Publiziert am: 10.01.2014

Von Träumen und der Wirklichkeit

WELTFREIHANDEL – Stärker als von multilateralen Abkommen profitieren Schweizer Unternehmen von bilateralen Freihandelsabkommen wie jenem mit China.

Das sogenannte Bali-Paket für Handelserleichterungen im Zollbereich ist das erste multilaterale Abkommen, das die Welthandelsorganisa­tion (WTO) seit ihrer Gründung im Jahr 1995 unter Dach und Fach gebracht hat. Doch die Meinungen über das Abkommen von Nusa Dua gehen auseinander. Die NZZ bezeichnet das Bali-Abkommen als «Triumph des Multilateralismus», während der «Tages-Anzeiger» das «langsame Sterben der WTO» festzustellen glaubt. Fest steht: Die WTO hat sich im Dezember 2013 trotz allen Widerständen zu einem Ergebnis durchgerungen – seine Bedeutung für die Praxis ist jedoch nicht ganz so klar.

«KLEINERE LÄNDER PROFITIEREN AM STÄRKSTEN VON DER WTO.»

Die Theorie...

Die WTO will den internationalen Handel beflügeln und setzt sich deshalb für die Senkung der Zolltarife und für den Abbau von Bürokratie im Import und Export ein. Ihre 159 Mitgliederstaaten implementieren also Schritte, um jenen Abbau zu erreichen. So weit, so gut. Doch es ist auch ein Ziel der WTO, neue Märkte zu erschliessen, darunter in der Landwirtschaft. Und hier scheiden sich die Geister. Zudem gab es Unstimmigkeiten wegen wirtschaftlicher Sanktionen, Zollbürokratien und des Umgangs mit Entwicklungsländern. Nachdem die Verhandlungen in Bali gut angelaufen waren, kamen sie fast zum Scheitern. Und als sie in der Öffentlichkeit bereits als gescheitert galten, fand man schliesslich doch noch nun zu einem Kompromisspaket. Dieses soll dem weltweiten Handel und der Weltwirtschaft neuen Schub verleihen und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen – so weit die Theorie.

...und die Praxis

Deutsche Ökonomen rechnen mit Mehrexporten von 60 Milliarden Euro; für die Schweiz spricht man von bis zu 25 Milliarden Schweizer Franken zusätzlich pro Jahr. Doch diese Zahlen trügen. Erstens gehen sie davon aus, dass die beschlossenen Liberalisierungen sofort in Kraft treten. Zweitens nehmen sie an, dass alle Länder alle Liberalisierungen umsetzen. Beides stimmt so nicht. Lange Übergangsfristen sowie politisch gewollte Umsetzungen der Abmachungen werden den Nutzen viel kleiner machen.

Trotz der fehlenden Quantifizierung des Nutzens hat Bundesrat Johann Schneider-Ammann eilends die guten Wirkungen für die Schweiz bescheinigt. Simon Evenett, Ökonom an der Universität St. Gallen, stellt dagegen lakonisch fest: «Für die Schweiz bedeutet das Abkommen [von Bali] jedoch keineswegs bessere Exportmöglichkeiten – und auch der Welthandel wird dadurch nicht wesentlich freier.» Doch Evenett sagt auch, warum die Schweiz von der WTO als solcher profitiert: «Gerade Staaten wie die Schweiz brauchen die WTO, denn ihre Regeln schützen sie vor den grösseren Ländern – und verhindern willkürliche Benachteiligung. Diese Länder sind es auch, die am meisten von der WTO profitieren.»

Und die Schweiz?

Für die Schweiz als Exportnation ist der Multilateralismus nicht schädlich. Nicht weniger wichtig aber ist das dichte Netz von Freihandelsabkommen (FHA), das die Schweiz derzeit webt. Schweizer Unternehmen profitieren viel unmittelbarer von den direkten Verträgen mit anderen Ländern als von generellen multilateralen Abkommen. Freihandelsabkommen sind meist viel präziser und praktischer. Deshalb kommt beispielsweise dem FHA mit China eine so grosse Bedeutung zu, das am 6. Juli 2013 unterzeichnet wurde und den Waren- und Dienstleistungshandel sowie den Schutz des geistigen Eigentums umfasst. Damit können Unternehmen konkret etwas anfangen – von der WTO können sie immerhin träumen.

Henrique Schneider

Ressortleiter sgv

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