Publiziert am: 11.08.2017

Unnötig – aber eben trotzdem da

AKTIENRECHT – Die meisten Punkte der Revision des Aktienrechts sind unnötig. Einige sind sogar gefährlich. Aber die Vorlage muss dennoch beraten werden. Warum eigentlich?

Im Jahr 2013 nahm das Volk die «Abzocker-Initiative» an. Seitdem wird sie in der «Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften» mit der schönen Abkürzung VegüV umgesetzt. Weil aber die Initiative auf Gesetzesebene umgesetzt werden muss, gilt es nun, die VegüV-Vorschriften ins Obligationenrecht – wo das Aktienrecht insgesamt geregelt ist – zu schreiben.

So weit, so gut. Doch wenn es nur darum geht, eine kleine Anzahl von Vorschriften ins Gesetz zu schreiben: Weshalb brauchts dann gleich eine Revision des gesamten Aktienrechts? Einmal mehr lautet die Antwort: Weil die Regulierungslust um sich greift. Nur wenige vermögen ihr zu widerstehen. Und noch weniger sind mutig, sie zu bekämpfen.

Eingriff: Geschlechterquote

Einer der wirklich schädlichen Teile der Aktienrechtsrevision ist die soge­nannte Geschlechterquote. Auf den ersten Blick fällt sie wenig problematisch aus. Börsenkotierte Unternehmen müssen, wenn ein Geschlecht in ihren Führungsgremien massiv untervertreten ist, erklären, weshalb das so ist. Damit sieht die Quote gar nicht nach Verpflichtung aus. Der zweite Blick jedoch entlarvt die Perfidie, die hinter der Quote steckt. Denn diese Unternehmen müssen auch erklären, welche Massnahmen sie einleiten wollen, um das Ungleichgewicht zu korrigieren.

Somit gibt es also gar keine Rechtfertigungsmöglichkeit für Untervertretungen. Schlimmer: Unternehmen werden mittelfristig gezwungen, Geschlechterquoten einzuhalten. Davon abgesehen, dass eine solche Regelung ein schwerer Eingriff in die Freiheit der Unternehmen ist, verkörpert sie auch die Geringschätzung des Menschen. Jedermann – und jede Frau – wird völlig ungeachtet ihrer Erfahrungen, Fähigkeiten und Kompetenzen alleine auf ihr Geschlecht reduziert.

Natürlich: Die Quote würde nach Gesetz (vorerst) nur für die börsenkotierten Unternehmen gelten. Doch wie immer ist es nur eine Frage der Zeit, bis plötzlich alle Firmen davon betroffen sein werden.

Eingriff: Rohstoffunternehmen

Noch schädlicher sind die Regulierungen für sogenannte Rohstoffunternehmen. Firmen, die beispielsweise im Ausland eine Mine betreiben oder sich an einem Wald zwecks Holzschlag beteiligen, müssen ihre Zahlungen an ausländische staatliche Stellen offenlegen. Auch diese neue Regulierung sieht auf den ersten Blick zahmer aus als sie ist.

Erstens sind solche Deklarationen ein Eingriff in die unternehmerische Privatsphäre. Zweitens ist noch unklar, ab wann eine Firma ein «Rohstoffunternehmen» ist. Es gibt nämlich Bestrebungen, auch jene Unternehmen, die nur auf der Suche nach geeigneten Förderstandorten sind, bereits als «Rohstoffunternehmen» zu deklarieren – also noch bevor sie überhaupt irgendwo Fuss gefasst haben.

Das wirklich Problematische ist aber: Allein aufgrund medialen Drucks ist man bereit, das allgemeine Prinzip Sektor-neutraler Regulierung über Bord zu werfen. Man kreiert eine neue Kategorie von Unternehmen und reduziert die Eigentumsgarantien und Rechtssicherheit dieser Kategorie. Was hält die «Regulierungslustigen» davon ab, künftig neue Kategorien zu erfinden und auch für diese Kategorien den Rechtsschutz zu verringern?

«Minder-Initiative» als Vorwand

Was an dieser Revision des Aktienrechts für KMU ganz unmittelbar gefährlich ist: Die Regulierungslust braucht die VegüV als Einfallstor, um auch die KMU zu regulieren. Die Vorschriften zur «Abzocker-Initiative» waren immer nur für die börsenkotierten Grossunternehmen gedacht. Schliesslich waren – und sind – Abzockersaläre und astronomische Boni ohne dazugehörige Leistungen nur dort zu finden.

Dass jetzt die Umsetzung der Initiative als Vorwand gebraucht wird, um das Aktienrecht insgesamt strenger zu machen, ist gegenüber den KMU ein Affront sondergleichen. Schliesslich gibt es bloss um die 300 börsenkotierte Unternehmen in der Schweiz, dafür aber rund 110 000 KMU-Aktiengesellschaften. Wegen einigen wenigen von den 300 werden 110 000 drangsaliert. Hier wird die Regulierungslust zur schieren Zumutung.

Nicht die KMU bestrafen

Niemand zweifelt an der Verankerung der VegüV-Vorschriften an Gesetzesebene. Diese sind nötig und können auch schlank, d.h. ohne grosse Änderungen aller übrigen Teile des Aktienrechts, umgesetzt werden. Was unnötig und schädlich ist, sind Regulierungen wie die «Rohstoffunternehmen» oder die Geschlechterquoten. Und was auf keinen Fall geht: Die KMU für die Gier einiger weniger Manager zu bestrafen.

Henrique Schneider,
Stv. Direktor sgv

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