Publiziert am: 07.07.2023

Unauffällig, aber höchst erfolgreich

BIOTREIBSTOFFE – Auf dem Weg zur Dekarbonisierung kommt den biogenen Brenn- und Treibstoffen eine Schlüsselrolle zu: Quasi unter dem Radar haben sie sich in den letzten Jahren zu einem der wirksamsten Instrumente zur Senkung des CO2-Ausstosses entwickelt.

Biotreibstoffe fristen in der öffentlichen Wahrnehmung ein Mauerblümchendasein: Es wird viel über sie gesprochen, aber trotzdem weiss niemand so recht, wie Biotreibstoffe hergestellt werden und wo sie zum Einsatz kommen. Im neuen CO2-Gesetz, welches derzeit in den eidgenössischen Räten beraten wird, stehen Biofuels nun jedoch im Zentrum des Interesses. Biodiesel, Ethanol und Sustainable Aviation Fuel (SAF) – ein Sammelbegriff für CO2-freie Flugzeugtreibstoffe – sollen zukünftig einen noch grösseren Beitrag zur Dekarbonisierung des Auto-, Lastwagen- und Flugverkehrs leisten, als bisher. Grund genug, sich genauer mit der Thematik auseinanderzusetzen. Die Gewerbezeitung hat bei Ramon Werner, Präsident des Verbands der Schweizerischen Biotreibstoffindustrie Biofuels Schweiz, nachgefragt.

Schweizerische Gewerbezeitung: Herr Werner, zum Einstieg einige grundsätzliche Fragen: Was sind Biotreibstoffe und woraus bestehen sie?

Ramon Werner: Biotreibstoffe werden aus organischen Abfällen und Reststoffen hergestellt und gelten als nahezu CO2-neutral. Eine Quelle ist etwa Altspeiseöl aus dem Gastgewerbe. Dieses wird gesammelt und gereinigt, danach werden daraus in spezialisierten Produktionsanlagen Biotreibstoffe hergestellt. Es ist also durchaus möglich, dass Sie heute in Ihrer Dorfbeiz einen Teller Pommes frites essen, und in ein paar Monaten tanken Sie an der Zapfsäule einen Biotreibstoff auf Basis des Frittieröls, mit dem Ihre Pommes zubereitet wurden.

Sie sprechen die Zapfsäule an. Wie genau kommen die Biotreibstoffe in den Tank der Kundschaft?

Ganz einfach, Biotreibstoffe werden herkömmlichen Treibstoffen beigemischt, beim Diesel bis zu sieben Prozent und beim Benzin bis zu fünf Prozent – das ist die maximale Quote, die noch innerhalb der gegebenen Treibstoffnormen liegt. Im Durchschnitt liegt der Anteil bei rund vier Prozent des gesamten Treibstoffabsatzes. Autofahrer tanken also mit jeder Tankfüllung vier Prozent Bio, wobei dies den meisten gar nicht bewusst ist. Bio kann zudem, etwa im Transportbereich oder in der Landwirtschaft, auch in höheren Mengen beigemischt werden. Es gibt viele LKW, die mit reinem Biodiesel fahren.

Was hindert die Branche denn daran, nur noch 100 Prozent Bio zu verkaufen?

Dies wäre aus Sicht des Klimas natürlich der Idealfall; aber ein Anteil von 100 Prozent ist illusorisch, denn es sind nicht ausreichend Rohstoffe verfügbar. Dies liegt in erster Linie an der Tatsache, dass nur Abfälle und Reststoffe für die Produktion in Frage kommen; der Anbau von Energiepflanzen zur Herstellung von Biofuels ist in der Schweiz nicht erlaubt.

Diese strengen Auflagen machen unter ethischen und ökologischen Gesichtspunkten zwar sehr wohl Sinn, denn Biotreibstoffe sollen keine Konkurrenz zu Nahrungs- und Futtermitteln darstellen. Aber durch diese Auflagen wird die produzierbare Menge Biotreibstoffe eben auch limitiert.

Trotz dieser Einschränkungen sind Biotreibstoffe eine Erfolgsgeschichte. Die Mineralölbranche hat mit deren Einführung vor rund zehn Jahren eine der wirksamsten Klimaschutzmassnahmen überhaupt initiiert, ohne einen grossen Wirbel darum zu veranstalten: Durch die Beimischung von Biotreibstoffen wurden seit 2014 über 3,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart. Eine beträchtliche Menge, Biotreibstoffe sind heute eines der erfolgreichsten Instrumente, um fossiles CO2 zu reduzieren – pro Jahr im Schnitt gut 500 000 Tonnen.

Nun weiss jedes Kind, dass ein knappes Produkt teuer ist. Wie sieht es mit der Rentabilität aus? Lohnen sich die Produktion, der Import und die Beimischung von Biotreibstoffen überhaupt?

Tatsächlich sind Biotreibstoffe teurer als die fossilen Treibstoffe Benzin und Diesel. Damit die Rechnung für den Handel aufgeht, spielen zwei Elemente zusammen: Erstens kann die Beimischung von Biotreibstoffen an die Erfüllung der Kompensationspflicht der Mineralölbranche via die Stiftung Klimaschutz und CO2-Kompensation «KliK» angerechnet werden. Und zweitens bestehen heute Steuererleichterungen auf nachhaltige Treibstoffe. Ohne diese wären Biotreibstoffe zu teuer.

