Publiziert am: 09.12.2022

Pflicht statt Kür

Stiftungspflichten – Beteiligungsmanagement durch Stiftungen: Wo stehen Stiftungskader in der Haftung? Angesagt ist Managen statt reines Verwalten von Beteiligungen. Der Blick auf die Rendite reicht als Massstab für «good governance» allein nicht aus.

Zum Managementspektrum von Stiftungen gehört grundsätzlich auch das Eingehen von direkten Beteiligungen. Diese können sowohl aus renditemässigen als auch operativen Erwägungen eingegangen werden. Obwohl solche Beteiligungen eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für die einzelne Stiftung haben können, rücken zu beachtende Pflichten in der Beteiligungsbetreuung sowie resultierende Haftungstatbestände aus mangelnder Beteiligungsbetreuung erst langsam in den Fokus. Eine qualitative Prüfung ist (noch) nicht Teil der kommunalen, kantonalen oder eidgenössischen Stiftungsaufsicht.

Beteiligungsmanagement in Stiftungen: Make or Buy?

Direkte Beteiligungen stellen besondere Anforderungen an das Stiftungsmanagement, weil die Steuerung dann eben nicht im Rahmen einer «buy»-Entscheidung die Betreuung z. B. auf ein externes Fonds-Management verlagert bzw. operative Leistungen direkt am Markt eingekauft werden. Direkte Beteiligungen bieten auf der anderen Seite Chancen wie Sichtbarkeit, Steuerbarkeit und natürlich Rendite.

Für die Stiftung ist dies zunächst einmal eine wirtschaftliche Abwägung: Welche Kosten verursacht die Fremdleistung durch Dritte, und würden intern überhaupt ausreichend Kapazitäten für das eigene Managen direkter Beteiligungen zur Verfügung stehen? Und bestehen ausreichende Kompetenzen in der Stiftung selbst? Letztere Punkte werden insbesondere dann relevant, wenn – wie aktuell – besondere wirtschaftliche bzw. konjunkturelle Herausforderungen be- bzw. entstehen. Buy-and-hold-Strategien bei direkten Beteiligungen, die oft in Zeiten hoher Bewertungen eingegangen wurden, sind in der derzeitigen Wirtschaftslage wenig Erfolg versprechend.

In einem ersten Schritt wäre dazu eine Einordnung eingegangener Beteiligung nach deren Gesamtbedeutung für die Stiftung erforderlich, um eine Betreuungswürdigkeit festzustellen. Diese kann sowohl aus den Chancen als auch aus den Risiken abgeleitet werden.

Haftungsrisiken für Stiftungsorgane

Im Schweizer Stiftungsrecht lassen sich zunächst keine direkten Bestimmungen zu den Organpflichten und daraus abgeleitet auch zu möglichen Pflichtverletzungen sowie nachfolgender Haftung entnehmen. Sowohl Rechtsprechung als auch juristische Diskussion zeigen demgegenüber aber einen weitgehenden Konsens, dass Pflichten und Haftung ähnlich wie bei anderen juristischen Personen anzunehmen sind.

Haftung kann sowohl auf der Ebene der Stiftungs-Geschäftsführung, des Stiftungsrates oder auch eines Aufsichtsorgans der Stiftung ausgelöst werden. Dabei ist es eher unerheblich, ob die Tätigkeit ehrenamtlich oder entgeltlich ausgeübt wird.

Selbst bei der Auswahl von Dritten («buy») für das Beteiligungs-managment bzw. die Anlage in Beteiligungen ist eine Haftung grundsätzlich vorhanden, beschränkt sich dann aber auf die pflichtgemässe Auswahl und Überwachung dieses Dritten.

Rendite als hinreichender Massstab für «good governance»?

Als relevanter Massstab, ob eine Beteiligung von der Stiftung adäquat gemanagt wird oder wurde, gilt nicht allein, ob diese eine positive oder negative Rendite erzielt hat («absolute return»). Ein wichtiger Bestandteil bei der Renditeerzielung ist die Entwicklung des relativen Unternehmenswerts. In Zeiten expansiver Zentralbankpolitik sind lange Zeit fast alle Vermögensgegenstände im Wert gestiegen, sodass die absolute Performance ein ungeeigneter Massstab wäre.

Massstab muss also die relative Performance im Vergleich zu einer ähnlichen Anlage sein. Oder bei operativen Beteiligungen ein Kennziffernvergleich und deren Entwicklung im Vergleich mit gleich gelagerten Wettbewerbern.

Fazit: Mindeststandards im Beteiligungsmanagement

Haftung ist auch im Beteiligungs-management durch klares und konsistentes Prozessmanagement sowie fachliche Expertise vermeidbar.

Bezüglich einzuhaltender Mindeststandards ist eine Orientierung an den Institutionen möglich, zu deren Kerngeschäft das Managen direkter Beteiligungen gehört, wie Beteiligungsgesellschaften, Family Offices usw. Zu den von Stiftungen einzuhaltenden Mindeststandards zählt ein eindeutiges Investment- bzw. Asset Allocation-Profil. Ebenso eine Institutionalisierung und damit Zuweisung von Verantwortlichkeiten bei Investmententscheidungen, aber auch der Investmentbetreuung. Sonst ergibt sich ein diffuses Haftungsregime, das für niemanden eine echte Orientierung darstellt.

Bei der Beteiligungsbetreuung hat eine regelmässige Überprüfung von aktueller Übereinstimmung mit dem Investmentprofil sowie der Performance zu erfolgen. Bestandteil ist auch die regelmässige Bewertung der Sinnhaftigkeit oder Notwendigkeit eines Exits, also des Beteiligungsverkaufs. Dieser wiederum hat eine grosse Auswirkung auf das Stiftungsvermögen, das gemehrt werden sollte.

Jörg Richard und Adrian Plüss*

*Prof. Dr. Jörg Richard hat langjährige Erfahrung im Beteiligungs- sowie M&A-Geschäft und berät u. a. Schweizer Family Offices. Er ist Prof. für Finance an einer privaten Hochschule. Dr. Adrian Plüss berät im nationalen und internationalen Unternehmensrecht. Er unterstützt beratend auch gemeinnützige Institutionen und ist erfahrener Stiftungsrat.

Fragen an die Experten unter:

richard@rpe-equity.com oder pluess@lanter.biz

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