Publiziert am: 16.06.2023

Der Elektroantrieb und seine Zukunft

Antriebsformen – Bei uns ist der Elektroantrieb beschlossene Sache. Doch es gibt unterschiedliche Arten und nicht jede Form stösst auf Gegenliebe. Was sich neben dem Batterieantrieb letztlich durchsetzen wird, ist noch unklar.

Die Elektrifizierung des Strassenverkehrs ist im vollen Gange – zumindest in den Ländern, in denen das möglich ist, also grob gesagt in West- und Zentraleuropa, in Kalifornien und einigen Metropolen in China. Stellt man sich das auf einer Weltkarte vor, wird klar: Der Bereich, in dem die Elektromobilität auch in Jahren noch kein Thema sein wird, ist erdrückend gross. In diesen Gebieten könnten mittelfristig E-Fuels (vgl. Seite 19) oder Treibstoffe aus Biomasse eine Lösung sein.

In unseren Breitengraden ist der Elektroantrieb hingegen beschlossene Sache: Er dominiert die Schlagzeilen, ist in fast jeder Autoneuheit verbaut und wird generell als Antriebsform der Zukunft angesehen. Doch es gibt unterschiedliche Konzepte.

Meist Lithium-Batterien

Die allermeisten Elektroautos sind mit einem batterieelektrischen Antrieb ausgestattet. Das bedeutet: Der Strom wird in einer grossen Batterie im Fahrzeug gespeichert und treibt von dort aus den Elektromotor (oder mehrere) an. Dabei werden meist Lithium-Batterien eingesetzt, mehrheitlich als Lithium-Ionen- und seltener als Lithium-Polymer-Akkus. Diese unterscheiden sich durch die Art des Elektrolytmaterials (flüssig oder gelförmig) und weisen unterschiedliche Vor- und Nachteile auf.

Diese Batterien sind aber auch die Schwachstelle des Elektroantriebs: Ihre Herstellung ist noch sehr teuer, die Gewinnung einiger Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt sind aus Umwelt- und Menschenrechtsgründen problematisch und ihre Energiedichte ist nicht sehr hoch. Für eine hohe Reichweite benötigt man also eine riesige, schwere und kostspielige Batterie.

Entwicklung läuft auf Hochtouren

Doch in der Batterietechnik tut sich was. Die schon länger angekündigte Feststoffbatterie soll nun bald in Serienautos eingesetzt werden – eine Lithium-Batterie ohne flüssige Elektrolyte, die dadurch mehrere Vorteile gegenüber der Lithium-Ionen-Batterie aufweist. Sie kann nicht auslaufen und somit auch nicht in Brand geraten, ist weniger temperaturempfindlich und benötigt keine besonders hohen Schutzmassnahmen. Sie soll ausserdem deutlich höhere Reichweiten und kürzere Ladezeiten ermöglichen. Ebenfalls in der Entwicklung sind Lithium-Sauerstoff-Batterien, die eine wesentlich höhere Energiedichte aufweisen als Lithium-Ionen-Akkus und somit eine viel höhere Reichweite ermöglichen könnten.

Eine Batterie mit sehr hoher Energiedichte hat vor Kurzem das chinesische Unternehmen CATL vorgestellt. Die sogenannte «Condensed Battery» soll auf Zellebene 500 Wh Energie pro Kilogramm Gewicht fassen können, was in etwa eine Verdopplung der aktuell gängigen Werte ist. Möglich wird die extreme Energiedichte durch kondensierte, hochleitfähige biomimetische Elektrolyte. Diese Batterietechnik soll dank des günstigen Verhältnisses von Gewicht zu Kapazität nicht nur in Autos eingesetzt werden, sondern sogar für Elektro-Flugzeuge geeignet sein. Die Massenproduktion der E-Auto-Variante der Batterie soll noch in diesem Jahr starten.

