Publiziert am: 03.11.2023

Auch Schwere müssen sauber werden

Alternative Antriebe – Für schwere Nutzfahrzeuge gibt es zwar noch keine CO2-Vorschriften, doch auch für sie werden in absehbarer Zeit strenge Regeln gelten. Alternativen zum Dieselmotor sind also notwendig – und in Sicht.

Auf Europas Strassen sind rund 29 Millionen leichte Nutzfahrzeuge unterwegs, was ungefähr einen Zehntel des gesamten Fahrzeugbestandes ausmacht. Zu den leichten Nutzfahrzeugen zählen Transporter der Fahrzeugklasse N1 mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen. Sie sind für etwa zehn Prozent des vom Strassenverkehr in Europa ausgestossenen Kohlenstoffdioxids (CO2) verantwortlich.

Hinzu kommen bald 6,5 Millionen mittelschwere und schwere Nutzfahrzeuge, also Lastwagen, Busse und Schwertransporter ĂĽber 7,5 Tonnen Gesamtgewicht, die fĂĽr 27 Prozent der CO2-Emissionen des Strassenverkehrs verantwortlich sind. Es ist also nur logisch, dass fĂĽr die Reduktion des CO2-Ausstosses im Strassenverkehr auch beim Nutzfahrzeugsektor angesetzt werden muss.

EU-Vorschriften dĂĽrften kommen

FĂĽr die leichten Nutzfahrzeuge gilt hierzulande aktuell ein CO2-Grenzwert von 186 Gramm pro Kilometer gemessen am WLTP-Durchschnittsverbrauch oder 147 Gramm bezogen auf die veralteten NEFZ-Messwerte. Die Hersteller, respektive in der Schweiz die Importeure, bezahlen fĂĽr jedes Gramm, um das ihre Flotte diesen Schnitt ĂĽberschreitet, empfindliche Bussen.

Ab 2035 gilt der von der EU-Kommission verabschiedete Erlass, dass ab dann neuzugelassene Autos nur noch elektrisch angetrieben und lokal CO2-frei sein müssen, auch für die leichten Nutzfahrzeuge – die Schweiz übernimmt diese Vorgaben. Für schwere Nutzfahrzeuge gibt es hingegen noch keine CO2-Vorschriften, weder in der EU noch in der Schweiz. Doch die dürften bald kommen.

Einige Alternativen verfĂĽgbar

Denn natürlich arbeitet die Politik daran, um auch den Kohlenstoffdioxidausstoss der schweren Nutzfahrzeuge zu senken. Die von der EU definierten Absenkpfade für die Emissionen sehen bis 2025 eine Reduktion von 15 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent im Vergleich zum Referenzjahr 2019 vor. In der Branche werden diese Richtwerte als realistisch eingeschätzt.

Um diese Ziele verfahrensmässig durchsetzen zu können, müssen neuhomologierte schwere Nutzfahrzeuge seit 2019 einen VECTO-Wert ausweisen. VECTO ist das Simulationswerkzeug der Europäischen Kommission zur Ermittlung des Treibstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen. Basierend darauf will die EU mittelfristig CO2-Grenzwerte ähnlich derjenigen der Personenwagen definieren.

Es ist also klar, dass auch die Hersteller von schweren Nutzfahrzeugen alternative Antriebsformen entwickeln müssen. Und es sind bereits einige Alternativen verfügbar. Der batterieelektrische Antrieb, der bei den Personenwagen in Europa weiter auf dem Vormarsch ist, kann auch für schwere Nutzfahrzeuge interessant sein – zum jetzigen Stand der Technik allerdings nur sehr bedingt für längere Strecken. Denn je weiter ein Elektro-Lkw fahren soll, desto grösser und damit auch schwerer und teurer muss die verbaute Batterie sein. Und entsprechend lange dauert es, um eine leere Batterie unterwegs zu laden.

Batterie-Trucks sind längst da

Dennoch gibt es E-Lastwagen auf dem Markt, die mit einer Akkuladung 500 Kilometer, teilweise sogar bis 800 Kilometer zurücklegen können. Ideal sind schwere Nutzfahrzeuge mit Batterieantrieb in erster Linie auf kurzen Strecken, beispielsweise in der Recycling-, Forst- und Landwirtschaftslogistik, aber auch für Kommunalfahrzeuge, Baufahrzeuge wie Muldenkipper oder Warentransporter auf der sogenannten Letzten Meile.

