Publiziert am: 25.10.2019

«Wir erfinden uns immer wieder neu»

MB-MICROTEC AG – Das KMU in Niederwangen bei Bern ist seit einem halben Jahrhundert weltweite Marktführerin in der Entwicklung, Herstellung und Produktion von Mikrokomponenten. Das Unternehmen lebt Agilität, Verbindlichkeit und Exzellenz und ist der Inbegriff für umfangreiches, langjähriges mikrotechnisches Wissen.

Die mb-microtec ag dürfte den meisten aufgrund ihrer selbstleuchtenden traser-Uhren ein Begriff sein. Die Firma im bernischen Niederwangen stellt winzige Leuchtröhrchen her, die man nicht aufladen muss. Die Röhrchen sind mit Tritium gefüllt, einem leicht radioaktiven Gas. Dieses ermöglicht, dass in den traser-Uhren Zeiger und Zifferblatt ohne Unterbruch leuchten. Mindestens ein Jahrzehnt lang, ohne Stromversorgung. Die Geschichte von mb-mictrotec ist eng mit derjenigen des Unternehmens merz+benteli verknüpft – deshalb die Buchstaben mb im Firmennamen. Die Berner Chemiker Walter Merz und Albert Benteli gehören zu den Pionieren der Leuchttechnologie. 1918 gründeten sie die Firma merz+benteli, die vor allem mit Klebstoff Cementit bekannt wurde. Dem Schwiegersohn von Walter Merz, Oskar Thüler, gelang es erstmals, mit Tritium gefüllte Glasröhrchen zum Leuchten zu bringen. Dies war ein sensationeller Durchbruch in der Branche. Er gründete darauf 1969 die mb-microtec.

«Wir investieren 20 Prozent des Umsatzes in die Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsfelder.»

Heute ist die mb-microtec globale Marktführerin in der Entwicklung, Herstellung und Produktion von selbstleuchtenden Glaslichtquellen unter dem Markennamen trigalight. «Was Gründer Oskar Thüler einst begonnen hat, entwickeln wir mit immer neuen Fertigungsverfahren im Hightechbereich weiter», erklärt Roger Siegenthaler, der seit 2014 CEO der mb-microtec ist. trigalight sind die Tritium-Lichtquellen von mb-microtec. Eine Lichtquelle besteht aus einem Glasröhrchen, das von innen mit einem farbigen Leuchtmittel beschichtet und mit Tritium gefüllt wird. «Das Tritium sendet relativ konstant Bestrahlung aus. Die Leuchtkraft nimmt mit der Halbwertszeit von Tritium (ca. 12 Jahre) ab, bleibt aber noch wesentlich länger bestehen», erklärt Siegenthaler. «Wir geben eine unveränderte Lichtgarantie für zehn Jahre.» Die trigalight-Leuchtkom­ponenten werden in diversen Geschäftsbereichen eingesetzt: für die Leuchtuhren der eigenen Marke traser und 50 weitere Uhrenmarken weltweit sowie für die Sicherheits-, Automobil-, Raum- und Luftfahrtindustrie. «Der eigentliche Durchbruch der Selbstleuchttechnologie trigalight erfolgte in den 80er-Jahren, als wir den 1,3 Millionen-Auftrag der Schweizer Armee für ein Nachtvisier mit Tritium ausführen durften.»

Hundert Prozent Swiss made

mb-microtec führte 1989 unter der Marke traser die weltweit erste selbstleuchtende Uhr ein. «The Original» wurde in einer Stückzahl von über 300 000 der US-Army geliefert, da sie deren spezielle Anforderungen erfüllte. 2011 stellte traser eine Sonderanfertigung für die Schweizer Luftwaffe sowie eine limitierte Edition für zwei russische Spezialeinheiten her. 2012 wurde eine Sonderausgabe für das 100-Jahre-Jubiläum der russischen Streitkräfte präsentiert, 2015 bis 2017 war traser offizieller Timekeeper der Tour de Suisse. traser-Uhren sind robust, dauerhaft, bis zu 20 bar wasserdicht und hundert Prozent Swiss made. traser ist ein zuverlässiger, funktionaler Begleiter für Outdoorbegeisterte, Abenteurer, Entdecker und die taktische Community.

«Die Marke ist in mehr als 40 Ländern vertreten, und die Kollektion besteht aus über 100 Modellen.» 90 Prozent der Güter werden exportiert, wobei der Hauptmarkt der Uhren sich in den USA, Deutschland und Russland befindet. USA, Israel, Hongkong und die Schweiz sind die Hauptmärkte für die Komponenten. Dabei arbeitet das Unternehmen für den Komponentenvertrieb mit Agenten zusammen, die mit den lokalen Verhältnissen im jeweiligen Land bestens vertraut sind und dort leben. «Anders geht es nicht, denn die Verbindung vor Ort muss stimmen, die ganze Abwicklung funktioniert über Beziehungsgeschäfte. Bei den Uhren, die über Distributionsnetzwerke vertrieben werden, herrscht zudem ein harter Verdrängungsmarkt, hier muss man vor Ort immer präsent sein»,betont Siegenthaler.

