Publiziert am: 14.04.2023

«Anforderungsprofile gut etabliert»

ANFORDERUNGSPROFILE – Das Interesse an den «Berufswahlvorbereitungsinstrumenten» ist gross – sie werden rege genutzt und anforderungsprofile.ch wurde letztes Jahr über 1,4 Millionen Mal aufgerufen. Neu ist die Orientierungshilfe, gerade was die sogenannten Soft Skills betrifft, noch benutzerfreundlicher geworden.

Die Anforderungsprofile sind nach über zehn Jahren gut etabliert. Mit den über 230 Berufen, deren schulische Anforderungen ausgearbeitet wurden, können etwa 96 Prozent der Lehrverhältnisse abgedeckt werden. Dies zeigt sich auch bei der Nutzung: Eine Hochrechnung zeigt, dass die Website anforderungsprofile.ch ca. 1,4 Millionen Mal pro Jahr aufgerufen wird. Dies zeigt deutlich, dass die Anforderungsprofile zu einer wichtigen Orientierungshilfe im Berufswahlprozess geworden sind. «Wir ziehen eine positive Bilanz. Die Anforderungsprofile werden vielseitig eingesetzt, sowohl in Schulen und Betrieben als auch in der Forschung», stellt Philine Lehner, Projektleiterin im Büro für Bildungsfragen in Thalwil (ZH), fest: «Wir wissen aus Gesprächen mit Unternehmen, dass sie die Anforderungsprofile nutzen.» Auch gemäss einer Studie der Uni Basel sind die Anforderungsprofile im Berufswahlunterricht ein beliebtes Instrument. «Berufsberatende erachten sie als wichtig, um die verschiedenen Anforderungen einzelner Berufe aufzuzeigen und zu vergleichen», so Lehner.

Standortbestimmung im Berufswahlprozess

Die Anforderungsprofile stellen die schulischen Anforderungen dar, wie sie in intensiver Zusammenarbeit mit über 500 Bildungsexperten aus Schulen und Berufspraxis erarbeitet wurden. Sie beinhalten die für die ganze Schweiz geltenden Bildungsziele und umfassen 21 Kompetenzbereiche in den vier Fachbereichen Mathematik, Naturwissenschaften, Schulsprache und Fremdsprachen. Denn es lässt sich in diesen Kompetenzbereichen nicht alles in Tests messen. Dazu Michèle Lisibach, Ressortleiterin sgv: «Mit den Anforderungsprofilen ist der Vergleich diverser Berufe möglich und so geben diese Orientierungshilfen ein deutlich umfassenderes Bild der schulischen Anforderungen ab – dies insbesondere zusammen mit den Anforderungsbeschreibungen.» Jedes Profil wird anhand gewisser «Ankerberufe» eingestuft. «Dies bedeutet, dass die Grafik, welche die Anforderungen für einen Beruf wiedergibt, nicht nur anzeigt, welche Fähigkeiten in einem bestimmten Beruf wichtiger und weniger wichtig sind. Sie gibt auch an, ob beispielsweise Mathematik bei der Zimmerin stärker oder weniger stark gewichtet wird als beim Fachmann Gesundheit», konkretisiert Lisibach. Die Schülerinnen und Schüler erhalten aber nicht nur eine erste Orientierung über die unterschiedlichen Berufe, sondern auch Hinweise, wo sie sich für ihren gewünschten Beruf noch verbessern können und vor allem auch, ob sie sich auch verbessern wollen.

«Anforderungsprofile helfen, die frühzeitige Auflösung von Lehrverträgen zu vermeiden.»

