Publiziert am: 07.10.2022

Die Meinung

Bankiervereinigung: mehr als Verwirrung?

Die Meinung

Die Bankiervereinigung reagiert pikiert, wenn man sie – wie aktuell auf «Inside Paradeplatz» – kritisiert (vgl. Seite 1). Dass sie weder einen Dialog mit ihren Anspruchsgruppen sucht noch eine direkte Bitte um Aussprache durch den sgv-Präsidenten beantwortet, wertet die Bankiervereinigung nicht als problematisch. Ist das nur Verwirrung – oder schon mehr?

Im Sommer dieses Jahres erliess die Bankiervereinigung eine Selbstregulierung zu Nachhaltigkeit und eine weitere zur Energieeffizienz von Gebäuden und Hypotheken. Das ist Fakt. Wegen der weitreichenden Konsequenzen solcher Rundschreiben hat der sgv-Präsident seinen Gegenpart in der Bankiervereinigung kontaktiert und um eine Aussprache gebeten. Das ist Fakt. Von der Bankiervereinigung kam bis dato nie eine Antwort. Auch das ist Fakt. Wenn nun genau dieser Verein dem sgv vorwirft, die Öffentlichkeit statt das Gespräch zu suchen: Ist das nur Verwirrung – oder schon mehr?

Mehrere Fragen drängen sich hier auf. Wer reguliert selbstherrlich? Wer bezieht KMU nicht ein? Wer antwortet nicht einmal auf eine Anfrage zur Aussprache? Wer moniert mangelnde Dialogfähigkeit? Die Antwort auf alle diese Fragen lautet: Die Bankiervereinigung. Dass sie dann pikiert darauf reagiert, wenn man sie kritisiert, ist zumindest ein Indiz für pure Verwirrung – oder sogar für mehr?

Worum geht es in diesen Leitlinien? Die eine regelt, wie Banken ihre Kunden in Sachen Nachhaltigkeit beraten sollen. Sie schränken damit die Wahl der Kunden ein. Als Kunde kann man höchstens «neutral» sein. Eine Ablehnung der – teuren – Kriterien der Nachhaltigkeit seitens des Kunden steht nicht zur Auswahl. Die andere regelt die Verbindung von Hypothekenvergabe und Energieeffizienz von Gebäuden. Sie schafft Voraussetzungen für höhere Zinsen für weniger energieeffiziente Gebäude. Und mit ihrer Forderung nach einer Standardisierung der Gebäudeeffizienz-Kriterien geht sie in Richtung einer Geak-Pflicht.

Solche Vorgaben sind aus drei Gründen inakzeptabel. Erstens schränken sie die Wahlfreiheit der Kunden massiv ein. Die Bankiervereinigung will hier Sozialprestige einheimsen. Dafür lässt sie die Kunden bezahlen.

Zweitens besteht für diese Einschränkung und Verteuerung der Leistungen keine gesetzliche Grundlage. Die Bankiervereinigung zitiert nur eine Leitlinie des Bundesrats als Abstützung ihrer Selbstregulierung. Wie jeder, der im allgemeinbildenden Unterricht auch nur einen Tag aufgepasst hat, weiss, gelten im Rechtsstaat nur Gesetze als Regulierungsgrundlagen. Nicht einmal Verordnungen reichen aus, geschweige denn Leitlinien und Imagebroschüren.

Drittens sind diese Richtlinien mit keinem Stakeholder der KMU-Wirtschaft konsultiert worden. Das ist umso verwerflicher, als die Banken um die potenziellen Auswirkungen solcher Leitlinien wissen. Das «Gschichtli», das sie erzählen, wonach die Selbstregulierung nur Privatkunden betreffe, ist wirr. Von den über 600 000 KMU in der Schweiz sind über 450 000 eben das: Privatkunden. Frage deshalb: Wo bleibt hier die von der Bankiervereinigung beschworene Dialogbereitschaft?

Hat die Bankiervereinigung es verpasst, sich über die Grundlagen des eigenen Handelns zu informieren? Hat sie die KMU vergessen, so wie sie den Brief des sgv vergessen hat? Oder herrscht dort nur Verwirrung? Wenn man sieht, wie schnell sie reagiert, wenn es um das eigene Sozialprestige geht, könnte man einen schlimmeren Eindruck gewinnen: Ist sie etwa unredlich?

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