Publiziert am: 05.11.2021

Schritt in die richtige Richtung

BVG-REFORM – Die sozialpolitische Kommission des Nationalrats lehnt den sogenannten «Sozial­partner­­kom­­pro­miss» ab. Ihr Modell für eine BVG-Reform ist besser, aber leider noch nicht gut.

Der BVG-Mindestumwandlungssatz soll endlich auf sechs Prozent gesenkt werden. Gut so! Die Faktenlage ist so klar, dass der Widerstand gegen diesen überfälligen Schritt selbst bei eingefleischten Linken zusehends abbröckelt.

Sehr erfreulich ist auch, dass der sogenannte «Sozialpartnerkompromiss» – der in Tat und Wahrheit ein von Teilen des Arbeitgeberverbandes unterstütztes Gewerkschaftsmodell ist – von der Kommission versenkt wurde. Alles andere wäre auch nicht nachvollziehbar gewesen. Zeitlich unbefristete Giesskannenzuschüsse, exorbitant hohe Mehrkosten und ein zusätzliches halbes Lohnprozent kann sich niemand leisten.

Teuer wird die BVG-Reform aber auch mit dem Kommissionsmodell. Dieses sieht einerseits eine Halbierung des Koordinationsabzugs, angepasste Altersgutschriften und einen früheren Sparbeginn vor. Andererseits soll eine fünfzehn Jahrgänge umfassende Übergangsgeneration in den Genuss zusätzlicher Ausgleichsmassnahmen kommen.

Positiv am Kommissionsmodell ist, dass es

• auf systemfremde Rentenzuschläge verzichtet;

• keine höheren Lohnprozente vorsieht;

• zielgerichtet kompensiert und keine Giesskannenzuschüsse beinhaltet;

• die Massnahmen zugunsten der Übergangsgeneration auf fünfzehn Jahrgänge beschränkt;

• die Ausgleichsmassnahmen systemkonform ausgestaltet

• und zumindest partiell auf eine zentrale Finanzierung via Sicherheitsfonds setzt.

Nochmals hinterfragen

Soweit die Vorzüge des Kommissionsmodells. Dieses beinhaltet aber leider auch Korrekturen, die übers Ziel hinausschiessen und demzufolge so teuer sind, dass man sie nochmals eingehend hinterfragen muss. So soll das Mindesteinkommen, ab dem man obligatorisch im BVG versichert ist, markant gesenkt werden. Das hätte zur Folge, dass Hunderttausende von Erwerbstätigen neu ins BVG rutschen würden, deren jährlicher Alterssparbeitrag mehrheitlich tiefer ausfallen würde als die verursachten Verwaltungskosten. Die Effizienz der 2. Säule würde stark leiden.

Die Halbierung des Koordinationsabzugs würde im Tieflohnbereich zu markant höheren Beiträgen führen. Ob sich das alle betroffenen Arbeitnehmenden überhaupt leisten können – und ob sie es wirklich wollen –, ist nochmals kritisch zu hinterfragen. Und auch das Vorziehen des Alterssparprozesses, das jährliche Mehrkosten von über einer halben Milliarde Franken auslösen würde, macht in Kombination mit den übrigen Korrekturen keinen Sinn.

Der Preis fĂĽr einen groben Fehler

Die Chancen stehen gut, dass der Nationalrat in der Dezembersession seiner Kommission folgen wird. Was dann der Ständerat aus der Vorlage macht, steht in den Sternen. Und dann wird mit hoher Wahrscheinlichkeit noch eine Referendumsabstimmung folgen. Das ist nun mal der Preis für den groben Fehler, den das Parlament im Zuge der 1. BVG-Revision beging, als es den BVG-Mindestumwandlungssatz als rein technische Grösse ins Gesetz schrieb und ihn damit zum Spielball der Politik machte.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

www.sgv-usam.ch

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