Publiziert am: 05.02.2021

Die Meinung

Zwängerei im Finanzplatz

Angesichts von Covid passieren viele politische Entscheide mehr oder weniger unter dem «Radar» der öffentlichen Diskussion. So liess der Bundesrat vor gut zwei Wochen verlauten, er wolle die PostFinance privatisieren. Das mediale Echo blieb gering, obwohl der Schritt eher als Zwängerei bezeichnet werden muss.

Um dies auszuleuchten, sei in den letzten Herbst zurückgeblendet. Damals gab der Bundesrat eine Vorlage in die Vernehmlassung, die eine Teilprivatisierung der PostFinance anstrebte. Die Vorlage fiel in der Folge völlig durch. In seiner Medienmitteilung hält der Bundesrat nun ungewohnt offen fest: «Ein gewichtiger Anteil (…) vertrat indessen die Ansicht, dass die Vorlage des Bundesrates nicht ausgereift und zu wenig ausgewogen sei.» Weshalb als Konsequenz nun die Flucht nach vorne angetreten werden soll, erschliesst sich dem aufmerksamen Beobachter nicht.

Auf den ersten Blick könnte aus liberaler Sicht eine Privatisierung durchaus begrüsst werden. Könnte. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich unmittelbar: Eine Privatisierung ist abzulehnen.

Zunächst ist festzustellen, dass die PostFinance mit Ertragsproblemen kämpft. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus plausibel, neue Tätigkeitsfelder zu erschliessen. Konkret soll die Privatisierung den Eintritt in den Kredit- und Hypothekenmarkt ermöglichen. Doch politisch macht dieser Schritt keinen Sinn.

Bereits heute ist nämlich der Schweizer Kredit- und Hypothekenmarkt bestens versorgt. Es muss in dieser Härte konstatiert werden: Ein zusätzlicher eidgenössischer Akteur ist hier schlicht überflüssig.

Kommt ein weiteres Element hinzu. Wie der Bundesrat selber feststellt, handelt es sich bei PostFinance um eine systemrelevante Bank. Mit anderen Worten, sie ist «too big to fail» und muss erhöhte Anforderungen an die Eigenmittelausstattung erfüllen. Und hier liegt die Krux verborgen: «Aufgrund ihrer verminderten Ertragskraft können die Post und PostFinance die von der FINMA geforderten zusätzlichen Eigenmittel nicht vollständig und zeitgerecht aus eigener Kraft bereitstellen», so der Bundesrat.

Der vermeintliche Ausweg: bei der Umgestaltung der PostFinance sollen zusätzliche Eigenmittel eingeschossen werden. Im Klartext bedeutet das, es werden Steuergelder eingesetzt. Schon dieser Vorschlag allein zeigt, dass es sich um keine eigentliche Privatisierung handeln kann. Kommt hinzu, dass damit ein unnötiges Klumpenrisiko geschaffen wird. Und auch dafür hat im Schadensfall der Steuerzahlende ­geradezustehen.

Nüchtern betrachtet, hat die Post lediglich den Auftrag, den Zahlungsverkehr sicherzustellen. Dass sie sich eine Organisationseinheit Post­Finance gegeben hat, begründet keine Notwendigkeit, daraus ein Finanzinstitut zu machen. Die Sicherstellung des Zahlungsverkehrs ist ein Auftrag aus alten Zeiten. Angesichts von Digitalisierung und Internetbanking sei die Frage erlaubt, ob dieser noch zeitgemäss ist.

Volkswirtschaftlich bestehen jedenfalls nur Gründe, keinen weiteren Akteur im Kredit- und Hypothekarmarkt zuzulassen. Die privaten Schulden der Haushalte der Schweiz über­steigen das jährliche Bruttoinlandprodukt. Die Schulden der nichtfinanzwirtschaftlichen Unternehmen entsprechen etwa einer Jahreswertschöpfung. Diese Verhältnisse sind in der letzten Dekade konstant gestiegen. Die Schweiz ist also mit Fremdkapital genügend gut versorgt oder sogar überversorgt. Es liegt kein Marktversagen vor, das ein staatliches Eingreifen überhaupt rechtfertigen dürfte – und schon gar nicht eine Privatisierung der PostFinance.

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