Publiziert am: 20.01.2023

Parlament stärkt den sozialen Frieden

SOZIALPARTNERSCHAFT – Nach dem Ständerat hat in der Wintersession nun auch der Nationalrat eine Motion des Obwaldner Ständerats Erich Ettlin angenommen. Sie verlangt, dass Bestimmungen eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrags (ave GAV) zu Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch anderslautenden Bestimmungen der Kantone vorgehen.

Ganz knapp, mit 95 zu 93 Stimmen bei 4 Enthaltungen, hat der Nationalrat in der vergangenen Wintersession der Motion «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» zugestimmt und damit den Entscheid des Ständerats bestätigt. Damit sollen Bestimmungen eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrags (ave GAV) zu Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch anderslautenden Bestimmungen der Kantone vorgehen. Eine breite Allianz aus 27 Wirtschafts- und Branchenverbänden, darunter der Schweizerische Gewerbeverband sgv, hat sich in einer wichtigen Sache durchgesetzt.

Die Motion «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» des Obwaldner Mitte-Ständerats Erich Ettlin verlangt, dass die Bestimmungen eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrags (ave GAV) zu Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch anderslautenden Bestimmungen der Kantone vorgehen. So, wie das vor dem umstrittenen Urteil des Bundesgerichts zum Mindestlohn im Kanton Neuenburg aus dem Jahr 2017 der Fall gewesen ist. Bei allen anderen arbeitsrechtlichen Bestimmungen behalten die Kantone das Recht, selbst in ave GAV einzugreifen.

Kritik nicht nachvollziehbar

Für allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge braucht es den Willen der Sozialpartner, also der Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Zudem prüft das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO gewisse Mindestanforderungen gemäss Bundesgesetz über die Allgemeinverbind-licherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, wie z. B. die Quoren. Am GAV müssen mehr als die Hälfte aller Arbeitgeber und mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer, auf welche der Geltungsbereich des GAV ausgedehnt werden soll, beteiligt sein.

Mit der Allgemeinverbindlich-erklärung eines GAV ist immer auch eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit verbunden. Der in den Medien von Gewerkschaften und Linken geäusserte Vorwurf der «Sabotage der Sozialpartnerschaft» ist entsprechend nicht nachvollziehbar und hält einer näheren Prüfung nicht stand. Ganz im Gegenteil: Hätte das Bundesgericht 2017 den Eingriff des Kantons Neuenburg in vom Bundesrat beschlossene ave GAV nicht geschützt, wäre es wohl nie zu dieser Motion gekommen. Seit diesem umstrittenen Bundesgerichtsurteil ist klar geworden, dass kantonale Massnahmen wie z. B. höhere Mindestlöhne Bestimmungen eines ave GAV aushebeln können. Mit der Annahme der Motion macht dasParlament jetzt deutlich, dass eine Übersteuerung von ave GAV nicht mehr möglich sein darf.

«Die vorliegende Lösung ist ein fairer Kompromiss», sagt denn auch GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer. Er hatte sich stark für den jetzt von den Räten gefällten Entscheid engagiert. «Die Sozialpartnerschaft ist ein Erfolgsmodell und garantiert den sozialen Frieden seit über 100 Jahren. Die allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträge sind ein unverzichtbarer Teil der Sozialpartnerschaft.»

Rechtsunsicherheit beseitigt – Sozialpartnerschaft bewahrt

Tatsächlich muss man sich fragen: Was macht es für einen Sinn, wenn Sozialpartner auf nationaler Ebene Mindestlöhne verhandeln, der Bundesrat diese für allgemeinverbindlich erklärt, dann aber das Verhandlungsergebnis regional unterlaufen wird? Insbesondere überregional agierenden Unternehmen erschwert das die Tätigkeit und führt zu grosser Rechtsunsicherheit für die Unternehmen. Branchen mit ave GAV werden gegenüber denjenigen ohne ave GAV benachteiligt, da sie nicht berücksichtigen, dass ave GAV das Arbeitsverhältnis umfassend regeln und im Gegensatz zu Branchen ohne GAV Mindeststandards sicherstellen, die über die Mindestlöhne hinausgehen.

Das Erfolgsmodell wird bewahrt

Mit der Annahme der Motion durch National- und Ständerat wird auch die bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt. Der Entscheid bewahrt die Sozialpartnerschaft und damit ein Erfolgsmodell, das seit über 100 Jahren den sozialen Frieden in der Schweiz garantiert.

Dieter Kläy,

Ressortleiter sgv

Meist Gelesen