Publiziert am: 06.03.2015

Nun ist wohl endlich Land in Sicht

ZWEITWOHNUNGSGESETZ – Der Nationalrat hat sich diese Woche dem überraschend zustande gekommenen Deal einer bürger­lichen Mehrheit mit den Initianten angeschlossen. Der Gewerbeverband kann diesen Kompromiss mittragen.

In der ersten Woche der laufenden Frühlingssession hat sich der Natio­nalrat als Zweitrat auch mit dem umstrittenen Zweitwohnungsgesetz befasst. Dabei kam es sozusagen in letzter Minute zu einem überraschenden Deal einer bürgerlichen Mehrheit mit den Initianten. Die gröbsten Schlupflöcher im Zweitwohnungsgesetz werden geschlossen, dafür verzichtet Helvetia Nostra auf das Referendum. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv kann diesen Kompromiss mittragen, denn damit wird endlich Rechtssicherheit geschaffen, und ein emotionsgeladenes Thema ist vom Tisch. Es ist davon auszugehen, dass auch der Ständerat dem Deal zustimmen wird: Es ist Land in Sicht.

Berggebiete und Tourismus­regionen nicht abstrafen

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf geht es darum, den am 11. März 2012 von Volk und Ständen angenommenen Verfassungsartikel über die Zweitwohnungen umzusetzen. Dabei soll einerseits den Forderungen der Initianten entsprochen, anderseits aber auch den Interessen der (negativ) betroffenen Berggebiete und Tourismusregionen Rechnung getragen werden. Der Ständerat hat in der Herbstsession 2014 das Zweitwohnungsgesetz gegenüber der bundesrätlichen Vorlage in einigen Punkten aufgeweicht, so bei Umbauten in Zweitwohnungen oder bei Ausnahmen für die Hotellerie. Die Umweltkommission des Nationalrats hat Ende Januar 2015 die ständerätliche Linie im Wesentlichen unterstützt. Der ausgehandelte Kompromiss im Nationalrat hat nun die Ausnahmebestimmungen für den Bau von Zweitwohnungen wieder etwas eingeschränkt.

«DIE BERGGEbIETE ­BRAUCHEN ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN.»

Die vielfach ohnehin schon strukturschwachen Berggebiete und Tourismusregionen haben als Folge der Annahme der Zweitwohnungsinitia­tive bereits Aufträge und Arbeitsplätze verloren – nicht nur in der Baubranche. Es muss daher alles unternommen werden, damit auch diese Regionen noch Entwicklungsperspektiven haben. Dies gilt nach der Freigabe des Euro-Mindestkurses und der Erstarkung des Schweizer Frankens und den damit eingetrübten wirtschaftlichen Perspektiven gerade in den Berg- und Tourismusregionen ganz besonders und noch ausgeprägter. Deshalb sind in den alpinen Regionen neue, zukunfts­fähige Geschäftsmodelle zu entwickeln, und es ist alles zu unterlassen, was deren Entwicklungsperspektiven beeinträchtigt.

Kein Verfassungsbruch

Generell kann festgehalten werden, dass der vom Bundesrat vorgelegte Gesetzesentwurf insgesamt ausgewogen ist. Von einem «schamlosen Verfassungsbruch», wie in der NZZ vom 24. Oktober 2014 von Professor Alain Griffel behauptet, kann jedenfalls keine Rede sein. Denn der Kampf der Initianten galt ganz klar den kalten und nicht den warmen Betten. Es ging ihnen vor allem darum, keine zusätzlichen Flächen mit Gebäuden zu überbauen, die als schlecht ausgenutzte Zweitwohnungen benutzt werden. So ist es legitim, dass touristisch bewirtschaftete Wohnungen nicht unter den Anwendungsbereich des zukünftigen Zweitwohnungsgesetzes fallen.

Insbesondere sollten Wohnungen, welche touristischen Zwecken dienen, dauerhaft belegt und nützlich für die Wirtschaft sind, den Erstwohnungen gleichgestellt werden. Denn den Initianten ging es ja primär nicht darum, zu regeln, was mit bereits bestehenden Gebäuden zu geschehen hat, sondern sie wollten den Bau neuer kalter Betten im Grünen verhindern – ein durchaus nachvollziehbares und legitimes Anliegen. Mit andern Worten galt ihr Kampf ganz klar der Zersiedelung und nicht einer raumplanerisch sinnvollen baulichen Entwicklung gegen innen und der Verdichtung. Der nun vom Nationalrat angenommene Kompromiss trägt diesen verschiedenen Interessen Rechnung und verdient daher, auch vom Ständerat unterstützt zu werden. Eine Korrektur wäre allerdings wünschenswert: Statt nur die hälftige sollte eine vollständige Umnutzung von Hotels in Zweitwohnungen ermöglicht werden.

Ruedi Horber, Ressortleiter sgv

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