Publiziert am: 12.05.2021

Pfründe der Strombarone

STROMKOSTEN – Eine der angenehmsten Vorteile der Strombarone ist ihr bedingungsloser Grund­gewinn. Versuche, eine Marktlogik einzuführen, sind bisher gescheitert.

Keine Frage: Stromnetzbetreiber erfüllen eine wichtige Funktion. Wie spätestens Covid-19 aufgezeigt hat, gibt es ohne Strom keine Notfallorganisation, keinen Wirtschaftsaustausch und auch keine sozialen Interaktionen. Die Frage ist aber, wie die Betreiber dieser lebensnotwendigen Zutat organisiert und bezahlt werden sollen.

Unternehmer – tatsächlich?

Gerne geben sie sich als Unter­nehmen aus. Doch die Struktur der Netzbetreiber spricht eine an­dere Sprache. 24 Prozent sind tatsächlich Aktiengesellschaften. Aber 21 Prozent sind Genossenschaften, 21 Prozent öffentlich-rechtliche Organisationen und 34 Prozent ­Gemeindeabteilungen. Von den 632 Netzbetreibern in der Schweiz haben nur 83 mehr als 100 000 Kundinnen und Kunden. Die anderen haben einen viel kleineren Markt.

Hört man aber auf die Netzbetreiber, befinden sie sich im interna­tionalen Wettbewerb. Gerne ver­gleichen sie sich etwa mit der ­Deutschen RWE, einem Konzern mit über 14 Milliarden Franken Umsatz. Dank dieser Vergleiche stieren sie ihren bedingungslosen Grundgewinn in Form des WACC durch.

Was ist «angemessen»?

Hinter der Abkürzung WACC verbergen sich die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (Weighted Average Cost of Capital). Es ­handelt sich um ein buchhalterisches Bewertungsinstrument. Denn gemäss Artikel 15 Absatz 1 der Stromversorgungsverordnung haben die Betreiber Anspruch auf eine angemessene Entschädigung ihrer Kapitalkosten.

Was aber ist «angemessen»? Im Jahr 2020 betrug dieser kalkulatorische Zins 3,83 Prozent. Schon auf den ersten Blick ist das unangemessen. Denn im Zeitalter der Minuszinsen ist ein gesetzlich verankerter Zins von fast vier Prozent schlicht illusorisch. Dann: Gemeinden er­halten heute Darlehen zu Minus­zinsen von solchen Institutionen wie AHV-Fonds oder Auffangeinrichtung 2. Säule. Nicht zu vergessen: Über die Hälfte der Netzbetreiber sind ­Gemeindewerke.

Gut 800 Millionen garantiert

Aufgrund dieser Regelung fliessen heute jährlich etwa 823 Millionen Franken als «Kapitalkosten» in die Kasse der Betreiber, der Strombarone. Das ist wie ein bedingungsloser Grundgewinn. Denn diese Werke haben Monopole und Staatsgaran-tie – also keine Risiken. Eine Senkung des WACC auf 2,83 Prozent – immerhin ein sehr komfortables Polster – würde Haushalte und KMU um rund 200 Millionen Franken entlasten.

Dabei könnte diese offensichtliche Abzocke vom Bundesamt für Energie einfach korrigiert werden. Man müsste nur den WACC senken. Doch das Amt lässt sich von den Strombaronen einschüchtern. Denn eins muss man diesen lassen: Für die Rechtfertigung ihrer Pfründe lassen sich Strombarone manche Moritat einfallen. Lange prophezeiten sie ein Verlottern der Schweizer Netze. Jetzt quinquilieren sie, dass sich ohne ihren bedingungslosen Grundgewinn die Energiestrategie 2050 nicht umsetzen lasse ...

Berechnungsmethode ändern

Sind das nun bloss Illusionen, oder müsste man es Lügen nennen? Das Bundesamt für Energie hat es in der Hand, die Sache zu ändern. Mit ­einer Senkung des WACC wäre schon viel geholfen. Mittelfristig muss man aber auf die seinerzeit vom Preisüberwacher entwickelte Berechnungsmethode für den WACC wechseln. Sie nimmt nämlich Rücksicht auf die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Netzbetreiber – nicht auf die Pfründe der Strombarone.

Henrique Schneider, Stv. Direktor sgv

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