Publiziert am: 21.10.2022

Kein neuer Fichenskandal

E-ID – Der Bundesrat hat die Vernehmlassung zur neuen E-ID eröffnet. Der sgv fordert, dass deren Einführung zu Vereinfachungen bei den Verwaltungsverfahren führt. Eine staatliche Identitätskartei lehnt er jedoch strikt ab – zum Schutz der Privatsphäre. Interessant ist, dass über die verwendete Technologie nichts bekannt ist.

Die elektronische Identität (E-ID) ist nicht zum ersten Mal im Gespräch. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv plädierte für eine E-ID, die von den Behörden auf der Grundlage des Know-hows der Privatwirtschaft eingeführt werden sollte. Der sgv favorisierte diese Lösung, da sie den Vorteil hatte, dass die Privatunternehmen im Rennen um die Realisierung einer E-ID klar auf dem neuesten Stand der Technik waren. Am 7. März 2021 lehnte das Schweizer Volk das Bundesgesetz über die Dienste der elektronischen Identität ab und beendete damit den Versuch, eine E-ID auf der Grundlage des Know-hows privater Unternehmen zu schaffen. Der Souverän hatte kein Vertrauen in eine Lösung via private Unternehmen und drückte sein Misstrauen mit einem Nein-Stimmenanteil von 64,4 Prozent aus.

Nun schlagen die Bundesbehörden eine Lösung vor, die in ihren Händen bleiben soll. Doch worum geht es dabei im Einzelnen? Wie ist es möglich, das Know-how der Privatwirtschaft zu ignorieren? Im erläuternden Bericht heisst es: «Die E-ID soll auf einer staatlich betriebenen Infrastruktur beruhen, die nicht nur zur Ausstellung der E-ID verwendet werden soll, sondern staatlichen und privaten Stellen auch zur Verfügung gestellt werden kann, um andere elektronische Nachweise, wie Strafregisterauszüge, Führerausweise, Hochschuldiplome oder ärztliche Rezepte, auszustellen. Der Ausbau dieses Ökosystems der elektronischen Nachweise kann schrittweise erfolgen.» Der vorgelegte Text enthält keine Einzelheiten über die verwendete Technologie. Das Bundesamt für Polizei (fedpol) wird für die Ausstellung der E-ID zuständig sein. Es kann sie auch widerrufen, insbesondere im Falle einer missbräuchlichen Verwendung. Zu diesem Zweck wird das fedpol ein Informationssystem betreiben und über eine elektronische Schnittstelle kommunizieren. Der Bundesrat muss die Ausführungsbestimmungen erlassen, und zwar über das Format, die Normen und Protokolle, die technischen und organisatorischen Massnahmen für die Datensicherheit, die Schnittstellen, die Rollen und Verantwortlichkeiten der Infrastruktur. Laut dem E-ID-Gesetz, das sich in der Vernehmlassung befindet, erfolgt «der Betrieb der Elemente der Vertrauensinfrastruktur durch eine Leistungserbringerin innerhalb der Bundesverwaltung». Es gibt also keine Informationen über die eingesetzten Technologien und das eingesetzte Know-how. Die Idee dahinter ist, die Opposition schnell dazu zu bringen, die E-ID zu akzeptieren, damit der Prozess der digitalen Transformation endlich über die gesamte Prozesskette hinweg durchgeführt werden kann.

Privatsektor einbeziehen

Der sgv unterstützt in diesem Sinne die rasche Entwicklung der E-ID-Infrastruktur, bezweifelt jedoch, dass die Bundesbehörden in der Lage sein werden, eine sichere und effiziente elektronische Identifikation einzuführen. Der sgv fordert nämlich, dass die digitale Transformation innerhalb der Behörden zu Erleichterungen bei den Verwaltungsverfahren und den Prozessen zur Authentifizierung der Identität führt. In dieser Hinsicht ist dieses E-ID-Projekt ein Eckpfeiler, der so schnell wie möglich auf die Verfahren ausgeweitet werden sollte, die eine Authentifizierung erfordern. Der sgv plädiert daher für eine möglichst rasche Einführung der E-ID mit den technologischen Mitteln, die dem neuesten Stand des Know-hows im Bereich der Authentifizierung entsprechen. Dies setzt voraus, dass die Bundesverwaltung mit dem Privatsektor zusammenarbeitet, damit endlich eine effiziente und sichere Lösung entsteht.

Die Idee eines staatlichen Identitätsportfolios ist hingegen abzulehnen, da die Privatsphäre zu schützen ist. Die staatliche Identitätsmappe würde zahlreiche Identitätsdokumente sammeln, die dann zentral in den Händen der öffentlichen Behörden liegen würden. Nicht nur die Privatwirtschaft kann unsere Daten missbrauchen, sondern auch der Staat, wie der Fichenskandal Ende der 1980er-Jahre in Erinnerung ruft. Rund 15 Prozent der Bevölkerung waren mit Fichen «beglückt» worden, die aufdringliche, veraltete und sogar irrelevante Informationen enthielten. Wir sind gewarnt.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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