Publiziert am: 16.02.2024

Für einmal ist mehr sogar weniger

AUSBAU NATIONALSTRASSEN – Beim Wort «Ausbau» fürchten sich viele vor mehr Verkehr. Dank guten alternativen Verkehrsangeboten sind diese Ängste jedoch unbegründet. Im Gegenteil führt ein Ausbau der Nationalstrassen sogar dort zu weniger Verkehr, wo er am meisten stört: in den bewohnten Gebieten. Siedlungsgebiete werden entlastet und die Lebensqualität merklich erhöht.

«Induced Demand», zu Deutsch «Induzierte Nachfrage». Dieses Konzept stammt aus den USA und wird im Zusammenhang mit Strassenbauprojekten häufig aufgegriffen. Es bedeutet, dass zusätzliches Angebot dazu führt, dass kurz darauf auch die Nachfrage steigt. Im Bereich des Strassenverkehrs heisst dies, dass, wenn mehr Strassen gebaut werden, das Verkehrsaufkommen automatisch zunimmt. So fürchten denn auch viele, dass sich die Verkehrsprobleme in der Schweiz verschlimmern werden, wenn die Nationalstrassen, wie vom Parlament im vergangenen Jahr beschlossen, ausgebaut werden. Es ist ein simples, um nicht zu sagen zu simples Konzept, welches – scheinbar vernünftig – auf dem wirtschaftlichen Grundprinzip von Angebot und Nachfrage basiert.

Einfaches Konzept passt nichtzu komplexer Realität

Was auf den ersten Blick logisch erscheinen mag, entpuppt sich schnell als Trugschluss. Denn erstens ist die Ausgangslage in der Schweiz anders als in Amerika. Dort ist der Schienenverkehr wesentlich weniger ausgebaut als in der Schweiz. Wenn die Möglichkeit besteht, eine Strecke auf der Strasse zurückzulegen, werden diese auch viele Menschen nutzen – mehrheitlich wegen fehlender oder unzureichender Alternativen.

Anders in der Schweiz. Unser Land verfügt über eines der am besten ausgebauten und zuverlässigsten Schienennetze der Welt. Es gibt hierzulande bereits sehr gute Alternativen zum Strassenverkehr. Mehr Strassenkapazitäten würden daher trotzdem nur wenige zum Umsteigen vom Zug auf das Auto bewegen.

Zweitens ist die Welt komplexer als nur ein simples Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Es gibt viele verschiedene Arten von Verkehrsträgern: Flugzeuge, Autos, Last- und Lieferwagen, Züge, Trams, Busse, Schiffe, Seilbahnen, Fahrräder, E-Trottinetts u.v.m. Sie alle erfüllen unterschiedliche Aufgaben und kommen an verschiedenen Orten zum Einsatz. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sie nicht ohne Weiteres substituierbar sind.

«Wenn Es auf der Autobahn mehr Kapazitäten und weniger Stau gibt, wählen die Verkehrsteilnehmer wieder denschnelleren Weg über die Autobahn.»

Und drittens sollte der Verkehr als Gesamtbild verstanden werden, als ein Zusammenspiel der verschiedenen Verkehrsträger mit ihren unterschiedlichen Funktionen. Diese stehen in einer ständigen Wechselwirkung miteinander. Bei den Strassen zeigt sich dies besonders deutlich: Wenn es auf der Strasse einen Engpass gibt, dann wählen viele Verkehrsteilnehmer einen anderen Weg. Staut es auf der Autobahn, so weichen sie auf die Kantonsstrasse aus.

Und umgekehrt: Wenn der Engpass beseitigt wird, es also auf der Autobahn mehr Kapazitäten und weniger Stau gibt, wählen die Verkehrsteilnehmer wieder den einfacheren und schnelleren Weg über die Autobahn, und weichen nicht mehr auf die nachgelagerten Strassen aus. Es kommt also nicht zu mehr Verkehr – er fliesst einfach woanders durch.

Das Beispiel Gubrist zeigt: Es geht ohne Mehrverkehr

Dass es nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zu einer Verschiebung des Verkehrsaufkommens, und nicht zu einer Erhöhung, kommt, zeigen Erfahrungen mit der dritten Röhre des Gubristtunnels im Raum Zürich, welche das Bundesamt für Strassen (ASTRA) im Januar publik gemacht hat. Im Halbjahr nach Inbetriebnahme ging das Stauaufkommen massiv zurück. Im gleichen Zeitraum verzeichneten Strassen, welche als typische Ausweichrouten für den Gubrist gelten, teilweise bis zu 20 Prozent weniger Verkehr pro Tag, während der Verkehr auf der Nordumfahrung Zürich leicht zunahm. Dies zeigt, wie der Verkehr umgelenkt wird.

Entlastung bewohnter Gebiete

Diese Verschiebung des Verkehrs von den Kantons- und Gemeindestrassen hin zu den Nationalstrassen ist besonders für die Siedlungsgebiete von Vorteil. Denn in den bewohnten Gebieten wird durch den Ausbau der Nationalstrassen das Verkehrsaufkommen reduziert. Das bedeutet auch weniger Stau, weniger Lärm und weniger Schadstoffemissionen in den Dörfern und Städten. Und dies bedeutet schlussendlich auch mehr Lebensqualität.

sgv unterstĂĽtzt Ausbauprojekte

Auch aufgrund dieser Entlastungswirkung, welche einen Ausbau der Nationalstrassen für die Siedlungsgebiete mit sich bringt, unterstützt der Schweizerische Gewerbeverband sgv diese Projekte. Sie werden in den Regionen Basel, Bern, Genf-Lausanne, Schaffhausen und St. Gallen zu weniger Stau, flüssigerem Verkehr und einer besseren Lebensqualität führen.

Michèle Lisibach, Ressortleiterin sgv

Meist Gelesen