Publiziert am: 03.11.2023

Dauerhafte Werte schaffen

VIGIER RAIL – Das Unternehmen in Müntschemier/BE ist der wichtigste Lieferant von Betonschwellen in der Schweiz und hat auch die Spezialblöcke im Gotthard-Basistunnel hergestellt. Präzision und Zuverlässigkeit sind dabei oberstes Gebot. Obwohl international bestens vernetzt, produziert das KMU möglichst lokal.

Die Vigier Rail ist ein traditionsreiches Unternehmen, das auf jahrzehntelanges Know-how in der Betonbranche zurückgreift, und leistet somit einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren des öffentlichen Verkehrs national und international. Mit der richtigen Mischung aus Innovation, Qualitätsfokus und Kundenorientierung besteht die Vigier Rail seit 1904 – damals als Firma Gustav Hunziker gegründet. Das Berner KMU ist das einzige Unternehmen in der Schweiz, das Betonschwellen für Bahnen herstellt. «Seit 1953 haben wir uns kontinuierlich darauf konzentriert, hochwertige Betonschwellen herzustellen, die den hohen Anforderungen der Bahnindustrie gerecht werden», sagt Unternehmensleiter Christophe Kipfer. Nebst Nachhaltigkeit und Qualität steht die Kundenorientierung im Zentrum der Unternehmensphilosophie. «Wir verstehen die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden und streben danach, massgeschneiderte Lösungen anzubieten, um ihren Anforderungen gerecht zu werden. Eine enge Zusammenarbeit und langfristige Partnerschaften sind für uns essenziell.»

«Umsatzmässig liegt unser Auslandanteil zwischen zehn und zwanzig Prozent. Das variiert aber jeweils stark je nach Projekten.»

Im Werk Müntschemier BE werden Streckenschwellen und Weichenschwellen für den Schotteroberbau sowie Stützpunkte für die feste Fahrbahn produziert. Dazu Kipfer: «Wir haben bereits mehr als fünf Millionen Streckenschwellen und eine Million Laufmeter Weichenschwellen für Normal- und Meterspur ausgeliefert.» Der Klassiker schlechthin ist die B91 Normalspurschwelle, die vor allem von der SBB und auch von Privatbahnen wie der BLS, der Südostbahn, der Sihltal-Zürich-Uetliberg-Bahn SZU oder der Transports Publics Fribourgeois verbaut wird. Zu den wichtigsten Qualitätsschwellen gehört auch die VöV Meterspurschwelle, die von den Privatbahnen wie der Rhätischen Bahn, der Montreux Berner Oberland Bahn MOB, Matterhorn-Gotthard-Bahn MGB, Aare Seeland mobil ASM oder Transports Publics Neuchâtelois TransN etc. in der ganzen Schweiz verbaut wird. Ebenso verkauft das KMU Flachschwellen für beispielsweise Brücken oder Tunnel mit tiefem Lichtraumprofil. «Holzschwellen können von den Massen her gut durch Flachschwellen ersetzt werden, ohne dass grosse bauliche Massnahmen getroffen werden müssen.»

Spezialisiert auf Feste-Fahrbahn-Systeme

Gerade mit Flachschwellen ist Vigier Rail auch international erfolgreich. Ebenso international gefragt ist das System Low Vibration Track (LVT) – eine Entwicklung der Schwesterfirma Sonneville. «Es ist eines der ersten Feste-Fahrbahn-Systeme überhaupt, das sich bei den renommiertesten und anspruchsvollsten Eisenbahnprojekten in der ganzen Welt durchgesetzt hat», sagt Kipfer. Seinen exzellenten Ruf verdankt LVT der hohen Gleisgenauigkeit und dem exzellenten Vibrationsschutz. Referenzen auf fünf Kontinenten sprechen für sich. Dienstleistungen wie technische Beratung, Planung und Qualitätsüberwachung sowie Gesamtbetreuungen von der Fertigung bis zur Baustelle – in der Schweiz und im Ausland – sind ein weiteres Standbein des innovativen Unternehmens. Diese Gesamtbetreuung beinhaltet je nach Projekt die Lieferung der benötigten Maschinen und Equipment zum Produzieren der Schwellen vor Ort. «Für Projekte im Inland und im näheren Ausland übernehmen wir die gesamte Logistik, sei es per Bahn oder LKW», erklärt Kipfer und doppelt nach: «Unsere Ingenieure helfen bei der Planung, Gleisdesign und führen die Qualitätsüberwachung des Gleisbaus vor Ort durch.»

