Publiziert am: 24.03.2023

Man reibt sich die Augen

HÖHERE BERUFSBILDUNG – Trotz einstimmigem Antrag seiner vorbe­raten­den Kommission auf Zustimmung hat es der Ständerat abgelehnt, die Abschlüsse der höheren Berufsbildung mit den Titeln «Professional Bachelor» respektive «Professional Master» auf­zuwerten.

Bundesrat und Sozialpartner waren sich im November vergangenen Jahres am Spitzentreffen der Berufsbildung einig: Sie verabschiedeten ein Massnahmenpaket zur besseren Positionierung der Höheren Fachschulen. Dieses umfasst unter anderem die Umsetzung eines Bezeichnungsschutzes der Institution «Höhere Fachschule», die Prüfung des Titels «Professional Bachelor» sowie eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Akteuren der höheren Berufsbildung und jenen der Hochschulen.

Förderung der gesamten höheren Berufsbildung

Insgesamt geht es um die Förderung der höheren Berufsbildung, und damit auch um die Berufsprüfungen und die höheren Fachprüfungen. Die Höheren Fachschulen HF als Teil der höheren Berufsbildung sollen weiterhin Berufsleuten ohne Maturität eine Höherqualifizierung auf Tertiärstufe (Tertiär B) ermöglichen und die Wirtschaft mit Fach- und Führungskräften versorgen.

Die unmittelbare Orientierung der Abschlüsse an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts ist ein Markenzeichen der HF. Das praxisorientierte Profil soll erhalten bleiben. Diese Massnahme ist insbesondere vor dem Hintergrund des sich immer noch verschärfenden Fachkräftemangels von besonderer Wichtigkeit. Die höhere Berufsbildung muss sichtbarer und bekannter gemacht werden.

Motion Aebischer als guter Ansatz

Bereits vor drei Jahren hatte der Berner SP-Nationalrat Matthias Aebischer eine Motion eingereicht, die den Bundesrat beauftragt, die Abschlüsse der höheren Berufsbildung aufzuwerten, indem jene modernen Titelbezeichnungen gesetzlich verankert werden, welche die Titel- und Niveauäquivalenz mit anderen Titelbezeichnungen im In- und Ausland herstellen: «Professional Bachelor» respektive «Professional Master».

Mit 129 zu 54 Stimmen hat der Nationalrat die Motion überwiesen. Der Ständerat hingegen brachte es fertig, trotz einstimmigem Antrag seiner vorberatenden Kommission auf Zustimmung (12 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung) das Geschäft abzulehnen. Man reibt sich die Augen. Offenbar haben die Hochschulen und Universitäten, die sowieso von Bund und Kantonen mit genügend finanziellen Mitteln versorgt werden, erfolgreich lobbyiert. Der Berufsbildung führt der unverständliche Entscheid einen grossen Schaden zu.

Neuer Anlauf mit Motion Jauslin

Einen neuen Anlauf nimmt nun der Aargauer FDP-Nationalrat und Gewerbetreibende Matthias Jauslin mit der Motion «Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung». Wie immer auch die Mitglieder von National- und Ständerat sich entscheiden werden, die Aufträge aus dem Spitzentreffen Berufsbildung bleiben bestehen.

Fachkräftemangel breit bekämpfen

Derzeit verlassen mehr Arbeitskräfte den Arbeitsmarkt als neue dazustossen. Dieser Zustand bleibt in den nächsten zehn Jahren bestehen. Der Fachkräftemangel muss deshalb von verschiedenen Seiten angegangen werden, vor allem aber mit einer Stärkung der Berufsbildung und der höheren Berufsbildung.

Immerhin wurde mit einer Revision des Ausländer- und Integrationsgesetzes in der kürzlich zu Ende gegangenen Frühjahrssession ein erster Schritt gemacht. Ausländische Fachkräfte mit einem Schweizer Abschluss auf höherer Bildungsebene sollen nach Ende ihrer Ausbildung hier arbeiten können – auch wenn sie nicht aus dem EU/EFTA-Raum stammen.

Von einer Ausnahmeregelung im Drittstaaten-Kontingent profitieren Personen in Bereichen mit ausgewiesenem Fachkräftemangel, wenn deren Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist. Diese Ausnahme soll Absolventinnen und Absolventen von Bildungsgängen der gesamten Tertiärstufe betreffen, auch Personen mit eidgenössischem Fachausweis, eidgenössischen Diplomen sowie Abschlüssen von höheren Fachhochschulen wie etwa einer Hotelfachschule.

Immerhin ist das ein erster Ansatz. Dies ändert aber nichts an der Notwendigkeit, die höhere Berufsbildung wirksam zu stärken.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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