Publiziert am: 23.02.2018

«Sei authentisch und lerne aus Fehlern»

KMU VERKAUFEN SICH UNTER WERT – So wird es in der Öffentlichkeit häufig wahrgenommen. Diese Annahme greife zu kurz, sagt der Unternehmer und Executive Coach David D. Kaspar. Trotzdem könnten KMU ihr Selbstbewusstsein noch besser verkaufen.

Schweizerische Gewerbezeitung: Herr Kaspar, das Wort Fettnäpfchen ist für Sie bestimmt ein Fremdwort?

n David D. Kaspar: Vor Fettnäpfchen ist niemand gefeit. Immer wieder gibt es Situationen, bei welchen man falsch und inadäquat kommuniziert. Das ist menschlich. Selbstverständlich passiert das auch mir! Entscheidend ist aber, wie man im Nachhinein damit umgeht.

Wie sieht denn die ideale Reaktion auf eigene Fehler aus?

nDazu habe ich eine klare Meinung: Sei authentisch, beschönige nichts und zeige auf, dass du bereit bist, schnell aus Fehlern zu lernen. Das erzeugt Glaubwürdigkeit und ist die entscheidende Voraussetzung, 
damit Vertrauen entsteht beziehungsweise wiederhergestellt werden kann.

Verkaufen sich Schweizer KMU generell unter Wert?

nSchweizer KMU verkaufen sich schweizerisch. Das heisst, dass die vordergründige Bescheidenheit immer an erster Stelle steht. Grundsätzlich ist man schon stolz und sich der eigenen Leistung bewusst, aber man «verkauft» dieses Selbstbewusstsein nicht und macht daraus keinen Wettbewerbsvorteil. Das funktioniert in der Schweiz hervorragend, diese Verhaltensweise ist in unserer kulturellen DNA tief verwurzelt. Im internationalen Vergleich muss man mit dieser Strategie extrem aufpassen, dass man nicht unter die Räder kommt. Da gilt häufig das Prinzip, dass derjenige gewinnt, der am meisten Aufmerksamkeit erzeugt. Und Aufmerksamkeit erzeugt man mit «lauter, schneller und selbstbewusster».

Häufig möchte man gegen aussen nicht arrogant auftreten. Wo liegt die Grenze zwischen selbstbewusst und arrogant?

nDie Lösung liegt meines Erachtens bereits im Wort selbstbewusst: Man muss sich seiner selbst bewusst sein, seine Hausaufgaben machen und wissen, was man zu bieten hat. Das führt automatisch zu einer glaubwürdigen Position. Und diese hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern mit einer begründbaren Einschätzung. Und dieses Selbstbewusstsein darf und soll man dann auch ausstrahlen und aktiv vermarkten!

Auf welche Probleme treffen Sie 
in Ihrem Coachingalltag am häufigsten?

nAktuell bin ich in der Rolle des Sparringspartners viel unterwegs mit CEOs und Führungsteams, die sich intensiv Gedanken machen, wie sie sich und ihr Unternehmen im Rahmen der digitalen Transformation positionieren.

Da geht es darum, wie man – plakativ gesprochen – den Wind der Veränderung nutzen kann, um Windmühlen und nicht Mauern zu bauen. Es geht um die Frage, wie man als KMU die transformative Kraft der Digitalisierung für sich und das eigene Geschäft optimal nützen kann. Damit verknüpft sind auch Fragen der eigenen Führungskultur und damit einhergehend meistens der Wunsch nach mehr Agilität.

Ein wichtiges Thema ist das Verhandeln. Man verhandelt mit Partnern, Mitarbeitern oder beim Vorstellungsgespräch. Haben Sie Tipps für einen KMU-Chef, die sich einfach umsetzen lassen?

nVerhandlungen beinhalten zwei Ebenen. Erstens geht es um eine zwischenmenschliche Interaktion, um Aufbau und Gestaltung einer Beziehung. In den Aufbau einer guten Beziehung muss investiert werden.

Genau gleich wichtig ist es aber auch, die sachliche Seite der Verhandlung zu durchdenken: Was will ich erreichen? Welchen Preis bin ich bereit zu bezahlen? Wann steige ich aus? Das verlangt, dass man logisch-rational die eigene Position und Strategie definiert.

Als Tipp das Folgende: Fragen Sie sich ehrlich, auf welcher Ebene Sie stark sind und investieren Sie zukünftig auch in die andere Ebene. Oder ergänzen Sie sich mit einem komplementären Partner.

Flache Hierarchien sind sehr populär geworden. Kann ich gleichzeitig Chef und Kumpel sein?

nMeiner Beobachtung nach funktioniert ein System dann gut, wenn einerseits eine Kultur des Vertrauens besteht, und anderseits Klarheit bezüglich Funktion und Rolle herrscht. Eine Führungskraft hat die nicht delegierbare Aufgabe, in uneindeutigen Situationen Entscheidungen zu fällen. Ist sie sozial zu Nahe, kann es besonders bei menschlich schwierigen Entscheiden problematisch werden.

Eine Befehl-Empfänger-Kultur ist ebenfalls problematisch. Untersuchungen zeigen, dass reine Befehlsempfänger niemals das leisten, was sie zu leisten fähig sind. Ihr Herzblut fehlt. Schlussendlich muss jede Führungskraft für sich selber einen Weg finden und dafür sorgen, dass ihr Team, ihre Abteilung, ihre Firma optimal funktioniert.

Nicht jeder ist für eine Führungsrolle gemacht. Widersprechen Sie als Coach dieser These?

nOb sich jemand für eine Führungsrolle eignet, ist nicht nur eine Frage der effektiven Fähigkeiten – die sind zu einem grossen Teil trainierbar – sondern vor allem auch eine Frage der persönlichen Motivation und der eigenen Selbstbilder. Was treibt mich an? Wie viel Spass macht es mir, auf andere Einfluss zu nehmen und Teams, Abteilungen oder ganze Systeme zu steuern? Und, ganz wichtig: Ertrage ich überhaupt die Verantwortung, die Führung mit sich bringt?

Zudem heisst es noch lange nicht, dass jemand, der als Teamleiter erfolgreich ist, auch die Fähigkeit entwickelt, eine Firma zu leiten. Jede Stufe verlangt besondere Fähigkeiten. Eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Führungskarriere ist aber zweifellos die Fähigkeit, immer wieder neu dazuzulernen, einmal lieb gewonnene Erkenntnisse kritisch zu hinterfragen und bei Bedarf neue Wege zu gehen.

Interview: Adrian Uhlmann

sind kmu «hidden champions»?

«Ich teile diese Einschätzung nicht»

Eine Studie von Plenos aus dem Jahr 2016 besagt, dass KMU vielfach kommunikative «Hidden Champions» sind und ihr Licht zu sehr unter den Scheffel stellen. «Hidden Champions» sind Weltmarktführer, die einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Verkaufen sich also Schweizer KMU unter ihrem Wert? «Ganz allgemein teile ich diese Einschätzung nicht», sagt Alberto Silini, Leiter Beratung bei Switzerland Global Enterprise S-GE. Natürlich stünden für das Marketing weniger Mittel zur Verfügung als bei grossen Firmen. Doch wich­tiger seien eine genaue Marktana­lyse und ein guter lokaler Vertriebspartner. «Dieser übernimmt im Ausland häufig Marketing- und Vertriebsaufgaben.» Digitales Marketing biete heute zudem die Möglichkeit, gezielt und global die potenziellen Käufer anzusprechen. «Viele unserer Kunden meistern diese Herausforderungen sehr erfolgreich», sagt Silini.

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