Publiziert am: 15.09.2023

«Es ist wichtig, sich zu wehren»

LARS GUGGISBERG – Die Gemeinde Leukerbad darf die Kurtaxen nicht einzig dem von ihr betriebenen Thermalbad zuführen, sondern muss auch private Anbieter berücksichtigen. Das entschied das Bundesgericht. Für den Direktor des Kantonalbernischen KMU-Verbands und SVP-Nationalrat ist klar: Die Politik müsse endlich die staatlichen Grundaufträge gesetzlich klarer definieren.

Schweizerische Gewerbezeitung: Sie kämpfen mit der Kampagne «Fair ist anders» gegen unfaire staatliche Konkurrenz von privaten Unternehmen, insbe-sondere KMU. Welche Bedeutung hat das Urteil zur «My Leukerbad AG» (siehe Kasten)?

Lars Guggisberg: Dieses erfreuliche Urteil bestätigt unsere Kampagne vollumfänglich und bestärkt uns darin, weiterhin mit aller Kraft gegen die unfaire Konkurrenzierung von KMU durch Staatsbetriebe und gegen ungleichlange Spiesse im Wettbewerb zu kämpfen.

Laut Urteil betreibt die «My Leukerbad AG» ihr Thermalbad privatwirtschaftlich. Weshalb reisst der Staat immer mehr private Aufgaben an sich, und weshalb ist das ein Problem?

Es besteht eine allgemeine Tendenz, dass sich der Staat auf allen Ebenen – also kommunal, kantonal und national – im Markt immer breiter macht. Dadurch werden mehr Einnahmen für den Staat generiert, die Steuern sinken aber nicht. Im Gegenteil: Der Staatsapparat wird immer mehr aufgebläht. Gleichzeitig werden KMU in unfairer Weise konkurrenziert und dadurch Arbeitsplätze und Lehrstellen in der Privatwirtschaft gefährdet.

«Arbeitsplätze und Lehrstellen in der Privatwirtschaft werden gefährdet.»

Das Bundesgericht hielt fest: Will der Staat durch öffentliche Unternehmen im Wettbewerb auftreten, braucht es dafür eine formell-gesetzliche Grundlage, die hinreichend bestimmt ist. Im Falle von Leukerbad war das Walliser Tourismusgesetz zu wenig klar definiert. Welche ähnlichen Fälle kennen Sie, wo der Staat unzulässig im privaten Teich fischt?

Genau dort liegt der Hund begraben: In der unklaren Definition des staatlichen Grundauftrags. Es fehlen ein klar definierter Zweckartikel sowie Transparenz- und Compliance-Vorschriften. Dies führt zu Grauzonen, welche staatlichen und teilstaatlichen Unternehmen mit Monopolteilen in den Bereichen Logistik, Mobilität, Planung, Energie, IT, Versicherungen etc. längere Spiesse bescheren und unfaire Vorteile im Markt bringen, wo sie mit KMU konkurrenzieren. Konkrete Beispiele sind auf allen Staatsebenen zu finden: Post, BKW und BernMobil, um nur drei von Hunderten zu nennen.

Was empfehlen Sie einem Unternehmen, das unfair vom Staat konkurrenziert wird, ähnlich dem privaten Thermalbadbetreiber? Durchklagen bis vor Bundesgericht?

Es ist wichtig, sich zu wehren und zu organisieren. In erster Linie geht es darum, solche Fälle bekannt zu machen. Wir sind als Verband Berner KMU immer sehr dankbar für Hinweise. Nur so können wir sensibilisieren. Den dadurch entstehenden Druck wollen wir nutzen, damit die Politik endlich die staatlichen Grundaufträge gesetzlich klarer definiert, Transparenz schafft und eine Aufsicht festlegt, die diesen Namen auch wirklich verdient. Damit könnten langwierige und teure Justizverfahren verhindert werden.

Interview: Rolf Hug

www.fair-ist-anders.ch

Der FAll Leukerbad

Über drei Millionen Franken

Die Gemeinde Leukerbad betreibt mit der «My Leukerbad AG» ein Thermalbad und Fitnesscenter mit Gastronomieangeboten und erhebt auch Kur- und Tourismusförderungstaxen, welche sie ihrem Betrieb überweist. Ein privater örtlicher Thermalbadbetreiber forderte im Sinne der Gleichbehandlung einen Anteil an den eingenommenen Kurtaxen, welchen ihm jedoch alle Instanzen verweigerten.

Er gelangte ans Bundesgericht und rügte eine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit gemäss Bundesverfassung und der daraus fliessenden Garantie der Gleichbehandlung der direkten Konkurrenten (vgl. sgz vom 11. August). Und er bekam Recht! Der private Unternehmer beanstandete beispielsweise, dass die «My Leukerbad AG» allein im Jahr 2019 Kurtaxen von über drei Millionen Franken eingenommen hatte, während er vollständig leer ausgegangen war.hug

Urteil: 2D_53/2020

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