Publiziert am: 20.10.2023

Fairness heisst auch Gegenseitigkeit

LOHNTRANSPARENZ – Der Regu­lie­rungs­drang der EU ist ungebrochen. Kürzlich hat sie neue Regeln zur Lohntransparenz erlassen. Bis 2027 müssen Unternehmen bei offenen Stellen das Einstiegsgehalt oder die Lohnspanne deklarieren. Für alle Funktionen müssen die durch­schnitt­lichen Saläre und die Kriterien dahinter ausgewiesen werden.

Ende März dieses Jahres verabschiedete das Europäische Parlament die Lohntransparenzrichtlinie. Die EU- Mitgliedstaaten haben danach drei Jahre Zeit, die Richtlinie in ihr nationales Recht umzusetzen. Künftig müssen die Firmen sicherstellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Bewerbungsverfahren und während ihres Arbeitsverhältnisses Zugang zu Lohninformationen haben. Die Richtlinie gilt für Arbeitgeber im öffentlichen und privaten Sektor.

Detaillierte Offenlegungspflichten

Detailliert geregelt werden sowohl die Lohntransparenz vor der Beschäftigung im Rahmen einer Stellenbewerbung als auch die Transparenz bei der Festlegung des Entgelts und der Laufbahnentwicklung. Stellenbewerber haben das Recht, vom künftigen Arbeitgeber Informationen über das auf objektiven geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegseinkommen für die betreffende Stelle oder dessen Spanne zu erhalten. Diese Informationen müssen in einer veröffentlichten Stellenausschreibung angegeben oder dem Bewerber vor dem Vorstellungsgespräch anderweitig zur Verfügung gestellt werden, ohne dass der Bewerber bzw. die Bewerberin dies beantragen muss.

Die Richtlinie beinhaltet sodann für Mitarbeitende diverse Auskunftsrechte wie Auskünfte über ihr individuelles Einkommen und über die Durchschnittseinkommen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit mindestens 250 Arbeitnehmenden legen verschiedene Angaben über das Lohngefälle zwischen allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern offen.

Asymmetrie zulasten der Arbeitgeberin

Im Gegenzug aber darf die Arbeitgeberin Bewerberinnen und Bewerber aber weder mündlich noch schriftlich, persönlich oder über einen Vertreter nach ihrer Lohnentwicklung in ihren früheren Beschäftigungsverhältnissen befragen. Auch gilt die Beweislastumkehr. In Gerichts- oder Verwaltungsverfahren in Verbindung mit unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierung muss die Arbeitgeberin nachweisen, dass keine derartige Diskriminierung vorliegt.

Und die Schweiz?

Die Schweiz ist kein Mitgliedstaat der EU und somit nicht Adressatin der Richtlinie. Sie muss die Richtlinie auch nicht nachvollziehen. Auch aus dem Freizügigkeitsabkommen ergibt sich keine Verpflichtung für einen Nachvollzug.

Obwohl die Vereinbarung über das Gehalt in erster Linie eine Angelegenheit zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer ist, gibt es auch in der Schweiz Forderungen nach mehr Transparenz. Eine entsprechende Vorschrift würde die Fairness bei der Entlöhnung verbessern, argumentieren Befürworter. Fairness beruht aber auf Gegenseitigkeit – und nicht auf immer mehr Verpflichtungen und Auflagen einseitig zulasten der Arbeitgeberin. Legen Unternehmen ihre Löhne offen, so sollen sie dies freiwillig tun dürfen. Eine gesetzliche Verpflichtung dazu ist aber abzulehnen.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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