Publiziert am: 16.02.2024

Der Staat als Hauptkonkurrent für das Gewerbe?

«Der staatliche Fussabdruck wächst», schrieb die «Handelszeitung» vergangenen Oktober: Dies führe zu mehr Bürokratie und weniger Wettbewerb. Während die Privatwirtschaft nur um knapp sieben Prozent zulegte, sei der öffentliche Sektor in den vergangenen Jahren um zwölf Prozent gewachsen. Dies gefährde die Attraktivität des Standorts Schweiz.

Diese Erkenntnisse sind nicht überraschend: Die Fehlentwicklungen zeichnen sich seit Jahren ab. Trotzdem wehrt sich kaum jemand. Jede Woche beglückt uns Bundesbern mit 120 Seiten neuer Regulierung. Doch nicht nur Politiker, sondern auch Wirtschaftsvertreter rufen immer häufiger nach Gesetzen. Sie erhoffen sich Klarheit und Rechtssicherheit. Oft jedoch ist das Gegenteil die Folge: Neue Bestimmungen werfen neue Fragen auf und provozieren Unsicherheit.

Die Gesetzesproduktion auf Bundesebene hat bedrohliche Ausmasse erreicht. Gleichzeitig nehmen täglich neue Verwaltungsmitarbeiter ihren Dienst auf – schliesslich muss die Einhaltung all der Verordnungen und Gesetze ja auch im Auge behalten werden. Der Kanton Zürich schuf im vergangenen Jahr über 1300 neue Stellen – über fünf Stellen pro Werktag. Eine beunruhigende Situation. Lag der Beschäftigungsanteil des öffentlichen Sektors vor 30 Jahren noch bei unter 20 Prozent, stellt heute die Privatwirtschaft nur noch knapp drei Viertel der Angestellten. Jede vierte Stelle ist bei der Verwaltung oder staatsnahen Betrieben. Finanziert durch Wirtschaft und Gewerbe – denn der Staat hat bekanntlich kein eigenes Geld.

Die Löhne der Verwaltungsmitarbeiter sind exorbitant: Verdient man bei privaten Firmen im Durchschnitt rund 89 000 Franken, beträgt der durchschnittliche Jahreslohn in der Bundesverwaltung fast 120 000 Franken. Damit setzt der Bund die Privatwirtschaft unter Druck.

Die staatliche Konkurrenz wird für Gewerbebetriebe zu einem Problem. Staatsnahe Betriebe sind zunehmend in Sektoren tätig, die für sie nicht vorgesehen wären. So kaufte die Post vor gut zwei Jahren die Firma Livesystems, die auf Bildschirmwerbung spezialisiert ist. Neben den bestehenden Screens in Bussen, Postfilialen oder an Bahnhöfen bewirbt sich die Post-Tochter um immer mehr digitale Plakatstellen an öffentlichen Orten. So wird sie zur direkten Konkurrentin etablierter privater Plakatanbieter. Ist das der Auftrag des Staatsunternehmens Post?

Unter dem Deckmantel «Grundversorgung» gibt es unzählige weitere Beispiele für staatlich provozierte Wettbewerbsverzerrungen. Die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) verkaufen Kühlschränke, Waschmaschinen und andere Elektrogeräte – ein Ärger für private Betriebe. Nachdem der Verkauf von Raclette-Öfeli in Postfilialen abgestellt worden ist, werden dort nun Krankenversicherungen angeboten – auch dies nicht im Sinne des Erfinders. Und dass die Zürcher Steuerzahler die Firma Publibike subventionieren, die private Velohändler konkurrenziert, gehört schon fast zum bekannten Ärger.

Die SRG expandiert seit Jahren in Bereiche, die privaten Medienunternehmen vorbehalten sein müssten. Die umfangreichen Online-Portale erschweren den Verlegern die Arbeit. Diese können im Gegensatz zur SRG nicht auf sprudelnde Gebührengelder zurückgreifen, sondern müssen sich über Werbung, Sponsoring und Abonnemente refinanzieren. Und just bei der Werbung legt ihnen die Politik zusätzliche Steine in den Weg: Immer mehr Werbeverbote schränken den Wettbewerb ein und behindern Handels- und Dienstleistungsbetriebe.

Der «Kampf gegen die Überregulierung» ist zwar in aller Munde – doch was ist nötig und was könnte ohne Verlust weggelassen werden? Spätestens hier scheiden sich die Geister. Wir brauchen wieder mehr Unternehmer und Gewerbler in der Politik: Menschen, die wissen, dass jeder Franken zuerst verdient werden muss. Und Amtsträger, die sich trauen, kritische Fragen zu stellen und Nein zu sagen. Denn wenn es nicht unbedingt nötig ist, ein Gesetz zu machen, ist es zwingend nötig, kein Gesetz zu machen. Montesquieu hatte recht.

* Gregor Rutz ist Jurist, Nationalrat und Präsident der IG Freiheit. Als Unternehmer führt er eine Agentur für Kommunikations- und Strategieberatung und ist Teilhaber einer Weinhandlung.

www.fair-ist-anders.ch

www.gregor-rutz.ch

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