Publiziert am: 01.10.2021

Vom Symptom zum Heilmittel?

BACK TO NORMAL – Wie nachhaltig wird sich unsere Arbeit durch Covid-19 verändern? Wie viel Homeoffice soll man den Angestellten gewähren? Und sind psychische Krankheiten als Folge von Corona unsere nächste Pandemie?

Der Trend hat sich bestätigt: Hybride Arbeitsformen waren nicht nur ein Strohfeuer während der weltweiten Lockdowns. Sie werden bleiben. Das ergeht aus einem Whitepaper der Adecco Group hervor. Doch wie genau wird sich unsere Arbeit nun verändern? Und was hat es mit den psychischen Belastungen auf sich?

Nichts geht mehr

Gerade Selbstständigerwerbende kennen es: Viel Arbeit, am Abend noch die Büroarbeit erledigen, am Wochenende wird häufig auch gearbeitet und die letzten Ferien sind schon eine halbe Ewigkeit her. Klar: Der Traum der Selbstständigkeit hat seine Vorteile, aber eben auch seinen Preis. Schlecht ist, wenn alles zu viel wird und man es nicht merkt. Dann ist das Burn-out nicht mehr weit. So geht es nicht nur Selbstständigen, sondern auch Führungskräften – generell Personen, die viel Verantwortung schultern.

Gegenüber einer ersten Befragung im Jahr 2020, haben bei der aktuellen Umfrage der Adecco Group mehr Teilnehmende angegeben, dass sich ihre mentale Gesundheit verschlechtert habe. Nämlich um satte 32 Prozent. Eine besorgniserregend hohe Zahl. Betroffen ist häufig die junge Generation, die eine wesentliche Verantwortung für das zukünftige Unternehmenswachstum tragen wird (oder tragen sollte).

Gefahr erkannt, nicht gebannt

Immerhin: Die Förderung der mentalen Gesundheit wird in Zukunft als wichtig erachtet. Das Problem scheint also erkannt. Andererseits wird es eine weitere grosse Herausforderung für Unternehmen und Führungskräfte darstellen. Die Hälfte der Managerinnen und Manager erachten es als schwierig, zu erkennen, wann Mitarbeitende an Überarbeitung und Burn-out leiden.

Helfen könnten dabei ausgerechnet Arbeitsformen, die zunächst mehr als Symptome der Corona-Pandemie aufgetreten sind. Beispielsweise das Homeoffice. Doch bleiben wir noch kurz bei den persönlichen Aspekten der mentalen Gesundheit: Unterstützung bei der Führung von Mitarbeitenden, Coachings und entsprechende Weiterbildungen dürften massiv an Wichtigkeit gewinnen. Soft Skills und Sozialkompetenzen werden in Zukunft – gerade bei Führungskräften – noch viel wichtiger, als sie es heute schon sind.

Gemäss Adecco-Studie besteht zudem eine Gefahr der «Abkapselung». Trotz ständiger digitaler Verfügbarkeit fühlen sich Mitarbeitende oftmals distanziert. Verbundenheit und Unternehmenskultur leiden darunter und nicht selten auch das Verhältnis zwischen den Vorgesetzten und Angestellten. Dies wiederum führt zu Motivationsverlust.

Eltern und Junge wollen ins Büro

Nebst Weiterbildungen können wie erwähnt die hybriden Arbeitsmodelle massiv zur Entlastung und zur Lösung von Konflikten beitragen. Vom Symptom der Pandemie also quasi zum Heilmittel. Sie fördern, richtig eingesetzt, die Motivation und können die Work-Life-Balance verbessern. Vielerorts herrscht nämlich Unsicherheit: Wie geht es weiter? Kann ich auch in Zukunft noch im Homeoffice arbeiten?

Für Unternehmen gilt: Chancen erkennen. In Zukunft wird es nicht mehr das Arbeitsmodell geben. Genauso wie die Angestellten verschiedene Aufgabenbereiche abdecken, sind auch ihre Bedürfnisse verschieden. Homeoffice hat sich durchgesetzt und wird mittlerweile von vielen Angestellten nicht nur gewünscht, sondern gefordert. Gleichzeitig bevorzugen gemäss Befragung jüngere Menschen die Arbeit im Büro. Dies könne damit zu tun haben, dass sie noch häufiger auf die Erfahrung ihrer Teamkollegen angewiesen sind. Die Daten zeigen auch, dass Arbeitnehmende mit Kindern mehr Zeit im Büro verbringen möchten als Angestellte ohne Kinder. Was kontraintuitiv erscheint, hat durchaus seine Logik: Eine räumliche Trennung kann berufstätigen Eltern guttun. Ausserdem ist mit gleichzeitigem Arbeiten und Kinderhüten weder dem Arbeitgeber noch dem eigenen Nachwuchs gedient.

Aus dem Adecco-Whitepaper geht schliesslich hervor, dass Flexibilität von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern als «universeller Vorteil» angesehen wird. Dies führe dazu, dass Menschen mit Behinderungen, berufstätige Eltern und Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

Ob tatsächlich in gewissen Bereichen und Branchen Kündigungswellen eintreten werden, wie in einigen Medien derzeit spekuliert wird, muss sich erst zeigen. Aber: Noch kaum je haben sich die Menschen so viele Gedanken darüber gemacht, wie sie ihre Arbeit gestalten wollen. Veränderungen sind daher unausweichlich und Unternehmen sowie Führungskräfte werden (weiterhin) stark gefordert. Doch wie immer gilt: Jede Herausforderung bietet auch neue Chancen.

Adrian Uhlmann

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