Publiziert am: 20.01.2023

Wichtige Weichenstellungen

BVG-REFORM – Die Differenz­be­rei­nigung zur BVG-Reform muss zeigen, ob es dem Parlament gelingt, sich auf eine Lösung zu einigen, die vor dem Stimmvolk besteht. Auch in einem Wahljahr tut das Parlament gut daran, das Fuder nicht zu überladen.

Der Nebel lichtet sich allmählich. Nach den Beschlüssen des Ständerats steht nun definitiv fest: Der sogenannte «Sozialpartnerkompromiss» ist gescheitert. Das erstaunt wenig. Denn das von Teilen des Arbeitgeberverbandes unterstützte Gewerkschaftsmodell erwies sich bereits in der Vernehmlassung als nicht mehrheitsfähig. Dass es der Bundesrat dennoch ins Parlament trug, spricht für die Überzeugungskraft von Sozialminister Alain Berset, nicht aber für die Stärke und das politische Gespür unserer Landesregierung.

Das Kernelement des sogenannten «Sozialpartnerkompromisses» waren zeitlich nicht befristete, lohnprozentfinanzierte Rentenzuschläge, die die systemfremde Umverteilung in der zweiten Säule markant aus- statt abgebaut hätten. Nach dem Scheitern ihres Modells steht für die Gewerkschaften fest: Die BVG-Reform wird mittels eines Referendums bekämpft, unabhängig davon, was im Parlament noch alles beschlossen wird.

Heikle Ausgangslage

Die eidgenössischen Räte stehen damit vor einer delikaten Ausgangs-lage. Naheliegend wäre es, die Vorlage nun mit Geschenken anzureichern, um die Stimmberechtigten so von einem Ja zu überzeugen. Dumm nur, dass die zweite Säule direkt über die Beitragszahlungen der Betriebe und der Versicherten und nicht über den Staatshaushalt finanziert wird. Dumm deshalb, weil man jede Erhöhung der Lohnabgaben unmittelbar und sehr direkt spürt, währenddem man beim Anwachsen der Staatsausgaben immer noch darauf hoffen kann, dass ein Dritter zur Rechnung gebeten wird. Alles, was man an Geschenken verteilen will, verursacht bei den Begünstigten erst einmal erhebliche Schmerzen und erzeugt demzufolge Ablehnung. Kommt hinzu, dass die Stimmberechtigten den Trick mit den Abstimmungsgeschenken ohnehin meist durchschauen. Gutes Beispiel hierfür war die Altersvorsorge 2020, der auch ein Zückerli in Form eines siebzigfränkigen AHV-Zustupfs nicht zum Durchbruch verhalf.

Die Empfehlungen des sgv

Für den Schweizerischen Gewerbeverband sgv ist klar: Bei den massgeblichen Differenzen, die es bei der BVG-Reform noch gibt, hat sich das Parlament gezielt für die günstigere Variante zu entscheiden. Sonst wird die Vorlage zu teuer, und die meisten Betriebe dürften zum Schluss gelangen, dass keine BVG-Reform letztendlich das kleinere Übel ist als eine zu teure Reform. Und das Gros der Versicherten dürfte ähnlich denken. Letztendlich gewichten spürbar höhere Lohnabzüge mehr als irgendwelche ideologischen Überlegungen oder ferne Rentenversprechen, an die man ohnehin nicht so richtig glauben mag.

Konkret führt das zu folgenden Empfehlungen des sgv ans Parlament:

• Die heutige Eintrittsschwelle ins BVG, die bei 21 510 Franken liegt, ist unverändert beizubehalten. Jede Senkung hat zur Folge, dass viele Geringverdienende neu dem Obligatorium unterstellt werden. Diese können kaum etwas ansparen, verursachen aber hohe Verwaltungskosten und schmälern damit die Wirkungseffizienz der zweiten Säule.

• Den Sparbeginn unverändert bei 25 Jahren belassen. Eine Senkung um fünf Jahre hätte jährliche Mehrkosten von 800 Millionen Franken zur Folge und würde die Reform definitiv zu teuer machen.

• Den Koordinationsabzug bestenfalls moderat senken. Jede Korrektur bei diesem wichtigen Parameter hat im Niedriglohnbereich und bei den Teilzeitbeschäftigten überproportional hohe Mehrkosten zur Folge. Da man hier ausgerechnet jene Betriebe und Beschäftigten am stärksten trifft, die sich höhere Lohnkosten und höhere Lohnabzüge am wenigsten leisten können, gilt es besonders subtil vorzugehen.

• Bei den Massnahmen zugunsten der Übergangsgeneration ist dem Modell des Nationalrats zum Durchbruch zu verhelfen, da dieses kostengünstiger und sachgerechter ist.

Das Fuder nicht überladen

Das Parlament tut bei der BVG-Reform gut daran, das Fuder nicht zu überladen. Ein erneutes Scheitern an der Urne wäre sonst vorprogrammiert. Und damit wäre wirklich niemandem gedient.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

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