Publiziert am: 01.09.2023

Stark dank verfügbarem und günstigem Strom

Ein starkes Schweizer Gewerbe – und damit unser Wohlstand – basieren auf verfügbarer und günstiger Energie. Schafft es unser Land nicht, diesen Wettbewerbsvorteil zu erhalten, dann drohen wir bei wichtigen Entwicklungen zurückzufallen.

Die Schweizer Energiepolitik ist zu lange von Ideologie und zu optimistischen Szenarien getrieben worden. Das Land braucht nun neben der Offensive für erneuerbare Energien dringend Speicherkapazitäten und neue Grosskraftwerke, wenn wir bis 2050 den massiven zusätzlichen Strombedarf decken wollen. Das bietet Chancen für die Stärkung von Gewerbe und Industrie – bedingt aber, dass die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen rasch, langfristig und verlässlich ausgestaltet.

Unrealistisches Schönwetterprogramm

In Birr stehen nach weniger als sechs Monaten Planungszeit und einem Notverfahren acht Turbinen bereit. Das mobile Reservekraftwerk soll die Schweiz vor einem Stromausfall schützen. Das für 470 Millionen Franken gemietete Kraftwerk braucht im Vollbetrieb 70 000 Liter Heizöl pro Stunde. Der Betrieb ist so laut, dass der Bund die Turbinen nur tagsüber laufen lassen will. In drei Jahren muss das Kraftwerk wieder abgebaut werden. Die Birrer Turbinen sind das Mahnmal für das Versagen der Schweizer Energiepolitik. Mit Notmassnahmen ist die Krise nicht ausgestanden. Die unangenehme Wahrheit lautet, dass nach dem Winter vor dem Winter ist. Im kommenden Jahr wird es schwieriger werden. Der russische Erdgas-Lieferstopp und die reduzierte Atomstromproduktion in Frankreich führen der Schweiz und Europa vor Augen, was passiert, wenn man erstens strukturell – nämlich über den ganzen Winter – von zu grossen Mengen an Stromimporten abhängig ist, und zweitens die Energiequellen, wie zum Beispiel beim russischen Gas, nicht genügend diversifiziert hat. Die Schuld dürfen wir nicht bei den anderen suchen. Dass die Schweiz zu wenig Strom produziert, ist ein offenes Geheimnis. Mit der Krise platzt das im Zuge der Defossilisierung immer unrealistischere Schönwetterprogramm der Energiestrategie 2050 wie eine Seifenblase. Die Annahme, dass Stromimporte immer möglich sind und der Stromverbrauch trotz Defossilisierung nicht zunehmen wird, war Wunschdenken.

Genügend Strom – und weniger Ideologie

Investitionen in neue erneuerbare Technologien sind zwar ein richtiger und wichtiger Schritt. Doch damit allein ist es nicht getan. Diese unstete Energie muss mit sofort abrufbarer Kapazität kombiniert werden. Je höher der Anteil der erneuerbaren Energien, desto grösser der Bedarf an teuren Speichern wie Pumpspeicherkraftwerke, Stauseen oder Anlagen für die Umwandlung von Elektrizität in Wasserstoff sowie den Aufbau einer Parallelinfrastruktur mit Grosskraftwerken, die mit Gas oder synthetischen Treibstoffen betrieben werden. Genau das sah sogar die Energiestrategie 2050 – trotz falschen und zu optimistischen Annahmen – mit vier bis fünf Gaskraftwerken eigentlich vor. Aus ideologischen Gründen ist dieser Teilaspekt der Energiestrategie aber in den Schubladen des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) verschwunden.

Wenn wir weiterhin eine nahezu CO2-freie Stromproduktion anstreben, muss die Kernenergie für die Zukunftsplanungen unbedingt wieder berücksichtigt werden; Anschauungsbeispiele dafür sind die sich im Bau befindenden Kraftwerke in Schweden, Polen, den Niederlanden und Japan sowie das jüngst ans Netz angeschlossene in Finnland.

*Von Thierry Burkart, Ständerat AG und Präsident FDP.Die Liberalen Schweiz

www.fdp.ch

www.thierry-burkart.ch

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