Gemäss Lehner werden die Anforderungsprofile am häufigsten gegen Ende des Berufswahlprozesses eingesetzt: «Schülerinnen und Schüler können dann gezielter die Anforderungen einzelner Berufe vergleichen und mit den eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten abgleichen. Dabei erhalten sie auch gleich Hinweise darauf, wo sie sich bis zum Lehrbeginn noch verbessern können und wollen.» Auch beim Schreiben von Bewerbungen können die Anforderungsprofile unterstützen, beispielsweise dann, wenn der Wortschatz des Berufs noch unbekannt ist. «Vor allem die Anforderungsbeschreibungen sind dabei zentral, den Schülerinnen und Schülern die adäquate Sprache für die Bewerbung näherzubringen», stellt Lehner fest. Ein weiteres Plus ist, dass die Anforderungsprofile schulische, körperliche und persönliche Anforderungen kombinieren und somit eine ganzheitliche Beurteilung ermöglichen. Dies ist auch eine der Eigenschaften, die für die Organisationen der Arbeitswelt OdA von Bedeutung ist. «Die OdA schätzen, dass anforderungsprofile.ch auch kleineren und weniger bekannten Berufen die Möglichkeit bietet, sich den künftigen Lernenden zu präsentieren», weiss Lisibach. Die OdA können mit den Anforderungsprofilen nämlich einerseits Bildungsmarketing betreiben, andererseits trägt die realistische Darstellung der Anforderungen ihrer Berufe dazu bei, dass angehende Lernende eine realistische Vorstellung des Berufs haben. «Damit helfen sie die frühzeitige Auflösung von Lehrverträgen zu vermeiden», betont Lehner.

Berufe noch greifbarer machen

Im Juni 2021 haben die Anforderungsprofile ein neues Design und eine neue Funktion erhalten und sind noch benutzerfreundlicher geworden. Dadurch hat sich vor allem der Vergleich verschiedener Berufe wesentlich vereinfacht. «Die neue Funktion – also die körperlichen und persönlichen Anforderungen – die wir seither abbilden, helfen, die Berufe besser greifbar zu machen. Denn hierbei handelt es sich um Soft Skills, die oft einen einfacheren Zugang zu den Berufen ermöglichen als die eher trockenen schulischen Anforderungen», erklärt Lisibach. Ausserdem sind die Beschreibungen neu in männlicher und weiblicher Form verfügbar. «Dies soll den Mädchen dabei helfen, sich leichter in einen «Männerberuf» hineinversetzen zu können, und umgekehrt bei den Jungen mehr Interesse an ‹Frauenberufen› schaffen», so die Bildungsfachfrau.

Die Anforderungsprofile werden laufend weiterentwickelt. Denn so wie sich der Markt ständig wandelt, so passen sich auch die Berufe stets den neusten Entwicklungen an. «Für die nächste Zeit arbeiten wir vor allem an der Ergänzung der körperlichen und persönlichen Anforderungen für alle Berufe», erklärt Lehner und Lisibach doppelt nach: «Wir müssen auch mit den Anforderungsprofilen immer am Ball bleiben, um die Anforderungen der Ausbildungsberufe immer aktuell und adäquat abbilden zu können – denn anforderungsprofile.ch soll noch bekannter und die Profile so gut wie möglich vervollständigt werden.»

Corinne Remund

ANforderungsprofile KURZ ERKLÄRTWer steht hinter den Profilen?

Erkunden und vergleichen

Die Anforderungsprofile

• sind auf www.anforderungsprofile.ch abrufbar.

• zeigen minimale schulische Anforderungen für den Einstieg in eine berufliche Grundbildung.

• zeigen, auf welche Art und Weise schulische Kompetenzen in einer beruflichen Grundbildung gebraucht werden.

• sind Orientierungshilfen im Berufswahlprozess.

• sind die Grundlage für das Gespräch zwischen Berufswählenden und den Eltern, Lehrpersonen, Berufsberaterinnen und Berufsberatern sowie Lehrbetrieben.

• ermöglichen die frühzeitige, gezielte Förderung.

• sollen Schülerinnen und Schüler motivieren, sich optimal auf den Berufseinstieg vorzubereiten.

• dienen nicht der Selektion, sind kein Testsystem.

Wer steht hinter den Profilen?

Vor rund 10 Jahren hat der Schweizerische Gewerbeverband sgv zusammen mit der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK das Projekt «schulische Anforderungsprofile für die berufliche Grundbildung» lanciert. Seither haben fast alle Organisationen der Arbeitswelt (OdA) mit Fachleuten aus ihren Berufen und der Schulwelt die schulischen Anforderungen in den vier Fachbereichen (Mathematik, Naturwissenschaften, Schulsprache und Fremdsprachen) erarbeitet. So sind 230 Anforderungsprofile von EBA und EFZ Grundbildung entstanden, die auch miteinander verglichen werden können. CR

www.anforderungsprofile.ch

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