Publiziert am: 23.04.2021

Totale Intransparenz

NEPP MIT DEBITKARTEN – Keiner der involvierten Kartenaussteller ist bereit, seine für den KMU-Detailhandel rui­nöse Preispolitik aufzugeben. Der Gewerbeverband ruft deshalb die Wettbewerbskommission auf, aktiv zu werden.

Im letzten Herbst kamen neue Debitkarten auf den Zahlungsmarkt. Sie bringen eine Erhöhung verschiedener Gebühren, Steuern und anderer Abgaben mit sich, insbesondere für kleine Einzelhändler (vgl. sgz vom 5. März). (Bank-)Kunden, die mit diesen neuen Karten einkaufen, sind sich grösstenteils nicht bewusst, welche finanzielle Belastung die Verwendung dieser neuen Karten für den Einzelhandel bedeutet. Schlimmer noch: Es herrscht Intransparenz über diese Preismodelle.

Überblick? Für KMU unmöglich

Seit Februar 2021 steht der Schweizerische Gewerbeverband sgv in Kontakt mit den Schweizer Verantwortlichen der Zahlungsdienste Worldine/SIX und Visa – Mastercard hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, auf eine entsprechende Anfrage zu antworten. Neben den Banken sind dies die Hauptakteure bei der Einführung der neuen Visa-­Debit- und Mastercard-Debit-Karten. Die Gespräche zeigten vor allem, wie vollkommen intransparent die Provisionen, Gebühren und sonstigen Kosten sind. Daher ist es für KMU im Detailhandel unmöglich, sich einen Überblick über die Zusammensetzung dieser Provisionen, Gebühren und sonstigen Kosten zu verschaffen. Einige Akteure bestehen sogar darauf, dass es sich um ein Geschäftsgeheimnis handle ... Ja, natürlich, aber dennoch: Hier gibt es eine Marktdominanz seitens der Worldline/SIX-Zahlungsdienste, ganz zu schweigen von Visa und Mastercard. Zudem wird die Provision der Banken erst drei Jahre nach Einführung reguliert – oder dann, wenn 15 Prozent Marktanteil erreicht worden sind.

Letztlich will keiner der beteiligten Kartenaussteller eine Änderung seiner Praktiken in Betracht ziehen. Jeder schiebt die Schuld auf den anderen und klammert sich an die Margen, die er mit den neuen Karten erzielt hat – schliesslich wurde dieser Gebühren- und Pro­visionsdschungel ordnungsgemäss von der Wettbewerbskommission (WEKO) genehmigt und vor allem mit dem VEZ (Verband Elektro­nischer Zahlungsverkehr) abge­sprochen.

Kleine Händler werden ignoriert

Der sgv sieht drei Gründe für die problematische Gebührenerhöhung, die auf dem Rücken der Händler – nämlich der KMU – ausgetragen wird. Erstens verlangt der Acquirer Worldline/SIX Payment Services höhere Provisionen für die von ihm abgewickelten Kauf- und Verkaufsaufträge. Zweitens regelt die WEKO wie oben erwähnt die Interchange Fees der kartenausgebenden Banken während der Einführungsphase der neuen Karten (bis zum Erreichen eines Anteils von 15 Prozent der Transaktionen am Point of Sale bzw. für drei Jahre) nicht. Die Banken sind daher frei, die Verrechnungsgebühr nach ihren eigenen Wünschen festzulegen. Und drittens sind die unzähligen Gebühren, die von den Systemen Visa und Mastercard erhoben werden, je nachdem, ob ein Kauf- oder Verkaufsauftrag ausgeführt wird, ebenfalls gestiegen.

Der sgv ist bestürzt und kritisiert scharf, dass die Interessen der kleinen Händler von den Akteuren des neuen Debitkartenmarktes einfach ignoriert werden – nicht nur von den Akquirern, Kartensystemen und Banken, sondern auch von WEKO und VEZ.

Interessanterweise kommt diese Entwicklung mitten in der Covid-19-Krise, in der viele mittelständische Einzelhändler aufgrund von Res­triktionen des öffentlichen Sektors bereits ums Überleben kämpfen müssen.

Mass ist voll – WEKO muss ran

Angesichts der völligen Intransparenz in diesem Gebührendschungel hat der sgv das Sekretariat der Wettbewerbskommission gebeten, alle Akteure an einen Tisch zu bringen, um eine Lösung für das Problem zu finden, volle Transparenz über Provisionen, Gebühren und sonstige Entgelte zu schaffen, sich für eine Gleichbehandlung der Einzelhandels-KMU einzusetzen und die Interchange Fee an das EU-Modell anzupassen, d. h. auf 0,2 Prozent für Debit- und 0,3 Prozent für Kreditkarten festzulegen.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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