genau deshalb sieht der studierte Ökonom auch vermehrt dunklere Wolken am Horizont aufziehen. Bereits die Annahme der Zweitwohnungs-Initiative war für die Region ein schwerer Schlag, und nun droht mit der Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung neues Ungemach. «40 bis 50 Prozent unseres Umsatzes werden von pauschalbesteuerten Kunden generiert», schätzt Matti. Man rechne mit rund 2000 Arbeitsplätzen, welche die 230 pauschalbesteuerten Ausländer im Saanenland schaffen. «Für eine Randregion mit insgesamt 5000 bis 6000 Arbeitsplätzen ist das doch sehr substanziell.»

«40 bis 50 Prozent unseres Umsatzes werden von pauschalbesteuerten Kunden generiert.»

Matti spricht nicht nur von den Jobs, die bei einem Zuzug entstehen, sondern auch von den zusätzlichen, nachhaltigen Stellen wie etwa in den Bereichen Hauswirtschaft, Lebensmittel, Beherbergung und Restauration. Hinzu kämen die indirekten Effekte für Schulen, Kulturinstitutionen, Gemeinschafts­ein­richtungen und Gemeinden. «Hier wurde beispielsweise ein neues öffentliches Reitzentrum für 10 Millionen Franken gebaut, finanziert fast ausschliesslich mit privaten Zuwendungen von Pauschalbesteuerten.» Ebenfalls Bergbahnen, die für die Region sehr wichtig sind, würden teilweise so finanziert, weiss Daniel Matti. «Es gibt x solche Beispiele.» Aufgrund seiner Kontakte zu der betuchten ausländischen Kundschaft weiss der Unternehmer auch, dass sich diese Leute nicht in erster Linie aus steuerlichen Gründen in der Region niederlassen, sondern «weil sie Fans des Saanenlands sind und sich fast etwas verliebt haben. Sie könnten es anderswo billiger haben und würden erst noch weniger Steuern bezahlen.» Ausschlaggebend sei, so Matti, dass diese Leute bei der Pauschalbesteuerung keinen Schritt ins Ungewisse machen müssten, sondern wüssten, was auf sie zukomme. Sollte dieser Vorteil der Besteuerung nach Aufwand bei einer Annahme der Initiative wegfallen, wären auch die Pauschal­be­steuerten über kurz oder lang weg, ist der KMU-Chef überzeugt. «Diese Leute sind sehr mobil. Sie würden ihr Chalet zwar nicht verkaufen, aber statt sechs Monate im Jahr halt nur zwei Wochen hier leben und ihre Steuern anderswo bezahlen.» Daniel Matti sagt es klar und deutlich: «Das wäre für unsere Region eine grosse Katastrophe.»

Es sei nicht nur die unglückliche Zweitwohnungs-Initiative, bei der anscheinend niemand wisse, wie es weitergehe, und die drohende Pauschalbe­steuerungs­-Initiative, die die Region unter Druck setzten, sondern auch die Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative. «Man merkt bei den Kunden, dass der Glaube an die Verlässlichkeit der Schweiz nicht mehr intakt ist.» Es sei eine Verunsicherung und deutliche Zurückhaltung bei der Bereitschaft, zu investieren, spürbar.

Verlust von Arbeitsplätzen

Für die Chaletbau-Matti-Gruppe würde die Annahme der Initiative gegen die Pauschalbesteuerung mittelfristig einen Verlust von Arbeitsplätzen und eine tiefgreifende Umstrukturierung bedeuten. «Wir müssten vermehrt auf Umbauten und Renovationen setzen und uns Nischen im internationalen Markt suchen», erläutert Daniel Matti. Alternativen sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber gäbe es in der Randregion kaum. «Deshalb ist die Besteuerung nach Aufwand unsere Chance, an der Entwicklung teilzunehmen, gerade mit der Zweitwohnungs-Initiative, die massive Auswirkungen auf die Bautätigkeit hat.» Denn, ist der Unternehmer überzeugt, sonst komme irgendwann der Punkt, wo die gut ausgebildete junge Generation der abgelegenen Heimat den Rücken kehre. «Und was dann – der Letzte löscht das Licht?»

Marianne Grossenbacher

STEUERN

Erhellende Zahlen

Im Jahr 2013 zahlte die Gemeinde Saanen mit ihrer mittleren Wohnbevölkerung von 7212 Personen 10,23 Mio. Franken an den kantonalbernischen Finanzausgleich. Im gleichen Jahr hätte das Berner Oberland mit seinen vier Verwaltungskreisen (Frutigen-Niedersimmental, Interlaken-Oberhasli, Obersimmental-Saanen, Thun) mit insgesamt 207 580 Bewohnern rund 24,3 Mio. Franken aus dem Finanzausgleich zugute gehabt. Dank der Zahlung von Saanen und einigen wenigen anderen Gemeinden reduzierte sich der steuerliche Zuschuss an die Randregion Oberland auf 14 Mio. Franken.

(Quelle: Finanzverwaltung des Kantons Bern: Kantonaler Finanzausgleich Gemeindejournal 2013)

Das Unternehmen

Die heutige Chaletbau Matti wurde 1941 von Zimmermeister Jakob Matti als Schreinerei/Zimmerei in Saanen gegründet. In den 1960er-Jahren übernahmen Walter Matti und dessen Bruder Peter Matti die Firma und gliederten ihr ein Architekturbüro an. Aktuell wird das reine Familienunternehmen von den Cousins Daniel und Beat Matti geleitet. Unter dem Dach der Chaletbau Matti Holding AG mit ihren 110 Mitarbeitenden (darunter 14 Lernende) vereinigt sind die Chaletbau Matti Holzbau AG, die Chaletbau Matti Architektur AG und die Matti Immobilien AG.

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