Publiziert am: 20.10.2023

Keine einseitige Fokussierung

RAUMPLANUNG – Nach intensiver Beratung verabschiedet das Parlament die zweite Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG2). Der Schweizerische Gewerbeverband fordert für die künftige Raumplanungspolitik eine ganzheitliche Betrachtung unter Einbezug der Bedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft.

Da die zweite Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG2) als indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative positioniert ist, hängt ihre Umsetzung von der Zukunft der Volksinitiative ab.

Die erste Teilrevision des Raumplanungsgesetzes von 2014 fokussierte sich auf das Bauen in der Bauzone und hatte die Siedlungsentwicklung nach innen zum Ziel. Mit der vor drei Wochen verabschiedeten zweiten Teilrevision packt das Parlament nun das Bauen ausserhalb der Bauzone an. Konkret geht es darum, den Boden haushälterischer zu nutzen.

Die wichtigsten Ă„nderungen

Die Revision führt einen Stabilisierungsmechanismus ein. Die Anzahl Gebäude und die Bodenversiegelung ausserhalb der Bauzone sollen stabilisiert werden. Dadurch wird der Boden nur noch geringfügig zusätzlich belastet. Landwirtschaft und Tourismus sind vom Stabilisierungsziel ausgenommen, um deren Entwicklung nicht zu behindern.

Das zweite neue Instrument ist die Abbruchprämie. Werden Gebäude ausserhalb der Bauzone abgerissen, erhält der Eigentümer eine Prämie in Höhe der Abbruchkosten. Dies gilt nur, wenn kein Ersatzneubau erstellt wird. Dadurch soll ein Anreiz geschaffen werden, nicht mehr benötigte Bauten zu beseitigen, und die beanspruchte Fläche freizugeben. Ausgenommen sind wiederum landwirtschaftliche und touristische Nutzungen.

Gemäss geltender Rechtslage sind ausserhalb der Bauzone nicht landwirtschaftliche Bauten möglich; aber nur, wenn sie standortgebunden sind. Um den unterschiedlichen Bedürfnissen besser gerecht zu werden, führt die Vorlage die Möglichkeit der Bezeichnung besonderer Nutzungszonen für die Kantone ein, in denen sie auch nicht standortgebundene Nutzungen zulassen können. In diesem Falle greift jedoch ein neuer Kompensationsmechanismus: Bei der Errichtung neuer Gebäude müssen ähnliche Gebäude rückgebaut, oder anderweitige Aufwertungsmassnahmen eingeleitet werden.

Zur Stärkung der Rechtssicherheit sieht die Vorlage eine Präzisierung vor: Anlagen, welche nicht standortgebunden sind, allerdings in funktionellem Zusammenhang zu standortgebundenen Bauten stehen, können ausserhalb der Bauzone bewilligt werden. Dies kommt Branchen wie z.B. der Kies- und Betonindustrie zugute, denn Bauten wie Recyclingwerke können so effizient und nachhaltig in der Nähe von Abbaustellen errichtet werden und laufen nicht Gefahr, in die Bauzone verlagert zu werden.

Und zuletzt schreibt die Vorlage im Gesetz explizit fest, dass die Landwirtschaft Vorrang gegenĂĽber allen nicht landwirtschaftlichen Nutzungen hat.

Wie geht es weiter?

Die Vorlage fungiert als indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative. 2021 eingereicht fordert diese, die Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet in der Verfassung zu verankern, und die Anzahl der Gebäude ausserhalb der Bauzone auf dem heutigen Stand zu plafonieren.

Wie es mit dem RPG2 weitergeht, hängt also von der Landschaftsinitiative ab. Wird diese zurückgezogen, beginnt die Referendumsfrist für das RPG2. Wenn nicht, so wird zuerst über die Initiative abgestimmt. Nächste Schritte dürften in der Wintersession folgen, wenn sich der Nationalrat mit der Landschaftsinitiative befasst. Der Ständerat hat sie bereits im Sommer 2022 zur Ablehnung empfohlen.

Der sgv fordert eineganzheitliche Raumplanung

Die Schweiz braucht eine ausgeglichene Raumplanungspolitik, die den Gestaltungsspielraum der Kantone stärkt und ausreichend flexibel ist, damit sich Gesellschaft und Wirtschaft entwickeln können. In diesem Sinne fordert der sgv künftig eine ganzheitliche Raumplanungsgesetzgebung unter Einbezug der Bedürfnisse sämtlicher Akteure, inklusive der KMU-Wirtschaft. Auf eine einseitige Fokussierung auf die Landwirtschaft ist abzusehen.

Zum ganzheitlichen Ansatz gehört auch eine fallbezogene Interessensabwägung, und die Schaffung der dafür notwendigen Flexibilität. Ausserdem muss weiterhin dem Föderalismus Rechnung getragen werden. Raumplanung ist primär Sache der Kantone, und soll auch künftig dezentral betrieben werden. Und letztlich ist auf zu starke Einschränkungen, beispielweise durch eine starre Ausgestaltung des Stabilisierungsziels, zu verzichten. Denn ansonsten wird die notwendige bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Infrastrukturen behindert.

Michèle Lisibach, Ressortleiterin sgv

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