Publiziert am: 09.12.2022

Bundesrat: Es braucht Fähigkeiten – und Glück

In der Schweizer Politik sind die Personen weniger wichtig als die Institutionen. Damit hebt sich die Schweiz wohltuend ab von anderen Ländern, in denen die persönliche Profilierung von Politikerinnen und Politikern sehr wichtig ist, um an die Macht zu gelangen und an der Macht zu bleiben. Die Schweizer Institutionen sind hingegen so eingerichtet, dass niemand zu viel Macht erhält. So beschränkt die Schweiz die Macht von Menschen über andere Menschen auf das nötigste Minimum. Und maximiert damit die Freiheit der Menschen. Eine Folge dieses Systems von Ausgleich, Machtbeschränkung, Respekt für Minderheiten ist es, dass die Personen in der Politik weniger wichtig sind als die Entscheide. Das ist schön für die Schweiz, und manchmal weniger schön für gewisse Politikerinnen und Politiker – und die Medien.

Bundesratswahlen sind Personenwahlen. Finden sie statt, kompensiert die Schweiz den Mangel an Personalkult. Wochenlang werden die Kandidierenden porträtiert, und sie präsentieren sich selbst in den verschiedensten Medien. Und neben der nötigen kritischen Aufgabe der Medien, zu prüfen, ob die Kandidierenden die Qualitäten haben für das Bundesratsamt, widmet sich die Öffentlichkeit allerlei Privatem, wie der Couch im Wohnzimmer eines Kandidaten. So weit, so harmlos.

Wesentlich wäre aber die Frage, ob die Kandidierenden wirklich fähig sind, das Bundesratsamt auch so zu erfüllen, dass es die Schweiz vorwärtsbringt. Es gibt dazu keine wirklich objektiven Kriterien, und die Auswahl der Kandidierenden wird – durchaus zu Recht – eingeschränkt durch Parteizugehörigkeit, Region, Sprache oder Geschlecht. Wer den Rekrutierungsprozess von Spitzenkräften in der Wirtschaft als Vergleich ansetzt und meint, es müsse in der Politik auch so sein, verkennt erstens den Unterschied zwischen unternehmerischen Strukturen und politischen, und müsste zweitens den Gegenbeweis antreten, dass die Spitzenkräfte in der Wirtschaft weitaus fähiger sind als Mitglieder des Bundesrats. Bei ein paar Managern hätte ich da meine Zweifel, wenn ich das Ergebnis ihrer Entscheide für ihr Unternehmen mit dem vergleiche, was das Ergebnis der Entscheide eines Bundesratsmitglieds darstellt.

Ein Bundesratsmitglied muss meines Erachtens primär zwei Kompetenzen besitzen: Führungsstärke, um das Departement zu führen, sowie Kollegialität, um in einem konkordant zusammengesetzten Bundesrat an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten. Neben mindestens einer anderen Landessprache als der eigenen Muttersprache sollte Englisch ebenfalls in den Rucksack gehören.

Die Wichtigkeit der Anhörungen bei den Fraktionen sollte man nicht unterschätzen. Ein wichtiger Teil der Aufgaben eines Bundesratsmitglieds ist die Arbeit mit den Parlamentsmitgliedern in den Kommissionen. Die, die wählen, wollen wissen, mit wem sie zukünftig gut zusammenarbeiten können und mit wem weniger.

Wir wissen seit Mittwoch, welche zwei Personen in den Bundesrat gewählt wurden. Ob es die richtigen sind, wissen wir dann frühestens Ende 2023, wenn sie wieder gewählt werden müssen. Sie haben ein Jahr Zeit, zu zeigen, dass das Parlament am 7. Dezember 2022 richtig gewählt hat.

* Der Zuger Nationalrat Gerhard Pfister ist Präsident Die Mitte Schweiz.

www.die-mitte.chwww.gpfister.ch

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