Das Beispiel zeigt: Es muss sich für Unternehmen finanziell lohnen, Biotreibstoffe in den Markt zu bringen – ansonsten würde nicht so viel CO2 eingespart.

Das neue CO2-Gesetz sieht Quoten für Biotreibstoffe und Sustainable Aviation Fuels (SAF) vor. Wie schätzt die Branche diese Herausforderungen ein?

Tatsächlich hätte das Gesetz eine Steigerung des Bio-Absatzes um ungefähr 50 Prozent zur Folge. Bei den Treibstoffen handelt es sich jedoch explizit nicht um eine Beimisch-, sondern um eine Überführungspflicht. Das bedeutet, dass eine bestimmte Quote an Biofuels in den Markt gebracht werden muss, aber nicht in jeden Tank. Das erhöht die Flexibilität der Branche, denn damit wird es auch interessant, Kunden mit hundertprozentigem Biotreibstoff zu beliefern – sofern deren Zahlungsbereitschaft dies zulässt.

Das Gesetz sieht eine weitere Erleichterung für den Handel vor, denn neu wäre die Inverkehrssetzung von Biofuels auf zwei Arten möglich: Einerseits wie bis anhin unter den strengen Schweizer Auflagen, dafür steuerbefreit, und andererseits unter den weniger strengen Auflagen der EU, dafür wie normale Treibstoffe mit der Schweizer Mineralölsteuer belegt.

Das scheint im Bereich des Machbaren zu liegen.

Grundsätzlich ja. Wichtig ist uns allerdings, dass Biotreibstoffe gleich behandelt werden wie batteriebetriebene oder Wasserstofffahrzeuge, dass sie also ebenfalls eine Teilbefreiung von der LSVA erfahren. Die Spiesse müssen gleich lang sein.

Schwieriger wird es hingegen beim Flugverkehr: Sustainable Aviation Fuel (SAF) gab es bisher nicht, die Flughäfen müssen also ein komplett neues Produkt bewirtschaften. Das kann nur funktionieren, wenn weltweite oder zumindest europaweite Standards gelten. Hier fordern wir vom Gesetzgeber ganz klar den Verzicht auf ein Swiss Finish!

Das letzte CO2-Gesetz wurde vor zwei Jahren an der Urne wegen der befürchteten Kosten abgelehnt. Wie schätzen Sie die finanziellen Auswirkungen des neuen CO2-Gesetzes für den Auto- und den Flugverkehr ein?

Grundsätzlich gilt: Klimaschutz gibt es nicht kostenlos. Ob der Treibstoff pro Liter allerdings fünf, acht oder mehr Rappen teurer wird, ist momentan nicht vorhersehbar. In diesem Frühjahr gingen die Biodieselpreise beispielsweise wieder stark zurück.

Auch beim Fliegen sind gesicherte Prognosen schwierig. Wie stark sich das Reisen verteuern wird, hängt von mehreren Punkten ab: Wie schnell sind neue Technologien wie etwa synthetische Fuels skalierbar, wie gestaltet sich die Verfügbarkeit von SAF und so weiter. Und natürlich schwebt über allem stets die Gefahr, dass die Politik Beimischquoten festlegt, die nicht erfüllbar sind. Dann muss eine Busse bezahlt werden, die zwar das Fliegen verteuert, dem Klima aber rein gar nichts bringt.

Biogene Brenn- und Treibstoffe kann man theoretisch überall da einsetzen, wo heute flüssige Energie genutzt wird, also im Heizungskeller, auf der Strasse oder im Flugzeug. Gleichzeitig ist die Menge an Biotreibstoffen begrenzt. Wo werden sich diese Ihrer Meinung nach mittel- bis langfristig durchsetzen?

Dies wird der Markt entscheiden. Wichtig ist, dass wir technologieoffen bleiben. Regulierungen sollen bestenfalls Leitplanken sein, aber Verbote von einzelnen Technologien sehen wir als den falschen Weg. Um die verschiedenen Einsatzgebiete richtig einschätzen zu können, ist es wichtig, zu verstehen, dass für KFZ-Treibstoffe und Flugzeug-Kerosin unterschiedliche Qualitätsstandards gelten – bis auf Weiteres gibt der Markt also ausreichend Biofuels für beide Anwendungen her. Skeptischer sind wir beim Heizungsmarkt. Zwar existiert seit Neustem eine Norm für Bioheizöl, aber der politische Wille, dieses Produkt als Mittel zur CO2-Reduktion anzuerkennen, scheint mir eher gering. Nicht vergessen sollten wir den Schiffsverkehr, bei dem ebenfalls über den Einsatz von Biotreibstoffen gesprochen wird. Auch diesen Markt könnte unsere Branche in Zukunft bedienen.

www.avenergy.ch

www.biosprit.org

ZUR PERSON

Ramon Werner, 53, ist Verwaltungsratsmitglied der Volare Group und CEO der Oel-Pool AG, die unter anderem die beliebten Ruedi-Rüssel-Tankstellen betreibt. Werner ist sowohl Präsident von Biofuels als auch Präsident des Verbands Tankstellenshops Schweiz VTSS.

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