Ein grosses Thema sind auch Spezialanfertigungen wie gerade aktuell in einem Metro-Projekt in Mumbai: Die neue Linie 3 der Metro Mumbai bildet den Kern des U-Bahn-Netzes in der Stadt. Die Linie wird mit einer Länge von etwa 33,5 km unterirdisch verlaufen und das Stadtzentrum durchqueren. Aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse und der anspruchsvollen Vorgaben zum Körperschall- und Vibrationsschutz hat Sonneville neue massgeschneiderte LVT-Stützpunkte entworfen. «Wir haben während 18 Monaten bis im Sommer 2022 in Mumbai 200 000 Blöcke produziert.»

Regional bestens verankert

Das Unternehmen legt grossen Wert auf Nachhaltigkeit: «Unser Ziel ist es, dass wir bei der Vigier Rail dauerhafte Werte schaffen. Dafür beschaffen wir unsere Rohmaterialien so regional wie möglich und entwickeln stets neue Technologien, um unseren Rohstoffkreislauf zu schliessen.» Der Standort in der Schweiz hat für das Unternehmen daher eine grosse Bedeutung. «Wir sind zwar weltweit tätig, jedoch sind wir regional sehr verankert.» Der Zement wird per Bahn aus dem Vigier Zementwerk in Péry geliefert und der Kies und Sand kommt vom fünf Kilometer entfernten Vigier Kieswerk in Finsterhennen/Treiten. Alte Betonschwellen werden ebenfalls in Finsterhennen/Treiten deponiert und gebrochen. «Diese regionale Verankerung erlaubt uns, qualitativ sehr hochwertigen Beton garantieren zu können und dies so nachhaltig wie möglich», so Kipfer. So werden Schwellen für den Schotteroberbau ausschliesslich in Müntschemier gefertigt. «Für Projekte in Mumbai, Australien oder Neuseeland werden unsere Stützpunkte vor Ort gefertigt, diese so weit zu verschiffen wäre unter anderem aufgrund des hohen Gewichts ökologisch nicht sinnvoll», erklärt Kipfer weiter.

«Unser Ziel ist es, dass bis 2025 vier Prozent der Mitarbeitenden Lernende sind.»

Lange Lebensdauer und absolute Präzision haben im Betrieb höchste Priorität: Täglich werden Druckversuche durchgeführt, um die hohen Anforderungen an die Betonfestigkeit zu kontrollieren. Des Weiteren werden Biegezugversuche am sieben und 28 Tage alten Beton gemacht. Auch die geometrischen Abmessungen und die Neigung der Schienenauflageflächen werden täglich geprüft. «Nach 28 Tagen Aushärtung wird zudem ein Auszugsversuch der einbetonierten Dübel gemacht. All dies trägt zur Sicherheit im öffentlichen Verkehr bei», betont Kipfer. Nachhaltig ist auch die Firmenkultur bei Vigier Rail: «Wir streben danach, umweltfreundliche Lösungen zu entwickeln. In unserer Zusammenarbeit setzen wir auf Teamwork, Transparenz und offene Kommunikation. Unsere Mitarbeiter sind engagiert und streben stets nach erstklassigen und effizienten Lösungen in der Bahnindustrie», freut sich Kipfer. Dabei spielt auch die Aus- und Weiterbildung der rund 100-köpfigen Belegschaft eine wichtige Rolle. «Wir wollen unseren Mitarbeitenden bei der Vigier Rail eine möglichst spannende und erfüllte Karriere bieten – mit entsprechenden Weiterbildungen und externe Schulungen.» Aktuell arbeiten zudem zwei KV-Lernende bei der Vigier Rail. «Wir haben ein spartenübergreifendes System, um Lernende auszubilden. Bis 2025 sollen vier Prozent der Mitarbeitenden Lernende sein.»