Das Winterthurer Unternehmen Designworks beispielsweise hat mehrere Elektro-Lkw auf Volvo-Basis für diese Einsatzgebiete entwickelt, aber auch Hersteller wie Daimler Trucks, MAN oder Scania haben Lastwagen mit batterieelektrischem Antrieb im Angebot. Volvo hat gemäss eigenen Angaben inzwischen schon 5000 Elektro-Lkw in 40 Ländern verkauft. Damit beansprucht der schwedische Hersteller in diesem Segment die Führungsposition aktuell für sich.

Die Schweiz spielt Vorreiterrolle

Für alle schweren Nutzfahrzeuge, die mit Fracht längere Strecken bewältigen müssen, ist der Brennstoffzellenantrieb eine spannende Lösung. Das bedeutet: Das Fahrzeug wird rein elektrisch angetrieben, der Strom dafür wird aber nicht in grossen, schweren Batterien gespeichert, sondern in einer Brennstoffzelle an Bord durch die chemische Reaktion von gasförmigem Wasserstoff (H2) mit Sauerstoff erzeugt. Getankt wird also gasförmiger Wasserstoff, der in Drucktanks zwar mehr Platz einnimmt als der Treibstoff in Lastwagen mit Dieselmotor, aber noch immer deutlich platzsparender und leichter ist als die riesige und teure Batterieeinheit in einem batteriebetriebenen Lkw.

Auch schwere Nutzfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb sind auf den Strassen unterwegs. Die Schweiz spielt dabei eine kleine Vorreiterrolle: Der Förderverein «H2 Mobilität Schweiz», der sich aus mehreren Tankstellenbetreibern, Speditionsfirmen, den Detailhändlern Coop und Migros sowie dem Autoimporteur Emil Frey zusammensetzt, treibt dazu den Ausbau eines flächendeckenden Tankstellennetzes in der Schweiz voran. Und der koreanische Hersteller Hyundai will in einem Pilotprojekt bis 2025 rund 1600 Wasserstoff-Lkw des Modells Xcient Fuel Cell auf die Schweizer Strassen bringen. Allerdings ist das ehrgeizige Projekt wegen der akut in die Höhe geschnellten Energiepreise ins Stocken geraten.

Wachstumstreiber USA

Überraschenderweise spielen auch die USA eine wichtige Rolle im Ausbau der Wasserstoff-Nutzfahrzeuge. Haupttreiber ist Kalifornien: Dort hat die Aufsichtsbehörde California Air Resources Board (CARB) ein Verbot für neue Lkw mit Verbrennungsmotor ab 2036 erlassen. Für Wasserstoff-Lkw locken im westlichen US-Staat zudem hohe Förderbeiträge: Wer in Kalifornien einen neuen Wasserstoff-Truck kauft, kann nicht nur 40 000 Dollar an Steuerrabatten aufgrund des «Inflation Reduction Act» profitieren, sondern zudem auf weitere staatliche Subventionen von bis zu 288 000 Dollar pro Lastwagen hoffen. Das dürfte viele Logistikunternehmen überzeugen.

Die Haupt-Player in den USA sind neben Daimler und Volvo die US-Hersteller Paccar und Navistar. Paccar, die Nummer zwei auf dem US-Markt, hat kürzlich mit dem Kenworth T680 FCEV einen Wasserstoff-Lastwagen vorgestellt und setzt bereits zehn Prototypen im Hafen von Los Angeles ein – sie sind mit einer Brennstoffzellenantrieb von Toyota ausgestattet. Daimler und Volvo haben ein Joint Venture namens Cellcentric gegründet und entwickeln die Wasserstoff-Technik gemeinsam – die beiden Unternehmen rechnen mit einer Serieneinführung Mitte des Jahrzehnts.

Eine wichtige Rolle spielen will ausserdem das Start-up Nikola, das gemäss eigenen Angaben mit der Serienproduktion des Wasserstoff-Trucks Tre FCEV begonnen hat. Nikola hat die Technik aber nicht selber entwickelt, sondern setzt auf Komponenten von Bosch. Der deutsche Zulieferer ist vom Brennstoffzellenantrieb für schwere Nutzfahrzeuge überzeugt: «Der Durchbruch der Wasserstofftechnik ist nicht mehr eine Frage des Ob oder Wann», meint Bosch-Manager Matt Thorington. «Die Trucks kommen jetzt.»

Dave Schneider

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