Die mb-microtec verfügt über eine breite Palette an branchenspezifischem Produktionswissen und die notwendige Infrastruktur. Auf 1200 m2 klimaüberwachter Produktionsfläche werden die hermetisch versiegelten Elemente angefertigt. Der Prozess beginnt mit der Herstellung von Glasröhrchen, die nach Erhitzung in die gewünschte Form und den gewünschten Durchmesser gebracht werden. «Der kleinstmögliche Innendurchmesser liegt bei 0,1 mm, das entspricht dem Durchmesser eines menschlichen Haares», erklärt Siegenthaler. Anschliessend werden die Röhrchen auf der Innenseite mit Farbstoffen beschichtet. Dabei ist jede Farbe möglich. In einem komplizierten, von der mb-microtec selbst entwickelten Verfahren werden die Röhrchen mit Tritiumgas gefüllt, auf die gewünschte Länge zurechtgeschnitten und luftversiegelt. Abschliessend wird jedes einzelne trigalight einer strengen Qualitäts- und Sicherheitskontrolle unterzogen. Nebst der Selbstleuchttechnologie werden auch noch andere Verfahren wie die hochautomati­sierte Lasertechnologie, Beschichtungstechnologien, Glasformen oder Wasserstoffisotopen-Handling angewendet.

Heute arbeiten rund 100 Personen bei mb-microtec. Ihr Arbeitsumfeld ist nicht ganz alltäglich; im ganzen Gebäude herrscht Unterdruck, damit keine Luft nach draussen dringt. Alle Kleider werden im Haus gewaschen und das Abwasser kontrolliert. Und: Alle Mitarbeitenden müssen wöchentlich zum Urintest. Um zu messen, ob sie nicht einer zu starken Dosis ausgesetzt waren.

Neue Standbeine aufbauen

Nicht nur die Produktion, sondern auch die Entwicklung und der Bau der Maschinen finden in Niederwangen unter höchsten Qualitätsansprüchen statt. Es bedingt eine konstante Weiterbildung der Mitarbeiter, um den hohen Qualitätsanforderungen zu genügen. Dazu Siegenthaler: «Wir investieren 20 Prozent des Umsatzes in die Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsfelder.» Die Weiterentwicklung der Fertigungstechnologien sei eine Bedingung, um wettbewerbsfähig zu bleiben. «Dazu haben wir in der Geschäftsleitung einen sogenannten Kulturwechsel eingeführt. Gewisse Personen sollen ausserhalb des operativen Geschäfts arbeiten können und so den Kopf frei haben, um Ressourcen für die Zukunft zu generieren.» Eine grosse Herausforderung für das KMU ist die Lohnpolitik. «Mit unserem schweizerischen Arbeitsgesetz und unseren Lohnstandards sind wir mit dem Ausland nicht konkurrenzfähig. Zudem können wir im Betrieb nicht alles automatisieren», sagt Siegenthaler. Um weiterhin an der Spitze zu bleiben, will der innovative Familienbetrieb in den nächsten zehn Jahren neue Standbeine aufbauen, zum Teil auch ausserhalb des angestammten Business.

Corinne Remund

www.mbmicrotec.com

DER NACHHALTIGKEIT verpflichtet

Energieeffizienz wird gelebt

Die mb-microtec legt grossen Wert auf Nachhaltigkeit und Sicherheit. Dies kommt auch beim modernen Neubau, der vor einem Jahr bezogen wurde, zum Ausdruck. Weil die Firma mit radioaktiven Stoffen arbeitet, muss das Firmengebäude hohe Ansprüche bezüglich Brand-, Erdbeben- und Einbruchschutz erfüllen. «Auch bei Stromausfällen ist höchste Absicherung garantiert», erklärt CEO Roger Siegenthaler. Das 23 Millionen teure Gebäude wurde nach strengen Sicherheitsauflagen des Bundesamtes für Gesundheit realisiert, denn das Arbeiten mit radioaktivem Gas erfordert höchste Sicherheit. «Unsere Leute werden betreffend Sicherheitsvorschriften immer wieder geschult und sensibilisiert, und wir hinterfragen unsere Abläufe immer wieder von neuem.»

Nach Minergiestandard gebaut

Auch Nachhaltigkeit und Umwelt liegen der mb-microtec am Herzen. Der Neubau wurde deshalb nach Minergiestandard erstellt. Dabei kommen neuste technische Anlagen zum Schutz der Mitarbeitenden und der Umwelt zum Einsatz. Der Betrieb wird teilweise mit Strom aus erneuerbaren Energien und Grundwasserwärme gespiesen und erfüllt mit seiner Ressourceneffizienz die Kriterien für eine Kreislaufwirtschaft. «Früher haben wir in einem harten Winter während 14 Tagen bis zu 10 000 Liter Erdöl benötigt. Heute sind wir absolut erdölfrei und heizen mit der Abwärme der Maschinen.»

Tritium künftig recyceln

Vorbildlich investiert die weltweit grösste Tritium-Lichtquellen-Produzentin in den Aufbau einer Tritium Recovery Facility. Die weltweit einzigartige Anlage bietet die Möglichkeit, Tritium zu recyceln und den Kunden eine Dienstleistung zur Rücknahme von alten tritiumhaltigen Produkten anzubieten. «Es ist uns ein grosses Anliegen, möglichst nachhaltig zu produzieren. Deshalb investieren wir viel in verschiedene Massnahmen», sagt Siegenthaler. «Wir haben auch ein Umweltmanagement eingeführt und hinterfragen dabei jeden unserer Prozesse bezüglich Verbrauch, Abfall und Emissionen.»

CR

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