Neue Chancen und Projekte

Die Bahninfrastruktur erfordert besondere Kenntnisse und Kompetenzen, die unabhängig von der aktuell angespannten Arbeitsmarktlage sehr gefragt sind. Doch die Nachhaltigkeit der Vigier-Rail-Produktion hängt von der Weitergabe der langjährigen Erfahrungen an die nächste Generation ab – so die Herausforderung der nächsten Zeit. «Auch wenn wir heute schon mit CO2-armem Zement rund 30 Prozent weniger CO2 in unseren Schwellen haben, wollen wir in den nächsten Jahren nochmals 40 Prozent CO2-Reduktion erreichen», erklärt Kipfer das ehrgeizige Ziel.

Doch das Zukunftspotenzial der Branche ist gross: So bieten in der Schweiz die Ausbauprojekte und die regelmässige Erneuerung der Bahninfrastruktur interessante Möglichkeiten, mit innovativen, nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen mitzuwirken. Auch im Ausland werden öffentliche Verkehrsinfrastrukturen mit der wachsenden Urbanisierung und dem Umweltbewusstsein vermehrt entwickelt. «Der grösste Markt ist für den Schotteroberbau sowie für die feste Fahrbahn die Schweiz und West-Europa. Danach folgt Asien, und Nord- und Südamerika», sagt Kipfer. «Umsatzmässig liegt unser Auslandanteil zwischen zehn und zwanzig Prozent. Das variiert aber jeweils stark je nach den Projekten.» Zu den Kunden gehören die SBB, die Privatbahnen in der Schweiz sowie Bauunternehmer oder Bahnen im Ausland.

Die nächsten grossen Projekte sind in der Schweiz der Wipkinger- und Wasserfluhtunnel. Mittelfristig ist der Ausbau vom Lötschberg-Basistunnel sowie der neue Tiefbahnhof des Regionalverkehrs Bern-Solothurn RBS geplant. Im Ausland wird voraussichtlich übernächstes Jahr ein Tunnel in Göteborg mit den Vigier-Rail-System gebaut. «Zudem planen wir die Erweiterung unseres Betriebsgebäudes, damit unsere Mitarbeitenden zentraler und näher beieinander sind. Unsere Dächer wollen wir am Produktionsstandort in Müntschemier noch weiter mit Photovoltaik-Anlagen ausstatten.»

Corinne Remund

www.vigier-rail.ch

SWISsNESS

Beton giessen für den Gotthard-Basistunnel

Man erinnert sich: Im Basistunnel sind Tausende Bahnschwellen zerstört. Vigier Rail muss für Ersatz sorgen. «Ein sicheres und einwandfrei funktionierendes öV-Netz hat für uns immer die höchste Priorität. Wir sind seit dem Unfall in engem Kontakt mit der SBB und produzieren die Ersatzschwellen seit Wochen», betont Christophe Kipfer, CEO von Vigier Rail.

Lieferfrist auf ein Minimum reduziert

Der Gotthard-Basistunnel wurde mit einer sogenannten festen Fahrbahn ausgerüstet, die aus Stützpunkten besteht, welche in einer Betonplatte millimetergenau positioniert sind. Auch bei diesem Projekt kommt die ausserordentliche Präzision und Zuverlässigkeit sowie die grosse Erfahrung und das Know-how des innovativen Berner KMU zum Zug: «Dank unserer guten Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten konnten wir die Lieferfristen für Einzelkomponenten auf ein absolutes Minimum reduzieren. Unsere Werkstatt hat die Stützpunktschalungen sofort kontrolliert und angepasst, damit wir die Produktion schnellstmöglich aufnehmen konnten», so Kipfer.

CR

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