Publiziert am: 16.02.2024

Nicht die Produzenten bestrafen

LEBENSMITTELWERBUNG – Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) will die Werbung für süsse, salzige oder fettige Lebensmittel einschränken. Der Schweizerische Gewerbeverband und die Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik (AWMP) werden sich entschieden dagegen zur Wehr setzen.

Weshalb geht die Verwaltung so eifrig gegen die Hersteller von süssen, salzigen und fettigen Lebensmitteln vor? Um die Antwort zu finden, muss man an die Quelle zurückgehen. Die Bundesverwaltung will die Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übernehmen. Die in Genf ansässige Organisation hat neue Richtlinien erlassen, «um Kinder vor der Vermarktung von gesundheitsschädlichen Lebensmitteln zu schützen.» Auf medizinischer Ebene werden Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs durch eine Ernährung mit zu viel Zucker, Salz und Fett begünstigt. Auf ihrer Website betont die WHO: «Allein in Europa sind gesundheitsschädliche Lebensmittel jedes Jahr für mehr als eine Million Todesfälle verantwortlich.» Verglichen mit der Schätzung der Europäischen Kommission von 700 000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr in der EU aufgrund des Rauchens müssen sich die Beamten gedacht haben, dass Naschen genauso gefährlich ist, wenn nicht sogar vielleicht noch schlimmer.

Verantwortungsvolles Verhalten

Wir alle wissen, dass das Leben eines Tages zu Ende geht und dass – je nach den Schwächen unserer Gesundheit – unsere Exzesse sicherlich dazu beitragen werden, dass sich die Waage bei den Todesursachen auf die eine oder andere Seite neigt. Doch sollte man deshalb auf alles verzichten und ein Leben in Askese führen, bloss um länger zu leben? Sicherlich hilft das, aber es liegt in der Entscheidung jedes Einzelnen, ob er oder sie sich jetzt für ein Vergnügen entscheidet, um später eine geringere Belohnung zu erhalten.

Wenn sich die Konsumenten unverantwortlich verhalten, ist es nur logisch, dass sie selbst die Kosten dafür tragen. Fast alles, im Übermass genossen, schadet. Entsprechend gibt es keinen Grund, einen Produzenten zu bestrafen, der ein Produkt verkauft, das nicht exzessiv gegessen werden soll.

Die Konsumenten bestrafen sich selbst. Die Hersteller ihrerseits haben mehrere Initiativen gestartet, um den Zuckergehalt zu senken, wie die Mailänder Erklärung oder die im Jahr 2010 von Lebensmittel- und Getränkeproduzenten initiierte Selbstverpflichtungs-Charta «Swiss pledge» zeigen, und um freiwillige Einschränkungen der Werbung für Kinder einzuführen.

Eine engstirnige Sichtweise

Ein Werbeverbot wird den Konsumenten niemals beibringen, sich ausgewogen zu ernähren und sich ausreichend zu bewegen. Es ist klar, dass manche Menschen nicht jeden Tag Obst und Gemüse essen wollen. Aber das Problem geht noch weiter. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs werden durch eine im wahrsten Sinn übermässig sesshaft gewordene Gesellschaft begünstigt, die oft kaum mehr zu körperlicher Aktivität oder Anstrengung bereit ist.

In ihrer Regulierungswut vergessen Verwaltungen oft, dass bei Gesundheitsproblemen mehrere Faktoren zu berücksichtigen sind: Sei es die Ernährung, die Lebensumstände, die körperliche Aktivität und auch die psychische Verfassung. Niemand kann sich vorstellen, Verkaufsverbotsprogramme für exzessive Konsumenten oder verpflichtende Sportkurse einzuführen. Das würde auf eine schikanöse Diktatur hinauslaufen, die eine umfassende Verhaltenskontrolle mit sich bringen würde.

Infolgedessen bleibt nichts anderes übrig, als die Produzenten zu bestrafen, was in einer zunehmend bevormundenden Gesellschaft nur recht und billig zu sein scheint. Die Verwaltung stürzt sich in diese Lücke, um alles zu schützen, was es zu schützen gibt – und um sich selbst neue Aufgaben zu verschaffen.Mikael Huber, Geschäftsführer AWMP

www.awmp.ch

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