Die berufliche Grundbildung und der gymnasiale Bildungsgang sind die zwei am häufigsten eingeschlagenen Bildungswege auf der Sekundarstufe II. Rund zwei Drittel der Schulabgängerinnen und Schulabgänger, regional auch mehr, wählen den Weg in die Berufsbildung. Die Maturitätsquoten sind stabil, unterscheiden sich aber regional stark. «Immer mehr Jugendliche drängen ans Gymnasium. Genf z. B. zählt viel mehr Gymnasiastinnen und Gymnasiasten als die ländliche Ostschweiz», weiss die Thurgauer Unternehmerin und SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr.
Vom Gymnasium in die Lehre
Was für Möglichkeiten ergeben sich, wenn es mit dem Gymnasium nicht klappt oder eine Gymnasiastin bzw. ein Gymnasiast nach abgelegter Maturitätsprüfung zum Schluss kommt, einen anderen Weg zu beschreiten und in die duale Berufsbildung einzusteigen?
Für Jugendliche mit Maturitätsabschluss kann eine Berufslehre eine attraktive Ausbildungsoption sein, weshalb die Durchlässigkeit zwischen der Berufsbildung und dem Gymnasium optimal ausgestaltet sein sollte. «Es macht deshalb Sinn, in die Durchlässigkeit zu investieren», sagt Gutjahr. Die sogenannte «Way-up Lehre» bietet Absolventinnen und Absolventen der gymnasialen Matur verschiedene zukunftsorientierte Berufsausbildungen. In der Regel muss der allgemeinbildende Unterricht an der Berufsfachschule nicht besucht werden, wodurch sich die Berufslehre verkürzt. Für eine Verkürzung der Berufslehre braucht es das Einverständnis des Lehrbetriebs und des zuständigen kantonalen Amtes für Berufsbildung. «Der Abschluss der ‹Way-up Lehre› ermöglicht den Zugang zur Höheren Berufsbildung und zur Fachhochschule.»
Wird das Gymnasium vorzeitig abgebrochen, besteht die Möglichkeit des Übertritts in eine Berufslehre. Allerdings gelten bei der Lehrstellensuche die gleichen Bedingungen wie für Schulabgängerinnen und Schulabgänger der Sekundarstufe I. Eine Anrechnung von Bildungsleistungen ist für diesen Fall nicht vorgesehen.
Tiefe Umorientierungsquote
Die sogenannte Umorientierungsquote liegt aber bei weniger als zehn Prozent. Nicht einmal der kürzlich publizierte Bildungsbericht 2023 widmet sich vertieft dieser Thematik. Dies hat Nationalrätin Diana Gutjahr – sie ist auch Vorstandsmitglied im Schweizerischen Gewerbeverband sgv – dazu veranlasst, vom Bundesrat in einem Postulat Auskunft zu verlangen. «Er soll», so Gutjahr, «in einem Bericht darlegen, welche Chancen, Möglichkeiten und Potenziale sich aus dem Übertritt vom Gymnasium in die Berufsbildung ergeben.» Zudem soll der Bundesrat klären, welche Massnahmen zu ergreifen sind, diese Möglichkeit besser bekannt zu machen und den Übertritt für betroffene Gymnasiastinnen und Gymnasiasten einfacher zu gestalten. Insbesondere seien Branchen zu lokalisieren, die bislang noch keine entsprechenden Anstrengungen unternommen haben.
In die Durchlässigkeit investieren
«Tatsache ist, dass immer mehr Jugendliche ans Gymnasium drängen», so Gutjahr. «Tatsache ist aber auch, dass die duale Berufsbildung viele interessante und zukunftsträchtige Optionen bietet, die noch zu wenig bekannt sind.» Die Berufsbildung könne eine attraktive Ausbildungsoption für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten darstellen, «zumal sich in der beruflichen Grund- und Weiterbildung viele Chancen eröffnen».
Im Zuge des andauernden Fachkräftemangels macht es deshalb definitiv Sinn, in die Durchlässigkeit der Bildungswege zu investieren.
Dieter Kläy, Ressortleiter sgv