Publiziert am: 06.06.2014

Hofberichterstattung für den Bundesrat?

DIE MEINUNG

Einst war «Die Volkswirtschaft» – eine Publikation des SECO – eine journalistisch angesehene Publikation mit hohem Beachtungsgrad in einer breiten Öffentlichkeit. Dies verdankte die Zeitschrift nicht zuletzt der Tatsache, dass sich die Autoren breit aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Wissenschaft zusammensetzten. Der damalige Chefredaktor hatte den Mut, Themen kontrovers zur Darstellung zu bringen – selbst dann, wenn die Positionen nicht der Haltung des Wirtschaftsdepartements entsprachen.

Seit die Bundes-Postille unter neuer Leitung steht, scheint sich dies geändert zu haben. Zwar klingt die Eigenwerbung auf der Homepage nach wie vor höchst fesch. «Einzigartig» sei man. «Wie in keinem anderen Wirtschaftsmagazin» verfassten «hohe Entscheidträger» Beiträge,

diese seien selbstverständlich «wissenschaftlich geprägt und journalistisch aufgearbeitet».

Was gut tönt, präsentiert sich seit wenigen Monaten in der Realität unter neuer Leitung anders. Zumindest in der kommenden Ausgabe vom 19. Juni 2014, in der gemäss Werbeanriss und Planung prominent «Frauen in der Wirtschaft» thematisiert werden sollen, stellt sich die Frage nach einer Hofberichterstattung für den Bundesrat.

Die angekündigten Themen fokussieren ausschliesslich auf die Verhältnisse in Konzernen und Verwaltung. Der Chefredaktion scheint entgangen zu sein, dass die Universität St. Gallen erst vor wenigen Tagen eine repräsentative Studie zur «Bedeutung und Positionierung von Frauen in Schweizer KMU» publiziert hat. Auf Intervention des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv bequemte man sich immerhin, einen Textbeitrag des grössten Dachverbandes der Schweizer Wirtschaft aufzunehmen.

In unserem Autorenbeitrag zeigten wir auf, dass Unternehmerinnen und KMU-Frauen von der Flexibilität in KMU profitieren, weil dort häufig auch auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen gefunden werden. Eine starre Überregulierung ist demgegenüber Gift. Als anschauliches negatives Beispiel erwähnten wir die vom Bundesrat beschlossenen, seit dem 1. Juni vorgeschriebenen Stillpausen in den Betrieben.

Wir mussten jedoch ernüchtert zur Kenntnis nehmen, dass sich die neue Chefredaktorin weniger journalistischen Kriterien verpflichtet fühlt als vielmehr ihrer langjährigen Vergangenheit als Gewerkschaftsfunktionärin. Da unsere Aussagen offensichtlich den Standards für eine Hofberichterstattung für den Bundesrat nicht entsprechen, wurde der Passus gestrichen. Ebenso gestrichen wurde unsere Kritik an der Chefin des EJPD, die den Lohngleichheitsdialog vorzeitig als gescheitert bezeichnet hat, obwohl die KMU-Wirtschaft die gesetzten Ziele vollumfänglich erreicht hat. Unsere Aussage, wonach damit den KMU-Frauen gegenüber jeglicher Respekt abhanden geht, fiel der Bundeszensur zum Opfer.

Da wirkt es fast nur noch als schlechter Witz, wenn die Chefredaktion auch noch den zeichnenden Autor seitens des sgv bestimmen wollte. Da wir es wagten, an unseren Aussagen festzuhalten, wurde unser Meinungsartikel gänzlich aus dem teuren Hochglanz-Magazin gekippt.

Es scheint, dass echte Frauenförderung in KMU innerhalb der SECO-Hierarchie nicht ins Konzept passt und deshalb gnadenlos zensiert wird. Ebenso stellt sich die Frage, ob sich angesichts dieser journalistischen Fehlleistung der Einsatz von Hunderttausenden von Steuerfranken überhaupt lohnt.

Hans-Ulrich Bigler, Direktor

Schweizerischer Gewerbeverband sgv

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