Publiziert am: 07.04.2017

Wie gewinnt die Elite Vertrauen zurück?

TribĂĽne

Es sieht so aus, als sei die Schweizer
Elite daran, den Rest des Vertrauens 
zu verspielen, den sie im Volk 
noch geniesst. Dieser Prozess spielt sich 
nicht nur auf Bundes-, sondern auch 
auf kantonaler und Gemeindeebene ab.

Da ich wöchentlich im Schnitt zwei 
Anlässe besuche, wo die Vertreter der Wirtschafts- und Politikelite sich 
austauschen, fällt mir deren Verlust an Selbstvertrauen auf. Wenn früher Dr. Robert 
Holzach in den Raum trat, scharten sich 
die Menschen um ihn. Tut dies Oswald 
Grübel, der gleich zwei Grossbanken führte, wird er nur am Rande bemerkt.

Der Ueli Bremi-Regel folgend, 
wonach sich der echte Leader erst 
gegen Ende einer Sitzung äussert, wenn die anderen bereits vorgetragen haben, melden sich viele Vertreter der Wirtschafts-elite heute gleich gar nicht zu Wort. Ein Axel Weber, VR-Präsident des UBS-Konzerns, ist vor allem mit seinen Grossaktionären und dem Aufbau einer neuen Spitzenmannschaft für die Bank beschäftigt, nicht anders als 
Urs Rohner bei der CS-Gruppe, die auf die 
Erfolge Tidjane Thiams hofft. Was beide 
Präsidenten in der Öffentlichkeit mitteilen, öffnet kein Fenster in die Maschinerie der Macht. Kein Wunder, dass das Stimmvolk ihnen den Rücken zuwendet.

Wo soll da Glaubwürdigkeit her-
kommen? Sei es der Maschinenbau, die pharmazeutische oder die 
chemische Industrie – nirgendwo sind Per-
sönlichkeiten, welche sich das Vertrauen 
des Schweizer Volkes verdient haben. Wären nicht Migros und Coop als Stützen 
des Schweizer Handels, auch dieser hätte 
keine Stimme mehr.

Ist niemand mehr da? Johann Schneider-Ammann hatte als Nationalrat das 
Vertrauen des Volkes. Mit seinem Eintritt in den Bundesrat schmolz es dahin wie 
der Schnee an der Frühlingssonne. Verschwunden sind die Hochschullehrer, Professoren der Philosophie, der Geschichte 
und der Ökonomie, die unparteiisches 
Wissen verbreiten. Verschwunden 
sind Geistliche, Äbte und Bischöfe, die 
früher als Herren galten. Heute kennen 
nur Insider ihre Namen.

Zwei Vorfälle aus der jüngsten Zeit 
zeigen die Gefahr für die Elite auf: 
Die Fluggesellschaft Swiss, Tochter 
der Deutschen Lufthansa, braucht am Flug-hafen Zürich-Kloten mehr Kapazität, um 
ihren Umsteige-Flughafen ausbauen zu können. 300 000 Menschen rings um den Flughafen lehnen die damit verbundenen Landungen und Starts im Süden Klotens ab. Wer führt die Kampagne gegen das Zürcher Volk? Christoph Franz, VR-Präsident von HoffRoche, vormals Mitglied der Konzernleitung des Deutsche Lufthansa-Konzerns. Derlei merkt sich das Volk.

In der Goldküstengemeinde Zollikon stimmt die Mehrheit von über 800 Per-
sonen an der öffentlichen Gemeinde-
versammlung gegen das Projekt für ein neues Gemeindezentrum. Mit einem Verfahrens-trick, der juristisch rechtens ist, verhindert 
Dr. Beat Walti, Nationalrat, die Niederlage der Gemeindebehörden. 800 Schweizer, 
die drei Stunden diskutiert haben, gehen mehrheitlich beleidigt nach Hause. So 
verliert die Elite auf allen Stufen Vertrauen
im Volk. Ist eine Umkehr angesichts 
wichtiger bevorstehender Abstimmungen möglich?

In Japan ist es Sitte, dass auch Spitzen-
unternehmer sich öffentlich entschuldigen, wenn sie Fehler gemacht haben. Sie 
haben das Gesicht verloren und gewinnen es mit einem Bekenntnis zurück. Solches 
darf auch Schweizer Unternehmern und 
Spitzenmanagern zugemutet werden. 
Wer sich hinter Anwälten und PR-Beratern versteckt, baut Vertrauen ab.

Jahrestage und Publikationen der 
grossen Schweizer Wirtschaftsverbände müssen auch dazu benutzt werden, 
zu den eigenen Schwächen zu stehen und 
Verbesserungen durchzuziehen. An die 
Stelle von Leerformeln müssen wieder herzhafte Bekenntnisse treten.

Die Schweizer Medien müssen 
wieder ernsthafter, als es jetzt der 
Fall ist, über Entwicklungen 
in der Schweizer Gesellschaft berichten. Wenn die «Neue Zürcher Zeitung» Propaganda 
für Konzerne und der «Tagesanzeiger» solche für die Vereinigte Linke macht, verlieren 
alle, die Medien, die Politik und die Wirtschaft. Mehr noch gilt dies für die 
Regionalmedien. Packen wir es an!

* Klaus J. Stöhlker ist Unternehmensberater für Öffentlichkeitsbildung in Zollikon, ZH

Die TribĂĽne-Autoren geben ihre eigene Meinung wieder; diese muss sich nicht mit jener des sgv decken.

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