Publiziert am: 03.02.2023

Kleinliche Rappenspalterei

AHV-RENTEN – Mitte Jahr soll es eine weitere Erhöhung der AHV-Renten geben. Der Nutzen wäre gering, die Probleme und der Aufwand erheblich.

Was braucht es, damit in der Schweiz ein Gesetz neu geschaffen oder abgeändert wird? Wenig! Nein, extrem wenig! Das zeigt die ausserordentliche Anpassung der AHV-Renten, welche Rot-Grün-Mitte entgegen jeglicher Vernunft im laufenden Jahr durchzwängen will.

Alles bestens oder ...

Was ist geschehen? Nach einer ausgesprochen langen Phase mit einer Null- oder teilweise sogar mit einer Negativteuerung haben die Preise im vergangenen Jahr wieder angezogen. Die Inflationsrate stieg in der Schweiz auf 2,8 Prozent an. Relativ viel für unser Land. Im internationalen Vergleich aber fast gar nichts. Und nur unwesentlich mehr als die 2 Prozent, ab denen die meisten Ökonomen eine Teuerung als problematisch zu erachten beginnen.

Der Bundesrat hat im vergangenen November beschlossen, die AHV-Renten per Anfang dieses Jahres um 2,5 Prozent anzuheben. Er hat sich dabei auf den gesetzlich verankerten und bestens bewährten Mischindex abgestützt, der vorschreibt, dass die AHV-Renten mindestens alle zwei Jahre zur Hälfte an die Teuerung und zur anderen Hälfte an die Lohnentwicklung anzupassen sind. Alles bestens also.

... alles ganz schlimm?

Nein, überhaupt nicht, findet Rot-Grün-Mitte. Es könne nicht angehen, dass die Teuerung um ganze 0,3 Prozent stärker angestiegen sei als die AHV-Renten. Auf eine monatliche AHV-Minimalrente macht das schliesslich satte 3,675 Franken aus. Unerträglich! Rot-Grün-Mitte hat daher mehrere Vorstösse überwiesen, die bei den AHV-Renten – klar im Widerspruch zum geltenden Recht – den vollen Teuerungsausgleich verlangen. Die Kaufkraft der Rentner müsse geschützt werden, koste es, was es wolle.

Die Wahlen vom kommenden Herbst lassen grüssen

Der wahre Treiber hinter diesen undurchdachten Forderungen dürfte ein ganz anderer sein: Im nächsten Herbst stehen wieder eidgenössische Wahlen an. Und da können ein paar populistisch motivierte Wahlkampfgeschenke sicher nicht schaden. Schliesslich sind die Wähler (vermeintlich) so dumm, dass sie nicht merken, dass sie die Geschenke, die ihnen die Politiker bereiten, selbst bezahlen müssen.

Auch hier gilt: There’s no free lunch. Doch die Sache ist noch schlimmer. Solche unsinnigen Umverteilungsübungen verursachen immer auch einen hohen Verwaltungsaufwand – der ebenfalls durch die Steuer- und Beitragszahler finanziert werden muss.

Nicht gesetzeskonform

Wie gesagt: Das Anliegen von Rot-Grün-Mitte ist nicht gesetzeskonform. Das hat zur Folge, dass die Bundesverwaltung nun im Eilverfahren eine Gesetzesrevision vorbereiten muss, die in den Kommissionen vorzuberaten und in der anschliessenden Märzsession von beiden Räten zu verabschieden ist. Bereits das ist ein erheblicher und teurer Mehraufwand. Aber schliesslich geht es ja darum, bei der AHV-Minimalrente 3,675 Franken zusätzlich zu kompensieren. Dass diese Kompensation bloss zeitlich befristet erfolgen soll, ist aus Sicht der Befürworter völlig nebensächlich.

Eine unterjährige Rentenanpassung schafft viele Unsicherheiten und neue Probleme. So sind etwa wichtige BVG-Grenzwerte oder die Maximalbeträge für Einzahlungen in die Säule 3a an die AHV-Minimalrente gekoppelt. Müssen diese Grenzwerte nun auch unterjährig angepasst werden, und gelten sie dann nur einen Bruchteil des Jahres oder fürs ganze Jahr? Fragen über Fragen. Aber es geht ja schliesslich um 3,675 Franken.

Kommt hinzu, dass der AHV schlicht die Mittel fehlen, um ausserordentliche Leistungsanpassungen zu finanzieren. Trotz AHV 21 steuert die staatliche Altersorge auf gewaltige Defizite zu. Jede unbedachte Mehrausgabe destabilisiert unser wichtigstes Sozialwerk zusätzlich.

Armut droht? Wohl kaum!

Verschwiegen wird auch, dass die AHV-Rentner in den letzten fünfzehn Jahren massiv vom Mischindex profitiert haben. Die Renten wurden deutlich stärker erhöht als die Preise. Die Kaufkraft der Rentner ist damit sukzessive gestiegen. Wenn in einem einzigen Ausnahmejahr in bescheidenem Umfang das Gegenteil eintrifft, wird das niemanden in die Armut treiben.

Noch bleibt ein Funken Hoffnung: das Parlament kann dem ganzen Spuk ein Ende bereiten, indem es die anstehende Gesetzesrevision bachab schickt. Auch Politikern ist es nicht verboten, schlauer zu werden.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

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