Publiziert am: 28.04.2023

«Schnell, effizient und günstig»

ZAHLUNGSVERKEHR – Dank Instant Payments müssen Schweizer KMU künftig weniger lange auf ihr Geld warten. Überweisungen in Echtzeit werden beim Rechnungssteller innert Sekunden gutgeschrieben. «Das wird die QR-Rechnung noch interessanter machen», sagt Beni Schwarzenbach.

Schweizerische Gewerbezeitung: Seit September 2022 versenden Schweizer Firmen ihre Rechnungen mit QR-Codes. Wie hat sich die Neuerung bisher etabliert?

Beni Schwarzenbach: Die Einführung der QR-Rechnung verlief überraschend geräuschlos. Die grossen Rechnungssteller haben rechtzeitig umgestellt. Etwas holpriger verlief die Umstellung bei kleineren KMU, Selbstständigen oder Vereinen. Einige versenden weiterhin alte Einzahlungsscheine oder verwenden schlechte Programme, die fehlerhafte Swiss QR-Codes erzeugen. Die SIX Group hat einige Monate nach der Umstellung festgestellt, dass ca. 300 000 Zahlungen pro Tag bei der Post und bei Banken nicht verarbeitet werden können. Das sind etwa zehn Prozent aller Zahlungen. Inzwischen dürfte sich die Situation etwas verbessert haben.

Einige Rechnungssteller sind dazu übergegangen, gar keinen Beleg mehr mit der Rechnung mitzuschicken. Dies geht zulasten der Rechnungsempfänger, die dann nicht mehr am Schalter zahlen können oder im Onlinebanking alle Angaben abtippen müssen. Dabei lohnt sich der Einsatz der QR-Rechnung, da sie wahrlich eine eierlegende Wollmilchsau ist: Sie bedient die alten Kanäle, wie den Postschalter, genauso wie die digitalen. Sowohl die Erstellung wie auch der Bezahlprozess sind unschlagbar effizient. Sie funktioniert auch als elektronische Rechnung problemlos – und ist für Rechnungssteller erst noch viel günstiger als die eBill, Kreditkarten oder andere Verfahren.

Sofern ein Rechnungssteller den richtigen Service wählt, erstellt er nicht nur saubere, komplette QR-Rechnungen, sondern spart auch Zeit. Ich staune immer wieder, wie viele Geschäftsinhaber Rechnungen mühsam mit Word «zusammenbasteln» und dabei viel Zeit verlieren, nur um ein paar Franken für einen gescheiten Service zu sparen.

Schon steht die nächste Neuerung im Haus: Ab August 2024 kommen sogenannte Instant Payments ins Spiel. Was muss man sich darunter vorstellen?

Heute benötigt eine Banküberweisung mehrere Tage, bis die Gutschrift beim Empfänger ankommt. Instant Payments bezeichnen Überweisungen in Echtzeit, d.h. sie werden beim Rechnungssteller innert Sekunden gutgeschrieben. Das wird die QR-Rechnung noch interessanter machen. In Kombination mit Instant Payments wird sie für Onlineshops, den Detailhandel und die Gastronomie das effizienteste und günstigste Verfahren sein.

Länder wie Grossbritannien, Schweden oder Australien setzen schon seit Jahren auf Instant Payments. Weshalb kommt diese Zahlungsmethode so spät in die Schweiz?

Für einmal war die Schweiz als Pionierin vielleicht etwas zu früh dran: 1987 führte die Schweiz das Bank-an-Bank Zahlsystem «SIX Interbank Clearing» ein. Damit war die Schweiz das erste Land, das Banküberweisungen elektronisch abwickelte. Damals waren Echtzeitüberweisungen aus technischen Gründen noch nicht möglich. Länder, die solche Systeme später eingeführt haben, hatten andere Voraussetzungen und konnten von Beginn weg Echtzeitüberweisungen entwickeln. Die Schweiz aber hat sich erst mal auf ihrem bestehenden System «ausgeruht». Es gab auch keinen Druck aus der Wirtschaft. Nun hat die Schweizerische Nationalbank das Heft in die Hand genommen.

Welche Vorteile ergeben sich aus Instant Payments für Schweizer KMU?

Sie müssen künftig weniger lange auf ihr Geld warten. Das ist insbesondere dann von Vorteil, wenn für eine Bestellung Vorauskasse geleistet werden muss oder es sich um ein Zug-um-Zug-Geschäft handelt, zum Beispiel an der Ladenkasse. Dadurch wird es das Durcheinander an Anbietern und Zahlverfahren wie Apple Pay, Samsung Pay usw. nicht mehr brauchen. Der Hauptgrund, solche Verfahren zu verwenden, liegt ja gerade in der Überbrückung der Zeitlücke, die bei Banküberweisungen entsteht. Dafür kassieren diese Anbieter Gebühren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Detailhandel, die Onlineshops und die Gastrobranche merken, dass die QR-Rechnung als omnipotentes Verfahren das einzige ist, das sie wirklich brauchen. Die Intermediäre, die einen Anteil vom Umsatz als Gebühren abzweigen, werden damit überflüssig. Diese Entwicklung sehen wir in Ländern, in denen Instant Payments bereits etabliert sind, beispielsweise in Grossbritannien.

