Publiziert am: 18.03.2022

VORSTANDSMITGLIEDER IM FOKUS

Was bei Frontex wirklich auf dem Spiel steht

Bei der Frontex-Schengen Abstimmung vom 15. Mai steht für das Gewerbe und für die Tourismusbranche im Speziellen viel auf dem Spiel. Bei einem Nein drohen Lieferengpässe und der automatische Ausschluss der Schweiz aus dem europäischen Visa-Raum «Schengen». Die Tourismusbranche allein kostet das über eine halbe Milliarde Franken – jährlich.

Kündigungsautomatismus führt zu Verlust von Schengen

Auf den ersten Blick geht es bei der Referendumsabstimmung vom 15. Mai um eine verhältnismässig geringe Erhöhung des Schweizer Beitrags an die Europäische Grenz- und Küstenwache, kurz Frontex, um rund 37 Millionen Franken. Damit sollen jene Länder unterstützt werden, welche die gemeinsame europäische Aussengrenze sichern und ankommende Flüchtlinge empfangen, beispielsweise an der Grenze zur Ukraine in Polen. Weit weg von uns, könnte man meinen. Doch das Problem dabei ist, dass ein Nein zu Frontex automatisch den Kündigungsmechanismus nach Art. 7 des Schengen-Abkommens zwischen der Schweiz und der EU auslöst. Um diesen rechtlichen Automatismus noch abzuwenden, bräuchte es den einstimmigen Willen aller europäischen Länder, dass die Schweiz tatsächlich einen Sonderzug fahren darf oder zumindest nochmals abstimmen kann. Ein sehr unwahrscheinliches Szenario, auf welches man keine seriöse Planung aufbauen kann.

Visums-Insel und Lieferengpässe verhindern

Ohne «Schengen» wird die Schweiz zur Visums-Insel, denn Touristen aus den wichtigen Fernmärkten ausserhalb Europas bräuchten ein separates Visum für die Schweiz. Studien beziffern den Verlust für die Beherbergungs- und Tourismusbranche auf jährlich über eine halbe Milliarde Franken. Hinzu kommen die Grenzkontrollen, welche wieder eingeführt werden müssten, weil die Schweiz wieder zur Aussengrenze der EU würde. Für die Gäste bedeutet das Reisebürokratie statt Reisefreiheit. Für die Betriebe bedeutet es das latente Risiko von Lieferengpässen oder Verspätung bei verderblicher Ware.

Auch Sicherheit und Europapolitik sind betroffen

An Schengen hängt aber noch mehr, denn es ist auch über unsere Branche hinaus und für die Sicherheit allgemein wichtig. Die Polizei verfügt dank Schengen über einen Zugriff auf die gemeinsame europäische Datenbank SIS zur internationalen Kriminalitätsbekämpfung. In der Schweiz gestellte Asylanträge können dank des an Schengen geknüpften Dublin-Abkommens verglichen werden. Mittelfristig würde ein Nein auch die Ausgangslage der ohnehin schwierigen Europapolitik der Schweiz zusätzlich verschlechtern. Kommt es im Europadossier zu weiteren Blockaden, drohen uns nicht nur Grenzkontrollen und Visabestimmung, sondern gefährden wir auch den erleichterten Zugang zu Kundinnen und Kunden, zu Produkten und zu Fachkräften aus Europa. Stabile Beziehungen zu Europa und eine konstruktive Europapolitik bleiben für die Hotellerie weiterhin äusserst wichtig.

Ein Ja wie 2019

Eigentlich hatten wir 2019 mit der Übernahme der Waffenrichtlinie genau die gleiche Ausgangslage, ausser dass das Referendum damals von den Schützen und nicht von linken Gruppierungen ergriffen wurde. Der Auslöser hat geändert, aber Argumente, Konsequenzen und die Betroffenheit sind dieselben. Es ist daher folgerichtig, dass sich das Gewerbe auch 2022 wieder für den Erhalt des Schengen-Abkommens stark macht. An Schengen hängt die Reisefreiheit, der Visumsraum, die offenen Grenzen, die Sicherheit und das gute Verhältnis zu unseren Nachbarn. Ein Nein hingegen würde das Kind mit dem Bade ausschütten. Sagen wir daher Ja am 15. Mai.

*Andreas Züllig ist Präsident HotellerieSuisse und Vorstandsmitglied im Schweizerischen Gewerbeverband

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