Publiziert am: 08.12.2023

Böses Spiel mit neuen Regeln

UMSETZUNG OECD-MINDESTSTEUER – Im Sommer erst hatten Schweizer Stimmberechtigte die Umsetzung der neuen OECD-Spielregeln überdeutlich angenommen. Doch nun zeigt sich: Musterschüler zu sein, zahlt sich im internationalen Wettbewerb nicht aus. Denn die grossen Player ändern die Regeln, wie es ihnen beliebt.

Die Entscheidung der Schweiz, bei der OECD-Mindestbesteuerung – einmal mehr – die Rolle des Musterschülers zu spielen, erweist sich als eine, die sie teuer zu stehen kommen könnte. Mit der Umsetzung einer Verfassungsänderung, um diese Mindestbesteuerung schnell zu integrieren, könnte sich die Schweiz in den Fuss schiessen. Die jüngsten Änderungen der OECD werden der schnellen Anwendung dieser Besteuerung für die Schweiz einen schweren Schlag versetzen, während die Big Player sie nur anwenden werden, um die Konkurrenz ihrer inländischen Unternehmen zu bestrafen.

KMU indirekt mitbetroffen

Zur Erinnerung: Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hatte zwar die OECD-Mindestbesteuerung für grosse Unternehmen im Rahmen der STAF-Vorlage unterstützt. Er weist nun aber mit noch grösserem Nachdruck auf die Risiken einer übereilten Umsetzung für die Schweiz hin. Diese Besteuerung kann zu erheblichen Nachteilen für Schweizer Grossunternehmen führen und deren Wettbewerbsfähigkeit ernsthaft beeinträchtigen. Auch wenn der sgv die Erleichterung darüber betont, dass diese Mindestbesteuerung nicht auf Schweizer KMU abzielt und somit deren Situation bewahrt, muss jedoch anerkannt werden, dass eine geringere wirtschaftliche Attraktivität der Schweiz für grosse Unternehmensgruppen auch die KMU negativ beeinflussen wird.

Umsetzung verzögert – auf ewig?

Im Oktober 2021 haben rund 140 Länder die Parameter für ein Steuerpaket zur Modernisierung der internationalen Unternehmensbesteuerung angenommen. Dieses auf zwei Säulen basierende Paket zielt darauf ab, mehr Steuereinnahmen von Sitzländern wie der Schweiz in Marktländer wie Indien zu verlagern (Säule 1) und grosse Unternehmen in allen Ländern, in denen sie tätig sind, einer Mindeststeuer von 15 Prozent zu unterwerfen (Säule 2; OECD-Mindestbesteuerung).

Obwohl die Schweiz mit Herausforderungen konfrontiert ist, unterstützt sie dieses Massnahmenpaket und hat sogar erlebt, dass das Schweizer Volk am 18. Juni 2023 mit 78,5 Prozent Ja-Stimmen einer Verfassungsänderung zugestimmt hat, um die frühzeitige Teilnahme der Schweiz an der geplanten weltweiten Umsetzung der OECD-Mindestbesteuerung im Jahr 2024 zu gewährleisten.

Die Umsetzung dieser Massnahmen stösst nun jedoch in den meisten Ländern auf grosse Hindernisse. Es wurde deutlich, dass unter anderem die USA Säule 1 wahrscheinlich nie umsetzen werden, was diesen Teil des Pakets praktisch obsolet macht. Was Säule 2 betrifft, so scheinen viele Staaten die Umsetzung der OECD-Mindestbesteuerung zu verzögern, wobei einige die Umsetzung erst für 2024 oder sogar überhaupt nie planen.

Regeln plötzlich geändert

Diese Verzögerungen sind grösstenteils auf Regeländerungen zurückzuführen, die von der OECD im Juli 2023, einen Monat nach dem Schweizer Referendum, beschlossen worden sind. Diese Änderungen haben Länder, die eine frühzeitige Umsetzung der Mindestbesteuerung in Betracht ziehen, drastisch benachteiligt. Die USA, China, Indien und andere einflussreiche Akteure hatten bei diesen Änderungen ein gewichtiges Wort mitzureden, was zu negativen Folgen für Schweizer Unternehmen führte.

Attraktivität der Schweiz leidet

Während nach den derzeitigen Regeln Staaten, die die Mindeststeuer schnell, d. h. 2024, umsetzen, finanziell im Vorteil waren (kein Steuerabfluss ins Ausland, Steuerzufluss aus anderen Staaten), werden diese Staaten mit schneller Umsetzung durch die geänderten Regeln plötzlich wirtschaftlich und finanziell benachteiligt. Die Anpassungen führen dazu, dass Unternehmen in Staaten mit einer Mindeststeuer gegenüber solchen ohne Mindeststeuer benachteiligt werden (z. B. USA, China, Indien, Brasilien und viele andere). Tatsächlich muss ein Schweizer Konzern die Mindeststeuervorschriften in den USA oder China einhalten, diese Regel gilt aber nicht für US-amerikanische Konkurrenten, chinesische Unternehmen und Unternehmen in vielen anderen Staaten. Dies kann zu erheblichen zusätzlichen Steuerbelastungen für den Schweizer Konzern führen, was die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz erheblich beeinträchtigt.

Weder global noch dringend

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der sgv die OECD-Mindestbesteuerung für Grossunternehmen befürwortet, aber entschieden auf die Risiken für die Schweiz hinweist, die sich aus einer übereilten Umsetzung ergeben. Und damit auf die entscheidende Bedeutung der Berücksichtigung der schweizerischen Besonderheiten bei diesem Steuerübergang, der bei Weitem nicht global und vor allem nicht so dringend zu sein scheint, wie es vor der Volksabstimmung erklärt wurde.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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