Der sgv fasst einstimmig die Nein-Parole zur «Umweltverantwortungsinitiative»
Mit Nostalgie dem Wandel trotzen
SCHWEIZERISCHER MARKTVERBAND – Nach einer existenzbedrohenden Krise aufgrund der Pandemie, boomt die Branche wieder. Frischen Wind bringt auch der neue Präsident Peter Hutter. Er will nicht nur neue Mitglieder rekrutieren, sondern den Verband auch auf politischer Ebene noch stärker verankern und die Förderung des Marktwesens als altes Kulturgut vorantreiben.
Der würzige Duft von gebrannten Mandeln, Glimmer, Glamour, glänzende Lichter, bunte Ballone, Menschen aller Generationen, fröhliches Kinderlachen, bunte Marktstände und ein herzhafter Biss in das süsse Magenbrot – so fühlt sich die typische Marktatmosphäre an. Sie ist unvergleichbar und nur live mit allen Sinnen zu erleben. Märkte und Kilbenen sind nach wie vor sehr beliebt – und der Fahrtwind eines Karussells kann durch keine App der Welt ersetzt werden. Dies bestätigt auch Peter Hutter, Präsident des Schweizerischen Marktverbandes SMV. «Gerade nach Corona haben die Leute die Märkte und Kilbenen förmlich überrannt.» Der Rheintaler ist seit Anfang Jahr an der Spitze des Verbandes. Die Gewinnung von Neumitgliedern, die Stärkung der Sektionen sowie die politische Verankerung des Berufsverbandes stehen ganz oben auf seiner Prioritätenliste.
«Wir sind keineswegs ein Auslaufmodell und möchten als Jahrhundertealtes Kulturgut anerkannt und gefördert werden.»
Die Verdrängung des lokalen Detailhandels durch Grossverteiler, Warenhäuser und den Onlinehandel macht sich die Branche clever zu- nutze. «Gerade diese Nische ist für unsere Mitglieder häufig eine Überlebenschance», so Hutter. Und er konkretisiert: «Wenn zum Beispiel der lokale Schuhhändler aufgeben musste, hat der Marktfahrer, welcher nur zweimal, viermal oder monatlich für einen Tag im Ort ist, durchaus noch Chancen.» Offenkundig ist der Trend zu mehr Lebensmittel- und Foodangeboten auf den Märkten. «Das stellen wir auch bei den Neumitgliedern fest.» Die Branche sieht sich als Ergänzung gegenüber dem stationären Handel. So profitieren beispielsweise die Beizen im Ort vom Markthandel und sind am Markttag meistens gut ausgelastet. Bei mehrtägigen Märkten kommen auch einige Übernachtungen durch die Markthändler am Ort dazu und generell entdecken die vielen Besucher häufig auch die stationären Geschäfte am Markttag wieder neu. «Wir betrachten es als Win-win-Situation für beide Seiten.» Auch den Onlinehandel sehen viele Marktfahrer nicht als direkte Konkurrenz: Im Gegenteil, sie unterhalten ihre eigene Website oder ihren Online-Shop als Ergänzung zum Markt. Aber vor allem ist der Markt ein Ort der Sinne: «Düfte, Farben, Menschen, mehr oder weniger alles zum Anfassen, Probieren, Besprechen – das kann kein Bildschirm ersetzen. Von den persönlichen Begegnungen gar nicht zu sprechen», stellt Hutter fest.
Brancheninterne Zusammenarbeit
Corona hat tiefe Spuren in der Branche hinterlassen. Viele Mitglieder haben nach der Pandemie schwierige Jahre hinter sich und Existenznöte plagten die Branche der Marktfahrer und Schausteller. Viele ältere Mitglieder haben sich infolge der Pandemie definitiv ins Rentnerleben zurückgezogen. Diejenigen, die den Markthandel als zweites Standbein betrieben haben, mussten sich eine sicherere Einkommensquelle suchen. «Viele von ihnen sind nicht mehr zurückgekommen.» Doch auch diese Situation bietet Chancen für die Branche. «Wir ermutigen jüngere Menschen dazu, ihr Auskommen auf dem Markt zu erzielen und wollen Bindeglied sein zwischen Verkäufern von Marktgeschäften und möglichen Existenzgründern», sagt Hutter. Weniger Anbieter und mehr Verkaufsplätze bieten gute Möglichkeiten für Neueinsteiger, sich in der Branche eine solide Existenz aufzubauen. «Es herrschten Zeiten, da gab es lange Wartelisten. Das ist noch nicht so lange her», doppelt Hutter nach. Der grosse Einsatz des SMV im Dienst seiner Mitglieder während der Pandemie hat die Solidarität zwischen dem SMV und den Marktbehörden gestärkt und motiviert noch mehr zur brancheninternen Zusammenarbeit.