Können Sie heute schon das mögliche Einsparpotenzial abschätzen, das sich aus Instant Payments ergeben kann?

Das lässt sich nicht exakt beziffern. Es hängt auch davon ab, ob die Banken für Instant Payments Gebühren verlangen werden und wem sie diese belasten. Die Kommissionen für Händler bewegen sich bei TWINT, MasterCard oder VISA im Bereich von 1,3 bis 2 Prozent des Buchungsbetrages. Hinzu kommen Onboarding- und fixe Grundgebühren. Gerade für kleinere Firmen fallen diese Kosten stark ins Gewicht.

Worldline zum Beispiel, der mit dem Saferpay-Angebot einen hohen Marktanteil bei den Online-Bezahllösungen in der Schweiz hat, verlangt zusätzlich zu den umsatzabhängigen Kommissionen jährliche Fixgebühren in der Höhe von mindestens 600 Franken. Die QR-Rechnung fehlt bei Worldline als Bezahloption.

Für welche Branchen eignet sich das neue Zahlverfahren besonders?

Es gibt keine Einschränkungen, die die QR-Rechnung für einzelne Branchen attraktiver machen und für andere weniger. Die QR-Rechnung kann als günstiges, omnipotentes Verfahren überall eingesetzt werden. Das ist ihre Stärke.

Der Swiss QR-Code könnte sogar auf Flyern und Plakaten von Spendenorganisationen gedruckt werden, damit die Leute unkompliziert spenden können. Er könnte auch den Strichcode auf Produkten im Laden ersetzen und so ganz neue Möglichkeiten beim Self-check-out eröffnen. Diese Anwendungen haben wir bisher aber nicht gesehen.

Mit Bezahllösungen wie Apple Pay, Samsung Pay, TWINT usw. können heute schon Zahlungen in Echtzeit an den Empfänger übermittelt werden. Weshalb braucht der Markt zusätzlich eine neue Zahlungsmöglichkeit?

Er braucht nicht eine zusätzliche Option, sondern generell nur eine. Ich vergleiche den Zahlungsverkehr gerne mit dem Schienennetz: Eine Infrastruktur, die alle Bedürfnisse abdeckt, reicht völlig. Es würde keinen Sinn machen, wenn jede Eisenbahngesellschaft ihre eigenen Schienennetze für dieselben Strecken bauen würde.

Die QR-Rechnung hat den Vorteil, dass sie alle Kanäle bedienen kann und für Rechnungssteller die mit Abstand günstigste Variante ist. Heute haben alle ihre Mobile-Banking-App auf dem Smartphone dabei, um sie bezahlen zu können. Andere Bezahlapps werden dadurch überflüssig. Schlussendlich wird der Markt entscheiden, welches Verfahren sich durchsetzt oder ob mehrere Verfahren koexistieren können.

Sind Twint und Co. damit bald einmal Geschichte?

Das ist schwierig zu sagen. TWINT hat gegenüber anderen Anbietern sicherlich den Vorteil, bereits stark verankert zu sein und bietet auch diverse interessante Zusatzfunktionen. Die Möglichkeit, unter Freunden Geld nur anhand der Telefonnummer überweisen zu können, ist genial. Dass TWINT für Geschäftstransaktionen einen eigenen QR-Code entwickelt hat, hingegen weniger.

Mehr Anbieter bedeuten auch mehr Innovation: Welches Risiko besteht für den Zahlungsverkehr, falls Instant Payments sich gegen die Konkurrenz durchsetzen können?

Ich sehe grundsätzlich kein Risiko für den Zahlungsverkehr wegen Instant Payments. Natürlich kann es zu Systemunterbrüchen kommen, sodass sich Zahlungen verzögern. Ein solches Risiko haben alle elektronischen Verfahren. Es tritt zum Glück nur sehr selten ein.

Im Rahmen der Strategie «Digitale Schweiz» fördert der Bund das Verfahren eBill. Weshalb setzen die Behörden nicht auch auf QR-Rechnungen?

Weil sich mit der QR-Rechnung nicht so viel Geld verdienen lässt wie mit der eBill. Die eBill hat gewiss auch starke Argumente, z.B. eine hohe Zahlungsmoral durch die Rechnungsempfänger oder Funktionen wie z.B. die Dauerfreigabe, die das Lastschriftverfahren (LSV) ersetzen wird.

Die Zahlungsmoral bei QR-Rechnungen, die per E-Mail verschickt werden, ist noch nicht befriedigend. Die Kunden haben sich noch nicht an Rechnungen im E-Mail-Posteingang gewöhnt.

Mir ist aber unklar, wie der Bund die Strategie durchsetzen will. Können wir die Bundessteuern bald nur noch per eBill bezahlen? Dann müssten alle Steuerzahler Onlinebanking nutzen. Es ist mir schleierhaft, wie dies durchgesetzt werden sollte. Diese Frage müssten Sie der Bundeskanzlei stellen, die die Strategie «Digitale Schweiz» erstellt hat.

Interview: Gerhard Enggist

ZUR PERSON

Beni Schwarzenbach war 2019–2020 Projektleiter zur QR-Rechnung bei der SIX Group AG. Heute leitet er QR Modul, einen Webservice zur Erzeugung von QR-Rechnungen.

www.qrmodul.ch

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