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Der Wunderstoff aus Luft und Wasser
E-Fuels – Die EU will ab 2035 nur noch rein elektrisch angetriebene Neuwagen zulassen. Das löst aber nicht das globale Umweltproblem des Transportsektors. Synthetische Treibstoffe könnten helfen.
Die Menschheit verbraucht pro Tag 15 Milliarden Liter Erdöl – das sind 4,2 Milliarden Tonnen pro Jahr. Rund drei Milliarden Tonnen davon verbraucht der Transportsektor für Treibstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin, was einen jährlichen CO2-Ausstoss von 8,2 Milliarden Tonnen verursacht – etwa sechs Milliarden Tonnen davon verursacht allein der Strassenverkehr (Zahlen: Statista).
Es ist klar, dass die Menschheit eine Alternative zum Erdöl braucht. Für den Strassenverkehr sieht die europäische Politik das Heil im batterieelektrischen Antrieb und will deshalb nicht nur ab 2035 den Verbrennungsmotor für neuhomologierte Autos verbieten, sondern ab dann ausschliesslich den Batterieantrieb zulassen. Die Schweiz würde diese Vorgaben übernehmen.
Das dürfte die CO2-Bilanz in Europa zwar etwas aufpolieren – doch das globale Problem des Erdölverbrauchs und der damit verbundenen Umweltbelastung wird damit nicht gelöst. Aktuell verkehren auf der Welt rund 1,3 Milliarden Autos mit Verbrennungsmotor, allen Prognosen zufolge wird sich diese Zahl in den nächsten 20 Jahren nicht signifikant reduzieren. Es ist kaum vorstellbar, dass in grossen Märkten wie Indien, Russland, Afrika oder Südamerika in absehbarer Zeit rein elektrisch gefahren werden wird. Zudem ist der Batterieantrieb weder für die Luft- noch für die Schifffahrt realistisch. Um den globalen CO2-Ausstoss des Transportsektors zu senken, braucht es andere Massnahmen.
Eine Schweizer Erfindung
Eine mögliche Lösung des Problems könnten synthetische Treibstoffe sein. Diese E-Fuels werden durch den Einsatz von Strom aus Wasser und CO2 hergestellt. Wenn nun das für die Herstellung von E-Fuel benötigte CO2 aus der Atmosphäre gelöst wird und man die zweite Zutat Wasserstoff mit nachhaltiger Energie erzeugt, hat man nicht nur synthetisches Erdöl, sondern es ist bei der späteren Verbrennung erst noch CO2-neutral. Das klingt fantastisch, ist aber längst Realität: Bereits vor zwölf Jahren hat ein Forscher-Team der ETH Zürich sogenanntes Synthesegas (oder Syngas) im Labor hergestellt. Syngas ist die Basis für allerlei synthetische Treibstoffe, aber auch für andere Produkte, die aus Erdöl gemacht werden, diverse Kunststoffe etwa.
CO2 aus der Atmosphäre zu lösen ist ebenfalls möglich, und zwar durch das Verfahren «Direct Air Capture». Die nachhaltige Produktion von synthetischen Treibstoffen aus Luft und Wasser ist also machbar. Noch gibt es aber keine Produktion im grossen Stil. Die Schweizer Firma Synhelion hat aber im vergangenen Sommer als weltweit erstes Unternehmen E-Fuels im industriellen Massstab produziert. Das Unternehmen nutzt dazu Solar-Wärme aus konzentriertem Sonnenlicht. 2025 will Synhelion die erste kommerzielle Produktionsanlage in Spanien mit einer Produktionskapazität von 875 Millionen Litern in Betrieb nehmen.
Gleichzeitig hat HIF Global eine E-Fuel-Anlage im Süden Chiles in Betrieb genommen – zwar nur eine Pilotanlage mit einer jährlichen Kapazität von 130 000 Litern, doch bald schon soll in einem zweiten Werk in Patagonien die Jahresproduktion auf 55 Millionen Liter ansteigen. An HIF Global sind grosse Unternehmen wie Porsche, Siemens Energy oder Exxon Mobil beteiligt.
Noch zu teuer
Um ein Auto mit E-Fuels zu betreiben, muss keine technische Modifikation vorgenommen werden. Auch die gesamte Infrastruktur könnte unverändert bleiben. Dass wir deshalb aber bald schon Autos mit synthetischem Treibstoff betanken werden, ist dennoch unwahrscheinlich. Denn: Noch sind E-Fuels zu teuer.
HIF Global spricht von einem Herstellungspreis von zwei US-Dollar pro Liter, bei einer Produktionsmenge von 55 Millionen Litern pro Jahr. Damit E-Fuels wirtschaftlich werden können, müsste der synthetische Treibstoff also zunächst steuerlich begünstigt oder durch Subventionen gefördert werden. Das löst politischen Widerstand aus. Als vor wenigen Wochen der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing E-Fuels als mögliche Alternative für die Zukunft erwähnte, brandete eine Welle der Entrüstung durch die Medienlandschaft. Viele sehen das Elektroauto in Gefahr.
Schlechter Wirkungsgrad
Ein gerne angeführtes Argument gegen E-Fuels ist der schlechte Wirkungsgrad. Die «Well-to-Wheel»-Bilanz ist tatsächlich miserabel: Um ein Auto zu bewegen, wird je nach Quelle das Fünf- bis Siebenfache an Energie benötigt als bei einem batterieelektrischen Auto. Das sei aber irrelevant, sagt Porsche-Vorstand Michael Steiner: «Wenn man bei uns in Europa regenerativ erzeugten Strom in E-Fuels umwandelt und damit ein Auto antreibt, ergibt das tatsächlich keinen Sinn.» In Patagonien aber «ernte» ein Windrad etwa viermal so viel Strom wie in Deutschland – Windenergie, die sonst nicht aufgefangen werden würde. «Somit haben wir einen anderen Ausgangspunkt.»
Umweltverbände kritisieren ausserdem einen erhöhten Ammoniak-Ausstoss bei der Verbrennung von synthetischen Treibstoffen. Ein Test von «Traffic & Environment» (T&E), eine Dachorganisation für NGO, die sich für einen nachhaltigen Verkehr einsetzen, hat einen deutlich höheren Ausstoss von Kohlenmonoxid (CO) ergeben. Dem gegenüber stehen andere Tests, etwa vom ADAC oder vom Fachmagazin «auto, motor und sport», bei denen E-Fuels weniger solche Schadstoffe emittierten als herkömmlicher Treibstoff.
Es ist aber davon auszugehen, dass rasch entsprechende Filtersysteme oder andere Methoden zur Emissionsverminderung entwickelt werden könnten. So oder so könnten synthetische Treibstoffe viel zur Reduzierung des globalen CO2-Ausstosses beitragen. Nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur Elektromobilität. Ob die Politik gewillt ist, die hohen Kosten dafür zu stemmen, wird sich zeigen.
Dave Schneider
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