Publiziert am: 02.06.2023

Nötig und wirtschaftlich von Bedeutung

Nachfolge – Bei rund 3400 Unternehmen pro Jahr treten aufgrund erbrechtlicher Regelungen Finanzierungsprobleme auf. Deshalb ist das Unternehmenserbrecht so wichtig.

In der Schweiz gibt es ĂĽber 600 000 Unternehmen. Die allermeisten sind Mikrobetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitenden und stark auf den Inhaber fokussiert. 2022 waren von den rund 615 000 im Handelsregister eingetragenen Unternehmen 93 000 auf der Suche nach einer Nachfolgeperson, wie aus einer Erhebung der Inkassogesellschaft Dun & Bradstreet hervorgeht. Die meisten Ăśbertragungen der Unternehmen verlaufen geplant und erfolgreich. FĂĽr diese braucht es keine gesetzliche Spezialregelung.

Ist die Nachfolgeregelung aus irgendwelchen Gründen aber nicht oder nur ungenügend geregelt, kann beim Ableben des Inhabers das Unternehmen vor grosse Herausforderungen gestellt werden oder gar in Schieflage geraten, vor allem dann, wenn zum Beispiel viele Erben vorhanden sind und keiner die Firma weiterführen möchte oder gar ein Streit über die Weiterführung entsteht (siehe Artikel oben). Auch Zuwendungen von Unternehmen zu Lebzeiten unterliegen der erbrechtlichen Ausgleichung. Beim Tod des Inhabers können Ausgleichszahlungen fällig werden. Im schlimmsten Fall muss das Unternehmen liquidiert werden, wenn Ansprüche gegenüber Miterben nicht sofort befriedigt werden können. Damit kann gerade das Erbrecht häufig die Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens ernsthaft infrage stellen. Der Bundesrat geht von rund 3400 Unternehmen pro Jahr aus, wo aufgrund erbrechtlicher Regelungen potenziell Finanzierungsprobleme auftreten können.

Unternehmenserbrecht hat reine Auffangfunktion

Solche Fälle kann ein Unternehmenserbrecht abfangen, das die Interessen, die Integrität und das Überleben der Firma in den Vordergrund stellt. Kernelemente der Vorlage des Bundesrates sind:

• Die Möglichkeit der Integral-zuweisung eines Unternehmens durch einen Richter an einen Erben beziehungsweise eine Erbin, der oder die willens und in der Lage ist, dieses erfolgreich weiterzuführen (bis anhin nicht möglich).

• Ein Zahlungsaufschub für Ausgleichszahlungen an andere Erben bis auf maximal zehn Jahre im Rahmen einer Betrachtung der konkreten Umstände und einer angemessenen Zinspflicht mit dem Ziel, dass das Unternehmen nicht in Liquiditätsschwierigkeiten gerät.

• Die Berücksichtigung des Anrechnungswertes des Unternehmens zum Zeitpunkt seiner lebzeitigen Übergabe. Wertveränderungen zwischen dem Zeitpunkt der Übertragung des Unternehmens (durch teilweise Schenkung) und dem Todestag des schenkenden Patrons werden – im Gegensatz zu heute – nicht mehr zwingend berücksichtigt.

Überall dort, wo zu Lebzeiten des Firmeninhabers Nachfolgeregelungen getroffen worden sind, gelten diese. Ebenso bleiben abgeschlossene Verträge vorbehalten. Das Unternehmenserbrecht hat eine reine Auffangfunktion für jene Fälle, in denen keine Nachfolgeregelungen getroffen worden sind, und die zum Beispiel infolge Erbstreitigkeiten in ihrer Existenz bedroht werden könnten.

Knapp 50 000 Mitarbeiter betroffen

Das Unternehmenserbrecht erhält vor diesem Hintergrund nicht nur im individuellen Fall eine besondere Bedeutung, sondern auch gesamtwirtschaftlich, rechnet doch der Bundesrat, dass jährlich über 48 000 Mitarbeitende in Vollzeitäquivalenten von scheiternden Nachfolgeprozessen betroffen sein könnten. Neben der individuellen ist auch die gesamtwirtschaftliche Notwendigkeit der Vorlage gegeben. Die Landwirtschaft hat diese Problematik mit dem Gesetz über das bäuerliche Bodenrecht gelöst. Es ist deshalb nur folgerichtig, dass jetzt auch für die gewerblichen Unternehmen eine Lösung gesucht wird. Auch die erbrechtlichen Praktiker und Spezialisten fordern dies schon lange.

Nichteintretensantrag nicht nachvollziehbar

Der Antrag der ständerätlichen Rechtskommission auf Nichteintreten auf die Vorlage ist vor dem Hintergrund der aufgezeigten Notwendigkeit und Wichtigkeit der Vorlage nicht nachvollziehbar. Nichteintreten bedeutet, die Notwendigkeit der Vorlage abzulehnen und sich gar nicht erst mit den Details der damit verknüpften Fragestellungen auseinandersetzen zu wollen. Das ist der falsche Ansatz. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv fordert zumindest Eintreten und Behandlung beziehungsweise eine allfällige Anpassung im Sinne der Verbesserung der Vorlage.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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