Publiziert am: 19.03.2021

Wann wacht die Schweiz auf?

CORONA-BLUES – «Jetzt muss ein Ruck durch unser Land gehen», forderte der Bundesrat zu Beginn des ersten Lockdowns vor einem Jahr von der Bevölkerung. Heute möchte man das Gleiche der Regierung wünschen.

Heute Freitag entscheidet der Bundesrat, ob allenfalls, eventuell, vielleicht und vorausgesetzt, dass … – die Bevölkerung, aber auch die Wirtschaft gewisse, wenn auch vorsichtshalber – «Sie müssen schon sehen …» – bloss eingeschränkte Freiheitsrechte gnädigst zurückerhalten, oder ob die gnadenlose Gängelung weitergehen, die Perspektivlosigkeit anhalten und noch viel mehr Existenzen den Bach ab gehen sollen. Dem erneuten Aufflammen präventiver Panikmacherei nach dürfte uns eher ein zögerliches Schrittchen in Richtung Öffnung erwarten, statt ein mutiger Schritt hin zu einer – wenn auch eingeschränkten – Normalität. On verra …

Ohne jegliche Perspektive

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv beurteilt den vom Bundesrat vorgeschlagenen Öffnungsschritt in der Vernehmlassung als ungenügend. «Wir fordern nach wie vor die vollständige Öffnung der Restaurants und Fitnessstudios und eine Aufhebung der Homeoffice-Pflicht», sagt sgv-Präsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi.

Diese Öffnung ist, nach der Logik des gezielten Schutzes, möglich. Das heisst insbesondere mit Schutzkonzepten, Testen, Impfen und Contact-Tracing. «Die bundesrätliche Strategie lässt ein klares Ziel, nämlich die Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens, vermissen und ist ohne Perspektive für Wirtschaft und Gesellschaft», sagt sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler.

Kosten völlig vernachlässigt

Die empirische Evidenz, welche als Basis für diesen Öffnungsschritt gilt und noch im Jahr 2020 als Leitplanke für die bundesrätlichen Entscheide galt, lege nahe, dass eine weitergehende Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens gerechtfertigt sei, so der sgv. Vor diesem Hintergrund sei ein Beharren auf den geltenden Massnahmen unverhältnismässig, ja im Hinblick auf die wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Massnahmen sogar fahrlässig. «Die volkswirtschaftlichen Kosten der Mass­nahmen werden vollständig vernachlässigt», kritisiert Regazzi.

Der sgv verlangt des Weiteren die Harmonisierung der Obergrenzen für Personenversammlungen auf 50 Personen. «Es ist widersprüchlich, wenn 50 Personen zu Veranstaltungen, aber nur 15 Personen in Vereinen zusammenkommen können.» Auch soll die Pflicht des Vorweisens eines negativen Testbescheids für den Flugverkehr für Einreisen aus Europa aufgehoben werden.

Neuer Umgang mit der Pandemie

Nach dem Willen des Bundesrats dürfen Restaurants im Aussenbereich ab kommender Woche wieder Gäste empfangen, der Innenbereich soll weiter geschlossen bleiben. «Dieses zu zögerliche Vorgehen verschärft die Situation im Gastgewerbe weiter», so der Branchenverband GastroSuisse. «Es bleibt absolut unverständlich, weshalb der Bundesrat den Branchenlockdown nicht sofort – und somit auch für den Innenbereich – aufheben will», so GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer. Er fordert deshalb einen anderen Umgang mit der Pandemie – jede fünfte Beiz hat schon aufgeben müssen.

«Lockdown ist keine Lösung»

Wie ein zielgerichtetes Vorgehen hin zu einer Öffnung aussieht, exerziert der Kanton Graubünden vor. Mit­hilfe einer konsequent umgesetzten Teststrategie inklusive Flächentests an Schulen und in Betrieben ist es dem Tourismuskanton gelungen, mitten in der winterlichen Hochsaison die Fallzahlen stark zu senken – deutlich unter jene der gesamten Schweiz. «Für wache Beobachter ist längst klar, dass Lockdowns mittel- und langfristig keine Lösung sein können», sagt Maurus Blumenthal, Geschäftsführer des Bündner Gewerbeverbands, im Interview mit der Gewerbezeitung (vgl. S. 3). «Viele Menschen haben kaum mehr eine Perspektive. Ohne Perspektiven aber droht ein Teufelskreis – auf persönlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene.» Der Bundesrat tut gut daran, sich an dieser Sicht der Dinge zu orientieren – das Land braucht dringend Perspektiven. En

www.sgv-usam.ch

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