Publiziert am: 03.05.2024

«Geld fällt nicht vom Himmel»

Finanzen – Der Bundeshaushalt droht in eine massive Schieflage zu geraten. Politiker liefern sich seither einen Überbietungswettkampf im Erfinden neuer Steuern. Vom Sparen hört man wenig. Eine Ausnahme bildet ein Vorstoss von SVP-Nationalrat Lars Guggisberg, welcher die Entwicklungshilfe halbieren will.

Es gibt eine neue olympische Disziplin in der Schweizer Politik. Diese erfreut sich insbesondere seit der Annahme der 13. AHV-Rente einer sehr grossen Beliebtheit. Ihr Inhalt: «Wer bringt eine weitere Steuer- oder Abgabenerhöhung aufs Tapet oder erfindet noch eine verrücktere neue Steuer und übertrumpft damit ein weiteres Mal seine politischen Gegner?»

Es gewinnt derjenige Politiker unter der Bundeshauskuppel, welcher es schafft, die Schweizer KMU, Unternehmer und die arbeitenden Menschen in der Privatwirtschaft vollständig zu Milchkühen zu degradieren.

Goldmedaille ist hart umkämpft

Der Wettkampf ist spannend – Linke und Grüne haben die Nase klar vorn, aber auch EVP und einzelne Angehörige von GLP, Mitte und gar FDP mischen kräftig mit. Es wird hart gekämpft. Jeder Teilnehmer will am Schluss die Goldmedaille.

Der neuste Clou: Ein 15 (!) Milliarden-Paket von Politikern von Mitte-Links für die Nachrüstung der Armee und Entwicklungshilfe an die Ukraine für deren Wiederaufbau. Eine starke Verteidigungsarmee als eine Art «Sicherheits-Versicherung» in Ehren. Aber die vom Saulus zum Paulus gewandelten ehemaligen Armeeschwächer und -abschaffer wollen dieses Paket, welches zwei sachfremde Inhalte miteinander verknüpft, verfassungswidrig an der Schuldenbremse vorbeischmuggeln.

Nach uns die Sintflut, scheint das Motto zu sein. Und wer dachte, das Jonglieren mit unseren Steuermilliarden gehe bald keine Schuhnummer mehr grösser, wird in immer kürzeren Zeitabständen eines Besseren belehrt. Es brechen derzeit alle finanz- und staatspolitischen «Tugend-Dämme».

Wo viel Schatten, da auch Licht

Dies alles vor dem Hintergrund eines bereits jetzt arg in Schieflage geratenen Bundeshaushalts. Bereits 2027 droht ein strukturelles Defizit von drei Milliarden Franken pro Jahr – die Kosten für die 13. AHV-Rente noch nicht eingerechnet. Und obwohl der Bund ein massives Ausgabenproblem hat, hört und liest man derzeit wenig von Einsparungen. Wobei «Sparen» ja nicht einmal das richtige Wort ist. Vielmehr ginge es lediglich darum, weniger auszugeben.

Doch wo viel Schatten, da auch Licht. Eine Idee kommt vom Berner SVP-Nationalrat Lars Guggisberg. Mit einer Motion beauftragt er den Bundesrat, dass die Entwicklungshilfe gegenüber dem heutigen Stand halbiert wird und die dadurch eingesparten Gelder direkt in die Finanzierung der 13. AHV-Rente fliessen. Diese Halbierung würde rund zwei Milliarden Franken für die AHV freimachen.

Die Schweizer Stimmbevölkerung habe mit ihrem deutlichen Ja zu einer 13. AHV-Rente klar zum Ausdruck gebracht, dass es bei den Ausgaben den Fokus wieder mehr auf die Schweiz legen wolle, begründet Guggisberg seinen Vorstoss. «Bereits im Vorfeld der Abstimmung wurde ich unzählige Male auf diesen Umstand angesprochen.»

Nicht immer klar, wo das Geld landet

Dass er gerade bei der Entwicklungshilfe ansetzen will, hat einen Grund: «Die Wirkung von Entwicklungshilfe ist mindestens umstritten. Wie überall gibt es bessere und schlechtere Projekte.» Gleichzeitig sei nicht immer klar, ob die eingesetzten Gelder tatsächlich dort landen würden, wo den ärmsten Menschen geholfen werden kann. «Aus meiner Sicht tut eine Priorisierung auf die funktionierenden Projekte Not. Es braucht nicht über vier Milliarden Franken pro Jahr.» Die Schweiz solle sich bei der Unterstützung von Menschen im Ausland vor allem auf die humanitäre Hilfe konzentrieren – ihrer humanitären Tradition entsprechend.

Seiner Motion räumt Guggisberg intakte Chancen ein. «Ich bin zuversichtlich, dass angesichts des besorgniserregenden Zustands der Bundesfinanzen auch die anderen Parteien endlich merken, dass das Geld nicht vom Himmel fällt und jeder Steuerfranken zuerst verdient werden muss.» Er habe positive Signale aus der FDP und der Mittepartei.

Anteil gebundener Ausgaben senken

Der Bundesrat hat den Handlungsbedarf ebenfalls erkannt. Er hat Anfang März eine externe Expertengruppe eingesetzt, welche eine Aufgaben- und Subventionsüberprüfung durchführen wird. Im Spätsommer sollen Vorschläge vorliegen, wie die strukturellen Defizite beseitigt werden können.

Guggisberg erwartet von der Gruppe insbesondere Vorschläge im Zusammenhang mit der Entflechtung der Ausgaben zwischen Bund und Kantonen. Ausserdem solle sie aufzeigen, wie der ständig steigende Anteil der gebundenen Ausgaben gesenkt werden kann, um den finanzpolitischen Handlungsspielraum wieder zu erhöhen.

Rolf Hug

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