Tauschboxen fĂĽr Batterien

Einige Autohersteller wollen das Problem der Batterie mit einem Austauschsystem lösen. Das Konzept: Leere Batterien werden an vollautomatischen Wechselstationen durch volle ausgetauscht. Das klingt nach Zukunftsmusik, ist aber längst Realität. Nio bietet seinen Kunden in China bereits seit 2018 solche «Power Swap»-Stationen an, andere Hersteller wie Geely und MG haben nachgezogen. Der komplett ablaufende Wechselvorgang soll laut Hersteller nur etwa fünf Minuten dauern. Mittlerweile betreibt Nio über 860 Wechselstationen in der Volksrepublik, weltweit sollen es rund 1200 sein.

Auch in Europa ist der Elektroautohersteller daran, ein Netz solcher Tauschboxen aufzubauen – in Norwegen gibt es bereits 20 Wechselstationen, in Deutschland immerhin schon zwei. Andere Länder sollen nach und nach hinzukommen. Auch Hyundai-Tochter Genesis arbeitet an einem solchen System, das sich allerdings noch in einer internen Testphase befindet.

Umständlich und umstritten

Auch Wasserstofffahrzeuge sind Elektroautos, der Strom dafür wird aber direkt an Bord in einer Brennstoffzelle durch die Elektrolyse von Wasserstoff erzeugt. Die Herstellung des gasförmigen oder flüssigen Wasserstoffs ist sehr energieaufwendig, was von Kritikern gerne als Killerargument angeführt wird. Doch wird dazu «grüne» Energie verwendet, relativiert sich das. Diese Antriebsform dürfte in Zukunft vor allem im Schwerverkehr eine bedeutende Rolle spielen, doch es gibt auch Autohersteller, die fest an den Wasserstoff glauben.

Aktuell sind zwei Personenwagen mit Wasserstoffantrieb auf dem Markt: der Toyota Mirai und der Hyundai Nexo. Der Stellantis-Konzern setzt auf leichte Nutzfahrzeugmodelle mit Brennstoffzelle und will ab 2024 drei Modelle anbieten. Andere Hersteller haben intensiv an dieser Antriebsform geforscht, Pläne angekündigt und wieder verworfen – doch aktuell sind wieder mehrere Marken wie BMW, Mercedes oder VW am Thema Wasserstoff dran. Wie sich dieser Antrieb in Zukunft entwickeln wird, ist kaum absehbar.

Eine Variante der Wasserstoff-Brennstoffzelle ist die Methanol-Brennstoffzelle. Damit will der ehemalige Audi-Entwickler Roland Gumpert eine umweltfreundlichere und praktischere Alternative zum batterieelektrischen Antrieb gefunden haben. Methanol ist eine Art veredelter Wasserstoff und kann wie E-Fuels aus dem CO2 der Atmosphäre hergestellt werden. Wird dazu ausschliesslich regenerative Energie benutzt, ist er CO2-neutral. In der Brennstoffzelle wird das flüssige Methanol aufgespalten, das CO2 wird zurück in die Umwelt entlassen, während der übrig bleibende Wasserstoff mit dem Sauerstoff aus der Luft reagiert und so Strom erzeugt. Vorteile sieht Gumpert vor allem in der höheren Sicherheit und dem einfacheren Betanken. Derzeit zeigt aber kein Hersteller Interesse an dieser Antriebsform.

Projekte mussten eingestellt werden

Der Solarantrieb schliesslich wäre wohl die umweltfreundlichste Form des Elektroantriebs – doch bisher sind alle Start-ups mit solchen Plänen gescheitert. Weder Sono Motors aus Deutschland noch das niederländische Unternehmen Lightyear haben ihre Modelle in die Serienproduktion gebracht, beide Projekte mussten wegen Finanzierungsproblemen eingestellt werden.

Andere wie der dreirädrige Apetra oder der winzige Squad aus den USA können nicht als vollwertige Autos gezählt werden und sind ebenfalls noch nicht erhältlich. Auch in diesem Bereich hat die Elektromobilität also noch viel Potenzial.

Dave Schneider

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