«Gerade nach Corona haben die Leute die Märkte und Kilbenen förmlich überrannt.»
Die Branche hat auf politischer Ebene ein klares Anliegen: «Wir sind keineswegs ein Auslaufmodell und möchten mit allem Nachdruck bei der Politik als jahrhundertealtes Kulturgut anerkannt und gefördert werden. Da liegt noch einiges im Argen und daran müssen wir intensiv arbeiten», betont Hutter. Ebenso müsse die Regulierungswut vermindert werden. «Die Vorschriften nehmen immer mehr zu und damit die Zeit, welche wir im Büro verbringen müssen.» Der Markthandel ist das zweitälteste Gewerbe der Welt und hat sich aller Schwierigkeiten zum Trotz erstaunlich gut dem heutigen Wandel angepasst. «Deshalb liegt die grösste Herausforderung wohl darin, nicht nachzulassen und weiterhin für Attraktivität des Marktbesuches zu sorgen», sagt Hutter.
Er schaut positiv in die Zukunft. Märkte, Kilbenen und Ausstellungen passen sich der heutigen Entwicklung der Gesellschaft und der Kundschaft an – nicht zu vergessen, die Besucher lieben auch ein gewisses Mass an Nostalgie oder Kitsch. Ein Beispiel dafür ist der riesige Boom der Weihnachtsmärkte, die notabene alle draussen unter freiem Himmel stattfinden. Das war ein grosser Vorteil während der Pandemie und ist es erst recht in normaleren Zeiten. Corinne Remund
DAS MACHT DER SMV
Eine Stimme bei den Behörden
Vor 100 Jahren waren die Marktfahrer auf die Hilfe der Spediteure und der Eisenbahn angewiesen, um ihr Verkaufsgut an die Märkte zu bringen. Jedoch scheinen die Kosten für diese Dienste auszuufern, und einige Markthändler kamen zur Einsicht, diesen Missstand gemeinsam anzugehen. Dies war die Gründungsstunde des Schweizerischen Marktverbandes SMV. Er wurde am 17. Juni 1910 aus der Taufe gehoben. Die primäre Aufgabe des Verbandes ist es, den Mitgliedern eine Stimme gegen aussen zu geben – bei Behörden, auf politischer Ebene und bei den Mitbewerbern. Dazu ist der Verband gut vernetzt mit anderen Vereinen, Verbänden, Organisationen und Institutionen. Rechtliche Stellungnahmen zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen, die die Marktfahrer direkt betreffen, gehören ebenso zum Aufgabenbereich wie die Erhaltung des Kulturgutes Markt.
Der Umstand, dass immer mehr Ortspolizeien aufgelöst oder in die Kantonspolizei integriert wurden oder noch immer werden, führt zu einem grossen Manko bei der örtlichen Marktorganisation, da diese Gemeindeangelegenheit ist. Diese Aufgaben übernehmen immer mehr Verbandsfunktionäre, teils im Auftrag von Gemeinden und Städten, teils auch im Namen des Verbandes, bzw. der zuständigen Sektion. Zusammengenommen werden damit gegen 1000 Markttage im Jahr vom Marktverband oder mit direkter Mitarbeit des Verbandes für die Markthändler und Markthändlerinnen organisiert.
Der Verband zählt rund 600 aktive Mitglieder. Dazu gehören von Kleinstunternehmern über KMU bis zu AG- oder GmbH-Besitzer. Rund 15 000 Personen sind im Markthandel beschäftigt. Die Branche generiert inklusive Kilbibetriebe, Zuliefer-, Produktions- und Servicebetriebe rund 15 000 Arbeitsplätze. Der Warenmarkt allein generiert jährlich rund 330 Millionen Franken Umsatz. Kommen die Kilbibetriebe dazu, so sind es über eine Milliarden Franken.
CR
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