Publiziert am: 16.06.2023

Faire Verfahren – aber wie?

WEKO – Es laufen Bestrebungen, die Schweizer Wettbewerbsbehörden «institutionell» zu reformieren. Konkret geht es um die Frage, ob die Wettbewerbskommission, wie sie heute ist, gut funktioniert. Doch die Frage ist falsch gestellt.

In der Schweiz werden die Entscheide in Wettbewerbssachen von der Wettbewerbskommission (WEKO) getroffen. Diese Entscheide können vor Bundesverwaltungsgericht und dann auch noch vor Bundesgericht weitergezogen werden. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit, jeden Fall ganz aufzurollen. Das nennt man volle Kognition.

Die WEKO ist eine Milizbehörde. Ihre Mitglieder nehmen dort neben- oder ehrenamtlichen Einsitz. Sie nimmt die Funktion als Erstentscheidgremium wahr. Daneben gibt es das Sekretariat der Wettbewerbskommission, welche die Fälle untersucht. Ob hier zwei Behörden vorliegen – die WEKO einerseits und das Sekretariat andererseits – oder eine – die WEKO und ihr Sekretariat –, ist ein offener Punkt.

Trivial ist dieser Punkt nicht. Denn beide sind auf vielfache Weise miteinander verbunden. Das Sekretariat wird nämlich vom Präsidium der WEKO beaufsichtigt. Und selbst bei der Untersuchungseröffnung braucht es eine Zusammenarbeit zwischen WEKO und Sekretariat. Was für viele auffällig ist: Das Sekretariat nimmt an den Beratungen der WEKO teil.

«Übliches» Design

Der Schweizer Aufbau der kartellrechtlichen Institutionen entspricht eher dem sogenannten Verwaltungsbehördenmodell, das auf dem europäischen Kontinent üblich ist. Demgegenüber steht das unabhängige Gerichtsmodell, wie es etwa in den USA zur Anwendung kommt. Ein solches Modell wurde in der letzten Kartellgesetzrevision vorgeschlagen – und vom Schweizerischen Gewerbeverband sgv erfolgreich bekämpft.

Anders als vielerorts behauptet, bewirkt das erstgenannte Verwaltungsmodell keine Minderung der Rechte der am Verfahren Beteiligten. Denn ihnen steht der Instanzenzug vor Gericht offen, und mindestens eine Instanz hat die volle Kognition.

Nicht alles in Ordnung

Aus dieser eher formalen Ausgangslage folgt aber nicht, dass es keine Probleme im Schweizer Wettbewerbsrecht gäbe. Diese Probleme sind nicht primär im Institutionenaufbau zu verorten, sondern liegen in der fehlerhaften Regelanwendung durch alle Institutionen. Die Fiktion, dass bestimmte Absprachen nur wegen ihrer Form erheblich sind, und die faktische Beweislastumkehr sind solche Probleme. Auch die lange Verfahrensdauer ist ein Problem.

Doch diese Probleme wurden eigentlich von den Gerichten eingeführt. Die sogenannte per-se-Erheblichkeit war eine Erfindung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesgericht hat sie anerkannt und damit auch der Beweislastumkehr Tür und Tor geöffnet. Und der wichtigste Anteil der langen Verfahren geht auf die Kappe des Bundesverwaltungsgerichts, das Fälle über Jahre warten lässt.

Wie weiter?

Ein wichtiger erster Schritt einer institutionellen Optimierung kann man sogar machen, ohne das Gesetz zu ändern. Die WEKO könnte ihr Sekretariat von der Entscheidfindung ausschliessen. Würde man Untersuchung und Entscheid konsequenter trennen, könnten die Rechte der Parteien gestärkt werden.

Derzeit arbeitet eine vom Bundesrat eingesetzte Arbeitsgruppe an weiteren Vorschlägen zur sogenannten Institutionenreform. Die Arbeiten dauern dabei sicher einige Monate an. Wichtig wäre, dass in dem Zusammenhang die richtige Frage gestellt wird. Sie lautet: Welche Regeln garantieren ein faires Wettbewerbsverfahren?

Henrique Schneider,Stv. Direktor sgv

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