Publiziert am: 12.05.2021

Rückschritt bei der AHV-Reform

AHV 21 – Rentenalter 65 für alle soll Realität werden. Weil nun teurere Abfederungs­mass­nahmen eingefordert werden, droht eine Mehrwert­steuer­erhöhung um 0,4 Prozent.

Plötzlich geht es zügig vorwärts. Die sozialpolitische Kommission des Ständerats benötigte noch über ein Jahr, um die nächste AHV-Revision – die AHV 21 – durchzuberaten. Die Nationalratskommission hat das binnen zweier Monate geschafft. Das angeschlagene Tempo hinterlässt Eindruck; die dabei erzielten Ergebnisse weniger.

Die Kommission will die Abfederungsmassnahmen zugunsten der Frauen der Übergangsgeneration massiv ausbauen. Dies zulasten der Konsumenten. Die Mehrwertsteuersätze sollen nämlich nun um 0,4 Prozent erhöht werden.

Rasche Reform unumgänglich

2020 war noch ein gutes Jahr für die AHV-Finanzen. Nicht zuletzt dank üppiger Anlageerträge konnte ein Überschuss von fast zwei Milliarden Franken erzielt werden. Das Blatt wird sich aber leider rasch wenden. Bereits für das laufende Jahr wird ein negatives Umlageergebnis prognostiziert. Und schon bald werden wohl Milliardenverluste eingefahren. Eine rasch greifende Reform zur Stabilisierung der AHV-Finanzen ist somit unumgänglich.

Einen massgeblichen Beitrag zur Sanierung der AHV soll das einheitliche Rentenalter 65 leisten. Dies würde einerseits das Ausgabenwachstum dämpfen. Wegen der längeren Beitragsdauer der Frauen würden andererseits Mehreinnahmen generiert. Die AHV-Finanzen würden in den ersten zehn Jahren um insgesamt zehn Milliarden Franken entlastet.

Kompensieren – aber wie?

Alle Parteien sind sich einig, dass die Auswirkungen der Erhöhung des Frauenrentenalters abgefedert werden sollen. Über wie und wie stark gehen die Meinungen auseinander. Der Bundesrat schlug seinerzeit vor, 3,3 Milliarden Franken – also einen Drittel der eingesparten 10 Milliarden Franken – für Kompensationsmassnahmen einzu­setzen. Der Ständerat reduzierte diesen Betrag auf 2,2 Milliarden Franken. Die sozialpolitische Kommission des Nationalrats will nun ganze 4 Milliarden Franken ein­setzen.

Logischerweise hat die Höhe der Kompensationsmassnahmen einen direkten Einfluss auf die notwendig werdende Erhöhung der Mehrwertsteuersätze. Beim sparsameren Ständerat würden 0,3 zusätzliche Mehrwertsteuerprozente ausreichen, um die AHV-Finanzen mittelfristig zu stabilisieren. Dem Nationalrat wird nun eine Erhöhung um 0,4 Prozent beantragt.

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv tritt entschieden für die Variante des Ständerats ein. Zusätzliche 0,3 Mehrwertsteuerprozente sind das absolute Maximum, das der Wirtschaft und den Konsumenten im heutigen Umfeld zugemutet werden darf. Der Schaden für den Werkplatz Schweiz und die Wohlstandseinbussen wären sonst zu hoch.

Spannendes Seilziehen erwartet

Die weiteren Ausmarchungen im Parlament werden spannend. Zuversichtlich stimmt, dass sich die Mitte – ganz im Gegensatz zur gescheiterten Altersvorsorge 2020 – für eine Allianz mit den Bürgerlichen und den Grünliberalen entschieden hat. Allgemein geht man davon aus, dass die Vorlage bis spätestens diesen Dezember zu Ende beraten wird.

Ein Referendum ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Volksabstimmung würde im Juni oder September 2022 stattfinden.

Auf einem anderen Planeten

Auf einem völlig anderen Planeten leben die Gewerkschaften. Sie werden wohl demnächst ihre Volksinitiative einreichen, mit der sie die Einführung einer 13. AHV-Rente verlangen. Anstelle von Sanierungsschritten wollen sie Mehrausgaben von rund vier Milliarden Franken einfordern. So viel zum Realitätssinn der Gewerkschaftsbewegung!

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

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