Publiziert am: 02.06.2023

Schritt in die richtige Richtung

VERBANDSBESCHWERDERECHT – Die Siedlungsentwicklung nach innen und das energetische Bauen dürfen nicht länger durch unnötige und überbordende Beschwerdemöglichkeiten behindert werden. Eine vom Walliser Mitte-Nationalrat Philipp Matthias Bregy eingebrachte Parlamentarische Initiative will den Druck mildern.

Das raumplanerisch zentrale Konzept des verdichteten Bauens wird heute unter anderem durch das Verbandsbeschwerderecht behindert. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung macht eine diesbezügliche Vorlage, welche bei Wohnbauprojekten innerhalb der Bauzone das Verbandsbeschwerderecht auf Gebäude mit einer Geschossfläche über 400m2 beschränken will.

Rund 30 Organisationen

Die Schweiz verfügt seit 1967 über ein Verbandsbeschwerderecht. Konkret besagt dieses, dass gesamtschweizerische Umweltschutzorganisationen gegen Projekte wegen Verletzung von Bundesumweltrecht Einsprache oder Beschwerde erheben können. Rund 30 Organisationen sind beschwerdeberechtigt, darunter beispielsweise der WWF, Pro Natura, der SAC, der VCS, Greenpeace uvm. Festgeschrieben ist das Verbandsbeschwerderecht im Umweltschutz- sowie im Natur- und Heimatschutzgesetz. Im Bereich des Umweltschutzgesetzes (USG) sind die Beschwerdemöglichkeiten auf Vorhaben beschränkt, die einer Umweltver-träglichkeitsprüfung unterliegen. Das Natur- und Heimatschutz-gesetz (NHG) kennt hingegen keine solche Einschränkung.

Verbandsbeschwerderecht verzögert wichtige Bauprojekte

Mit dem Verbandsbeschwerderecht sind eine Reihe von Problemen verbunden. Denn durch Beschwerden werden Bauvorhaben verzögert und teilweise viele Jahre in die Länge gezogen. Für Bauherren und Bauunternehmungen, welche auf Planungs- und Investitionssicherheit angewiesen sind, kann dies den Todesstoss wichtiger Projekte bedeuten. Können die Bauprojekte nicht oder nur mit grossen Verzögerungen umgesetzt werden, führt dies auch dazu, dass das vom Raumplanungsgesetz vorgegebene Ziel der Siedlungsverdichtung nach innen nicht konsequent vorangetrieben werden kann. Bautätigkeiten in den Siedlungsräumen werden verlangsamt und gestoppt, was letztendlich auch den sich deutlich machenden Wohnungsmangel befeuert (vgl. Seite 8).

Vorlage packt das Problem an

Den diesbezüglich entstehenden Druck will eine jüngst in die Vernehmlassung gegebene Vorlage mildern. Es geht dabei um die Umsetzung der von Nationalrat Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS) eingereichten und 2020 angenommenen Parlamentarischen Initiative «Kein ‹David gegen Goliath› beim Verbandsbeschwerderecht». Sie will das Verbandsbeschwerderecht im Sinne des NHG einschränken, sodass es nicht mehr zu ungleichen Verhältnissen zwischen gesamtschweizerischen Umweltschutzorganisationen und privaten Bauherren kommen kann. Daher soll bei Wohnbauprojekten mit einer Geschossfläche von weniger als 400m2 innerhalb der Bauzone keine Beschwerde mehr möglich sein. Das Beschwerderecht bleibt jedoch in allen anderen Fällen unangetastet, d.h. ausserhalb der Bauzone, bei grösseren Projekten sowie in besonders sensiblen Gebieten (geschützte Ortskerne, geschichtliche Städte und Kulturdenkmäler sowie Biotope und Gewässerräume).

Nachhaltiger Entwicklung keine Steine mehr in den Weg legen

Durch die vorgesehene Änderung werden die Benachteiligung privater Bauherren gegenüber nationalen Umweltschutzorganisationen aufgehoben und dem Prinzip der Verhältnismässigkeit Rechnung getragen. Denn die heute vorherrschende Rechtslage, bei der jedes einzelne private Kleinprojekt infrage gestellt werden kann, wird häufig für Verzögerungstaktiken missbraucht und ist absolut unangemessen.

Damit ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan: Die Siedlungsentwicklung nach innen und das energetische Bauen dürfen nicht länger durch unnötige und überbordende Beschwerdemöglichkeiten behindert werden. Nur so können das Entwicklungspotenzial der Schweiz voll ausgeschöpft und nachhaltige Lösungen für Probleme wie zum Beispiel den Wohnungsmangel gefunden werden.

Michèle Lisibach, Ressortleiterin sgv

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