Publiziert am: 06.10.2023

Big Brother is driving you

Datenschutz – Moderne Autos sind Spione auf Rädern – das wurde jetzt von einer Studie eindrücklich bestätigt. Was die Autohersteller mit unseren Daten machen, ist unklar. Klar ist aber: Damit lässt sich viel Geld verdienen.

Mit ein paar Klicks auf dem Smartphone bestellt man sich den Wunschartikel im Internet, schickt sich die Route zur Abholadresse direkt ins Auto und wird anschliessend vom Navi bequem dorthin geführt. So oder so ähnlich verknüpfen heute viele die digitale mit der analogen Welt und profitieren von den endlosen Möglichkeiten. Die Schattenseite ist, dass wir damit unweigerlich unser Einverständnis geben, dass Konzerne unsere Daten sammeln und nutzen dürfen. Wer das nicht will, kann an der digitalen Welt nicht teilhaben.

«Wenn eine Versicherungsgesellschaft weiss, dass Herr Meier sehr viel und schnell fährt, wird sein nächster Vertrag teurer sein.»

Das betrifft auch moderne Autos: Wer dessen modernen Dienste nutzen will, muss seine Daten hergeben. Um bei unserem Shopping-Beispiel zu bleiben: Da wird nicht nur im Internet aufgezeichnet, welche Artikel wir wo gesucht und wie wir sie bei wem bezahlt haben, sondern auch das Auto zeichnet alles auf. Wann fährt man von wo nach wo? Wie schnell? Inzwischen sind die Autos auch mit Kameras und Mi-krofonen im Innenraum ausgestattet – und all diese Daten werden laufend via integrierter SIM-Karte in die Cloud geschickt. Über Infotainmentsysteme und die damit gekoppelten Handys erhalten die Autohersteller Zugang zu weiteren persönlichen Informationen, etwa unsere Kontaktdaten und Textnachrichten, sofern man beim Koppeln des Geräts diese Berechtigung erteilt. Und nicht zuletzt werden auch die Hersteller-Apps, ihre Unternehmenswebsites und die Händlerkontakte ausgewertet.

Alle getesteten Marken fallen durch

Wir werden also von unseren Autos permanent ausspioniert. Das bestätigt auch eine neue Studie der Mozilla Foundation: Die Non-Profit-Organisation zeigt darin auf, dass alle grossen Autohersteller regelrechte Datenkraken sind, die mit ihren Fahrzeugen massenhaft persönliche Informationen ihrer Kunden sammeln. Dabei geht es bei Weitem nicht nur um Daten, die sich auf das Autofahren beziehen – manche Hersteller sammeln auch sehr persönliche Informationen, etwa zu Gewicht, Gesundheitszustand und sogar zu sexueller Aktivität.

«manche AutoHersteller sammeln auch sehr persönliche Informationen.»

Die Mozilla-Experten untersuchten für ihre Studie 25 Automarken. Das ernüchternde Ergebnis: Keine Einzige erfüllt die Mindestsicherheitsstandards der US-Stiftung, die vor allem für den gleichnamigen Open-Source-Internetbrowser bekannt ist. Und nur ein Hersteller stellte sich den Fragen der Forscher – alle anderen lassen sich beim Thema Datensammeln gar nicht in die Karten blicken.

Auch der deutsche Automobilclub ADAC hat in einem Test ermittelt, welche Daten die Autohersteller sammeln. Die dabei getesteten Modelle übermittelten laufend ihre Position via GPS sowie Statusdaten wie Kilometerstand, Verbrauch oder Tankfüllung. Kombiniert mit den Daten über die gefahrenen Strecken und die Betriebszeiten des Autos entsteht so ein ausführliches Nutzungsprofil. Hinzu kommen Daten, die Rückschlüsse auf den Fahrstil liefern, etwa die Gurtstraffungen bei starken Bremsungen oder die Drehzahl des Motors.

Ein Riesengeschäft

Wieso die Hersteller all diese Daten sammeln, ist für Datenschützer Stefan Brink eindeutig: «Für die Autohersteller ist die Datennutzung das zweite grosse Geschäftsfeld geworden.» Studien gehen von einem Marktvolumen bis 2030 von 750 Milliarden Dollar aus. Denn solche Informationen sind Gold wert: Wenn beispielsweise eine Versicherungsgesellschaft weiss, dass Herr Meier sehr viel und schnell fährt, dabei gerne den Motor hochdreht und abrupt bremst, wird sein nächster Vertrag deutlich teurer sein als für Frau Müller, die nur wenig und vorsichtig fährt. Und da unsere Daten aufzeigen, wo wir gerne essen, einkaufen oder in Urlaub gehen, kann gezielt Werbung geschaltet werden.

Gemäss den Mozilla-Experten seien moderne Autos punkto Datenschutz wahre Albträume auf Rädern: Wenn man heute in einem Auto sitze, dann sei das so, als würde man sein Handy dem Autohersteller überlassen. Datenschützer und Automobilclubs wie der TCS fordern deshalb schon seit Jahren Transparenz. «Wir brauchen eine gesetzliche Regelung, die sicherstellt, dass Fahrzeugbesitzer selbstbestimmt über ihre Daten verfügen und die Freigabe an Dritte steuern», fordert Karsten Schulze vom ADAC. Dabei dränge die Zeit, denn bereits gibt es Infotainmentsysteme, die mit Spracheingabediensten wie Alexa von Amazon oder Google Assistant verknüpft sind – diese Systeme übermitteln sogar in die Daten-Cloud, was im Fahrzeuginnenraum gesprochen wird. Und für die immer autonomer agierenden Fahrassistenten, für die die Autos mit der Umwelt kommunizieren müssen, ist eine konstante Datenübermittlung unabdingbar. Die Datenströme werden künftig also noch deutlich anwachsen.

Dave Schneider

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